Lustlose Bundeswehr oder lustlose Politik

Das Ergebnis einer Befragung unter Bundeswehr-Offizieren ernüchtert. Auf 33 Seiten hat die Technische Universität Chemnitz veröffentlicht, was die Befragung von rund 1.800 Offizieren ergeben hatte: 88 Prozent der Befragten befürchten neue Reformen („die Jetzige wird nicht die Letzte sein“, die Bisherige werde bald über den Haufen geworfen), und fast Zweidrittel von ihnen würden ihren Job nicht weiterempfehlen. Klarer: Die für den „Bund“ so wichtige Führungsschicht der Offiziere ist nicht motiviert. Und das wurde noch dadurch verstärkt, daß Finanzminister Schäuble zwischenzeitlich die Besteuerung des Wehrsoldes durchgesetzt hat – ein verheerendes Signal für die Moral der Truppe, das so klingt wie: „Nu kämpft ´mal schön! Dafür kriegt Ihr auch weniger Geld!“ Und Madame von der Leyen, die eigentlich die Interessen der Soldaten-Familien zu vertreten hätte, war in der Reformdebatte ein glatter Ausfall. Thomas de Maizière ist zwar ein Arbeitstier (und der Kanzlerin treu ergeben), aber beileibe kein Kommunikations- und schon gar kein Motivationskünstler. Er beherrscht wohl eher „Befehl und Gehorsam“.

Offiziere sind ein, wenn nicht der, wesentliche(r) Kern, das Rückgrat, der Truppe. Und da, das zeigt die Befragung, ist die Stimmung schlecht, grottenschlecht. Gemeckert wird immer und überall, im öffentlichen Dienst genauso wie auch im Berufs- und Privatleben. Hier geht es aber um eine alarmierende Entwicklung. Selbst der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, warnt: „Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, wird die Reform der Bundeswehr kippen.“ Was von der Politik ursprünglich als „Reform“ der Streitkräfte verkauft wird, endet als Murks.

Das Problem, da sind sich alle Fachleute einig, erwächst aus drei Faktoren:

Erstens wurde die Wehrpflicht zu plötzlich, also unvorbereitet, ausgesetzt und überraschte vor allem die Soldaten. Sie wurden inhaltlich nicht „mitgenommen“. Zweitens ist nach wie vor eine Finanzklemme an einer entscheidenden Stelle vorhanden: Die beschlossenen Haushaltsmittel reichen nicht aus, die Reform sozial aufzufangen. Das schadet vor allem dem Menschen, seiner Familie und seinem Umfeld – vom drohenden Beförderungsstau ganz zu schweigen. Drittens, ein entscheidender Fehler: Eine Reform solchen Ausmaßes kann man nicht einfach übers Knie brechen, da sie in die Organisation des Betriebes eingreift. Wenn aber gleichzeitig die Truppe laufende Operationen, wie z. B. in Afghanistan, zu bewältigen hat, gerät der Apparat ins Trudeln.

Die Reform – darüber sprechen so manche Politiker nicht so gerne und schon gar nicht offen – ist vor allem deshalb notwendig, weil Deutschland strategische Interessen international vertreten muß. Um diese durchzusetzen, braucht man (auch) die Bundeswehr. Wer dazu Ja sagt, muß auch Ja zu einer ordentlich gerüsteten und eingestimmten Bundeswehr sagen.

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