Keine Zeit für Träume

Die FDP nach dem Dreikönigstreffen

1Lindner

„Schuhgröße 18“? Diese Schuhe waren der FDP schon immer ein paar Nummern zu groß. Inzwischen sind die Liberalen auf ein Maß geschrumpft, das ihrer selbstangenommenen Rolle in der deutschen Politik entspricht; sie sind nahezu bedeutungslos. Vom Wähler gnadenlos abgestraft wegen ihrer Clownerien, nach allen Seiten offenen Politik der Beliebigkeit und ihren Scharmützeln auf der Führungsebene. Eine wirklich liberale Handschrift sucht(e) man vergebens.

Die FDP muß also ganz von vorne anfangen: neues Programm, neues Personal. Die Liberalen in Deutschland verfügen derzeit über kein Programm, das sich gegenüber anderen Parteien abhebt (sieht man von der Linkspartei ab) oder gar ein Alleinstellungsmerkmal bietet – ein politisches Quodlibet. Es wurde und wird nicht klar, warum man die FDP überhaupt wählen soll. Überdies hat sich die Partei dem politischen Mainstream angeschlossen, inklusive der damit verbundenen sprachlichen Verrenkungen.

Ein Merkmal der Liberalen, Freigeist zu sein, der auch gegen den Zeitgeist verstoßen darf, ist ihnen abhanden gekommen. Liberale würdigten immer die Meinung anderer und versuchten nicht, sie zu bevormunden. Kurz: Der Diskurs war nicht vorgegeben, sondern das Ergebnis einer Diskussion. Wer heute in der FDP gegen den Strom schwimmt, wird ausgegrenzt und gedemütigt, wie das Beispiel Schäffler oder Zastrow (Sachsen) zeigt. Sie werden als „Abweichler“ gebrandmarkt. „Wer nicht mit mir im Strom schwimmt, ist gegen mich“ – diese geistige Orientierung zeigt uns keinen „liberalen“ Lindner. Da ist Brüderle gewiß zuzustimmen: „Haß und Vernichtungskampagnen werden die FDP nicht retten.“

Daraus machen Lindner und seine Neu-Liberalen sogar eine Tugend. Sie erklären kurzerhand das alte Lagerdenken für überholt und statuieren ex cathedra, es gäbe keine Lager, also auch kein Lagerdenken. Alte Bündnisse und Automatismen seien Geschichte. „Von jetzt an sind alle politischen Farbenspiele denkbar“, läßt sich Lindner interpretieren, und setzt noch eins drauf: Es gäbe links und rechts nicht mehr. Wie kurzsichtig! Lassen sich etwa echte Liberale in ein Korsett mit linksradikalen Grünen („Grüne Jugend“) oder ausgeflippten Sozialisten in der SPD (Jusos) pressen? Und was ist mit der Marktwirtschaft, mit der Rolle des Marktes in unserer Gesellschaft? Bei der SPD sowieso, aber auch bei der Union sucht man verzweifelt nach den letzten Marktwirtschaftlern – und findet eher Umverteiler. Hat die FDP da etwa Nachholbedarf, oder sollte sie nicht eher zur marktwirtschaftlichen Ordnung rufen?

Kein Unterschied zu den etablierten Parteien

Wo Multikulti, „Öko“, Homoehe etc. zur offensichtlich neuen Leitlinie werden, unterscheidet man sich in nichts von den anderen Etablierten und verliert den Anspruch, eine originelle Partei zu sein. Insofern ist der alte Lindner auch der neue. Er hat sich nur mal drei Monate Auszeit genommen, um dem zu erwartenden Wahl-Tsunami der FDP zu entgehen. Im Stuttgarter Dreikönigstreffen ließ sich Lindner als den alleinigen neuen König feiern, die Inthronisierung des Staatsmannes Lindner. In Wirklichkeit ist dieser „Staatsmann“ ein – allerdings eloquenter – Verkünder wohlfeiler Parolen. Wie genau sich die FDP aus der Niederlage wieder emporarbeiten könnte, das zu zeigen ließ Lindner offen.

Daß die Linken – bei Grünen, SPD, CDU und Linkspartei (sowieso) – die „Bürgerlichen“, also Konservative und Liberale, weiterhin bekämpfen und ihnen die Lebensader („Markt“) abschneiden wollen, blendet Lindner aus. Gerade wenn Lindner meint, das klassische Lagerdenken sei überholt, übersieht – oder verharmlost – er, daß es hier um einen ideologischen Kampf geht, den man nicht mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ camouflieren kann, nein, es muß gekämpft werden – gegen die Feinde unserer Gesellschaftsordnung!

Die Rolle des Kämpfers aber hat die FDP mit spitzen Fingern fallenlassen. Wenn Lindner im Brustton der Überzeugung ruft: „Wir sind keine Kapitalisten!“, faßt man sich an den Kopf. „Keine Kapitalisten“? Solches kann nur verkünden, wer den Kapitalismus, die Marktwirtschaft, auf Gier, Kasino oder Raubtier verkürzt, aber den Wert einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht verstanden hat, die auf Privateigentum (auch an Produktionsmitteln) und auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage gründet.

Die große Koalition wird den Liberalen jede Menge Steilvorlagen liefern, sich als klare Alternative darzustellen – wirtschaftsfreundlich, bürgerlich, antisozialistisch, auf Eigenverantwortung und Rolle des Individuums in einer freien Gesellschaft bedacht, den Bürger vor Übergriffen eines ausufernden Staates und der „Krake Europa“ schützend. Eine solche politische Kraft hätte Chancen gegenüber einer weitgehend sozialdemokratisierten Parteienlandschaft und zur alsbaldigen Rückkehr in den Bundestag, so die FDP diese Chance überhaupt zu nutzen vermag.

Sie will 2017 wieder in den Bundestag zurück. Bis dahin ist ein weiter Weg, auf dem auch die Europawahl und etliche Landtagswahlen zu bestehen sind. Um halbwegs achtbar zu reüssieren, müssen die Liberalen Profil zeigen, ein Profil, das sie nur erwerben können, wenn sie gegen den Strom, und nicht mit dem Mainstream schwimmen. Mit Draufhauen auf den vermeintlichen Rivalen AfD und Äqidistanz zu allen anderen Parteien wird Lindner seine Partei nicht zu neuen Erfolgen führen, sondern marginalisieren – eine Partei mit großer Vergangenheit, aber ohne Zukunft. Mehr verlieren kann sie nicht, mehr kaputtmachen kann auch Lindner nicht.

 

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