Die Schwäche des Westens: Konzept- und führungslos durch die Krisen der Welt

KrimGastkommentar von Freddy Kühne

Der Westen: Debatten statt Taten

Der Westen war stark: militärisch, wirtschaftlich und konzeptionell – aber auch ethisch und moralisch. Doch mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des kalten Krieges gingen auch die starken Führungspersonen in allen Ebenen der Gesellschaft – in Wirtschaft und auch in der Politik – in den Ruhestand.

Sie wurden abgelöst durch eine Führungsriege, die durch die Flower-Power-Zeit der ´68er Generation beidseits des Atlantiks geprägt wurde. Hüben Gerhard Schröder, Joschka Fischer – drüben Bill Clinton und Barack Obama. Kanzlerin Angela Merkel gehört zwar nicht richtig dazu, aber auch sie kennzeichnet Sprunghaftigkeit statt Geradlinigkeit. Auch sie ist unberechenbar flexibel und nicht in der Lage, Identität zu stiften. Heute für die Atomkraftverlängerung – morgen für den vorzeitigen Ausstieg derselben. Heute gegen den Mindestlohn – morgen plötzlich dafür.

Identität und Verläßlichkeit können sich so nicht mehr entfalten.
Das trifft nach innen zu – aber auch nach außen. In der Innenpolitik gibt es keinen verläßlichen Kompass mehr – weder innerhalb der CDU, noch in der SPD. Alles ist beliebig verhandel- und umsetzbar. Es geht zu wie im traditionellen arabischen Basar.
Wobei die Araber wahrscheinlich einen gefestigteren Standpunkt haben in Punkto Gesellschaftspolitik, Moral und Weltbild, als unsere derzeitigen Spitzenpolitiker.

Diese mangelnde Standfestigkeit in grundsätzlichen Fragen der Wirtschafts- und Finanzethik strahlt aus bis hin zur Feigheit, in außenpolitischen Konflikten auch mal den eigenen Standpunkt und die eigenen fundamentalen Werte mit mehr als nur hohlen und geduldigen Worten zu untermauern.

Sehen wir uns die Finanzkrise an: Wo sind die grundsätzlichen Werte der Politik, die unsere soziale Marktwirtschaft kennzeichnen sollten, in der Praxis?

“Eigentum verpflichtet” lautet ein Grundsatz. Ein anderer heißt, daß “Entscheidungskompetenz und Verantwortung” Hand in Hand zu gehen haben, was wiederum bedeutet, daß derjenige, der ein Risiko eingeht, auch selbst dafür haftet – und eben nicht der Steuerzahler. Bei den Bankenrettungen und Milliardenpaketen für die europäischen Rettungsfonds wurden diese marktwirtschaftlichen Grundsätze eklatant über Bord geworfen. Der Casino-Kapitalismus der Banken hat sich vom Steuerzahler herauspauken lassen. Hier erlebten wir den Niedergang der marktwirtschaftlichen Prinzipien der Einheit von Verantwortung und Haftung. Diese Entwicklung wird gemeinhin als “Euro- oder Schuldensozialismus” gekennzeichnet.

Der Egoismus, die Gewinn- und Spielsucht in der Finanzbranche waren – und sind? – so stark, daß die moralisch-ethisch-wirtschaftlichen Werte des hanseatischen Grundsatzes vom ehrbaren Kaufmann nicht mehr vorhanden zu sein scheinen in dieser Branche.

Bonizahlungen und Provisionen haben die Menschen zur Gewinnmaximierung auf Kosten anderer verführt – ebenso wie die Shareholder-Value-Doktrin der Konzernlenker der Aktiengesellschaften. So zählt nur der kurzfristige Erfolg – mit langfristigen negativen Folgewirkungen.

Die alten Firmenpatriarchen, die das Geld noch zusammengehalten haben und die es sowohl in die Firma, in die Forschung und Innovation als auch in die Belegschaften investiert haben (z.B. durch Werkssiedlungsbau), wurden abgelöst durch schneidig gekleidete Manager, deren Ziel in Shareholdervalue und Personalkostenreduzierungen besteht.

