Klage gegen den Länderfinanzausgleich – keine Posse

Von Peter Helmes

Nun hat Bayerns Ministerpräsident endlich seine Drohung wahrgemacht. Der Freistaat klagt beim Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen die derzeitige Regelung des Länderfinanzausgleichs (LFA). Vor 14 Jahren hatte das BVG zum letzten Mal eine Entscheidung zum LFA getroffen, und schon damals wies das BVG darauf hin, daß der LFA eigentlich keine Causa für das Gericht sei, sondern politisch entschieden werden müsse. Schließlich kann selbst das höchste deutsche Gericht das Spannungsfeld des Fö(r)deralismus kaum auflösen. Die Länder, als Teil des Bundes, sind nun ´mal gegenseitig abhängig, auch finanziell. Doch sie können sich nicht einigen. Die Bayern deshalb einer „Schauveranstaltung für die kommenden Landtagswahlen“ zu zeihen, ist zwar wohlfeil, trifft aber den Kern nicht:

Der derzeitige Länderfinanzausgleich ist ungerecht, leistungsfeindlich und wohl auch verfassungswidrig. Viele Nehmerländer haben sich wohlig in der föderalen Solidar-Hängematte als Empfänger eingerichtet. Solidarität ist aber keine Einbahnstraße, sondern beruht auf Gegenseitigkeit: Die „reichen“ Länder (Geberländer) unterstützen die schwächeren (Nehmerländer); die sind im Gegenzug verpflichtet, zu sparen und ihre Schulden zurückzufahren. Das System ändern werden die Nehmerländer aber aus eigenem Antrieb nicht. Die Bundesländer haben in Deutschland eine starke Stellung durch den Bundesrat, der bei der Feststellung des LFA mitbestimmt. Dort sitzen im Streitfall zwölf Nehmerländer gegen vier Geberländer. Die Mehrheit ist also von vorneherein klar. Aus der föderalen Solidargemeinschaft durch Finanzausgleich wird letztlich eine lupenreine Transfer-Gesellschaft und die immer wieder gelobte „Solidarität“ ad absurdum geführt. Wird dies nicht durch eine baldige Reform verändert, ist der Föderalismus in Gefahr.

Daß dieser Wahnsinn Methode hat, zeigt sich besonders bei der europäischen Transfer-Union, aber auch bei der rein innerdeutschen Betrachtung des Länderfinanzausgleichs (LFA):

 

Länderfinanzausgleich 2011 (in Millionen. Euro)

Nehmerländer:

Berlin

-3.043

Sachsen

-918

Sachsen-Anhalt

-540

Thüringen

-527

Bremen

-516

Brandenburg

-440

Mecklenburg-Vorpommern

-429

Rheinland-Pfalz

-234

Nordrhein-Westfalen

-224

Niedersachsen

-204

Saarland

-120

Schleswig-Holstein

-115

Geberländer:

Bayern

3.663

Hessen

1.804

Baden-Württemberg

1.779

Hamburg

62

Quelle: BMF, Tabelle:   Helmesconsulting

Zugespitzt ausgedrückt, bedeutet das Prinzip des LFA:

► Strengt sich ein Nehmerland nicht an und macht höhere Schulden, als es seine Lage eigentlich zuläßt, wird es aus dem Topf des Finanzausgleichs „belohnt“.

► Strengt sich ein Geberland an, das spart und weniger Schulden macht, wird es „bestraft“ und muß als „Belohnung“ mehr an den Ausgleichstopf abgeben.

Dieser Mechanismus ist realpolitischer Wahnsinn. Die eigentlich gewollte Solidarität der Bundesländer untereinander verkommt zu einem Akt der puren Umverteilung. Wer mehr hat als der Durchschnitt, muß abgeben, auch wenn das nehmende Land seine Misere selbst verschuldet hat. Dieses Prinzip bietet selbstredend den über ihre Verhältnisse lebenden Bundesländern nicht nur keinerlei Anreiz zu soliderer Haushaltsführung, sondern ist eher ein System organisierter Verantwortungslosigkeit.

Abschreckende Beispiele liefern aktuell die Bundesländer Berlin und Rheinland-Pfalz, die zwar ohne den LFA nicht lebensfähig wären, aber munter Geld versenken. So kann sich Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit beruhigt zurücklegen. Die Millionen (oder sind´s Milliarden? – „weeß ick nich“, sagt Wowi) versenkter Flughafen-Kosten werden selbstredend über den LFA „ausgeglichen“. Der Pfälzer Kollege Beck, der sowieso ein dickes Fell hat, grämt sich ebenfalls nicht sonderlich über die am Nürburgring unwiederbringlich versenkten rd. 350 Mio. Euro Steuergelder – dank LFA. Ein Wahnsinn, gegen den bisher die drei großen Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die sich so manchen Luxus der Nehmerländer selbst nicht leisten wollen, Sturm liefen. Baden-Württemberg ist inzwischen – dank Grün/Rot – aus der Dreierrunde ausgeschieden. Aber bei allen Dreien gilt: Sie stellen den Länderfinanzausgleich als Prinzip nicht infrage, sondern fordern ein Instrumentarium, das sparsames Haushalten in einem Bundesland belohnt, unsolides Haushalten aber bestraft. Die gegenseitige Hilfe als Prinzip ist im Grundgesetz festgelegt. Dieses Prinzip wird auch nicht infrage gestellt. Die derzeitigen Regeln gelten bis 2019. Danach soll beim Finanzausgleich die Haushaltspolitik aber eine stärkere Rolle spielen. Länder, die zu wenig sparen oder zu hohe Schulden eingehen, sollten dann weniger aus dem Ausgleichstopf erhalten.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch auf ein weiteres, alarmierendes Ergebnis der allgemeinen Haushaltsnot bei Bund und Ländern hingewiesen, für dessen tiefere Betrachtung hier nicht der Platz ist: Bund und Länder beschließen zunehmend neue Gesetze, deren Lasten überwiegend auf die Kommunen abgewälzt werden. Denen steht, bis auf wenige Vorzeigeausnahmen, das Wasser aber schon bis weit über den Kragen. Leidtragende sind letztlich die Bürger, die auf immer mehr kommunale Leistungen verzichten müssen. Es ist eben wie im richtigen Leben: Den Letzten beißen die Hunde. Wobei man zynisch ergänzen mag, den Kommunen bliebe ja immer noch die Möglichkeit, die Hundesteuer zu erhöhen. Gelebte Solidarität sieht nun wirklich anders aus.

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