Warum stürzt der Dow Jones ab?

Das war aber ein Absturz heute (8.11.)! Der Dow Jones-Index, das Fieberthermometer der amerikanischen Wirtschaft, stürzte um 312.95‎ Punkte, also um 2.36%, ab. Das ist eine Menge. Mag die Börse Obama nicht? Die bösen Kapitalisten also als Feinde des guten Mannes aus Chicago, der doch gerade die Wahl als Held der kleinen Leute, der Frauen, der Farbigen, der schwulen Minderheit gewonnen hat?

Quatsch. An der Börse geht es um Geld, nicht um Gefühle. Einen glatten Sieg Obamas hätte die Börse bejubelt. Es ist bewiesen, daß die Börse unter demokratischen Präsidenten eigentlich immer besser abgeschnitten hat als unter Republikanern, zumindest am Anfang der Amtszeiten.

Was ist denn dann der Grund dafür, daß gerade heute dieser Absturz zu verzeichnen ist? Das kann doch kein Zufall sein. Natürlich nicht. Wenn es irgend etwas gibt, das die “Märkte” nicht mögen, dann ist es Unsicherheit. Genau die ist gestern nicht beseitigt worden. Obama hat zwar die Präsidentschaft gewonnen, der Senat ist mehrheitlich “blau” geblieben. Aber: Das Repräsentantenhaus, ohne das nichts geht, ist “rot”, also republikanisch geblieben. Das heißt, die Machtverhältnisse bleiben ungeklärt.

Das mag die Börse, das mögen die “Märkte” nicht, vor allem nicht, wenn von Tag zu Tag die “Fiscal Cliff” näher rückt. Im Sommer 2011, als bei gleichen Mehrheitsverhältnissen eine Einigung auf die künftige Schuldenpolitik nicht erzielbar war, verständigte man sich darauf, daß am 31. 12. 2012 viele Steuervergünstigen und Sozialausgaben auslaufen werden (ebenso wie Ausgaben fürs Militär), sollte man sich nicht bis dahin auf ein gemeinsames Konzept einigen können. Das ist nun genauso unsicher wie zuvor. Und das hat die Börsen abstürzen lassen.

Also, sollte jemand erzählen, daß die Bösen an den Börsen gegen den guten Obama sind, glauben sie es nicht. Hätte es am 6. 11. 2012 nicht nur einen Sieg Obamas gegeben und einen Machterhalt der Demokraten im Senat, sondern zusätzlich auch noch einen Triumph der “Blauen” im Repräsentantenhaus, dann hätten die Börsen am Tag nach dem Wahltag ein Kursfeuerwerk abgebrannt. Bei einem totalen Triumph der Republikaner wäre es so ähnlich gewesen. So jedoch weiß niemand, wie es weitergeht in Washington, und das zehrt an den Nerven.

Noch eine Börsenweisheit zum Schluß: Politische Börsen haben kurze Beine. ‎

Claus Dehl

Washington-Korrespondent

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