Den Niedergang des Westens in der Außenpolitik kennzeichnet die fatale Ratlosigkeit im Syrienkonflikt – und auch im Konflikt zwischen Europa und Russland um die Ukraine.
Während Russland und Iran Tatsachen schaffen und Assad und seine islamistischen Schergen der Hisbollah mit Geld, Waffen und Munition unterstützen, schaut der Westen seit 3 Jahren untätig zu.
Dabei hätte der Westen im Syrienkonflikt durchaus Optionen gehabt, um den Krieg zu beenden: Um Syrien herum befinden sich die NATO-Partner Türkei, sowie der Irak und Israel – alles Partner des Westens bzw. der USA. So hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, Syriens Grenzen von Land aber auch von See her zu überwachen. Eine robuste Flugverbotszone über ganz Syrien hätte die Nato durchsetzen können. Damit hätte man den Bürgerkrieg austrocknen können: ohne Nachschub an Waffen, Munition und Energie. Zugleich hätte man Auffanglager mit medizinischer Versorgung in und um Syrien schaffen können, um die Flüchtlinge zu versorgen.
Doch die Unentschlossenheit des Westens – verursacht durch die Unentschlossenheit Obamas als Führer der Hauptmacht USA – führt zu millionenfachem Leid. Mehr noch: Die Glaubwürdigkeit des Westens wird auch für die nächste Dekade erschüttert werden.

Dasselbe gilt für die Ukraine, hat doch die Bevölkerung dort friedlich monatelang in eisiger Kälte für die Assoziierung mit Europa demonstriert. Doch Europa hat monatelang weggeschaut, als wäre dies eine innerukrainische Angelegenheit. Wladimir Putin jedoch – der den Niedergang der Sowjetunion als die größte geostrategische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnete – folgt der Philosophie der Stärke aus entschiedenem strategischem Handeln. Putin ist kein Freund des Debattierclubs Europas. Ihn interessiert nicht, wie man in monate- oder jahrelangen Ränkespielen die Interessen verschiedener Länder miteinander austariert – was manchmal anmutet wie ein Geschacher um Geld, Einfluß und Macht. Putin ist ein intelligenter Macho-Typ, einer der beobachtet, analysiert und dann blitzschnell entscheidet und zuschlägt. Und die Analyse der Syrien-Katastrophe hat Putin erkennen lassen, daß der Westen unentschieden herumlamentiert – selbst einmal gezogene rote Linien des US-Präsidenten konnten ohne Konsequenzen von Assad überschritten werden. Dabei hätte gerade die Verwendung von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung einen Anlaß geben können, eine Flugverbotszone in der UN gegen Syrien durchzusetzen.

Hoffentlich wachen die Europäer und Amerikaner nun mal langsam aus ihrem Winterschlaf nach dem kalten Krieg auf. Die Annexion der Krim durch das Russland Putin`s sollte ein Alarmzeichen sein für den Westen, sich nicht zu sicher zu wiegen auf dieser Welt. Schon Machiavelli sagte, ein Volk, das nicht bereit ist, seine eigene Armee zu ernähren, muß bald eine fremde Armee ernähren.

Diesbezüglich sollte auch Deutschland seine Bundeswehr-De-Form überdenken und zurückdrehen. Das Kaputtsparen der Bundeswehr, der Personalabbau und die Verringerung des Materials in der Quantität und teilweise auch Qualität sowie die Aussetzung der Wehrpflicht sind alles Punkte, die schnellstens geändert werden müssen. Die Bundeswehr braucht die Wehrpflicht, um genügend intelligentes Personal zu rekrutieren. Die Bundeswehr braucht wesentlich mehr Hubschrauber und Transportkapazitäten, um überhaupt ihr Personal schnell und effektiv bewegen und im Notfall auch retten zu können. Der Bau von Hubschrauber- und Flugzeugträgern sollte daher auch in Deutschland kein Tabu mehr sein. Denn nur ein starkes Deutschland in einem starken Europa und eine starke Nato können Konflikte auf dieser Welt und auch in ganz Europa glaubwürdig eindämmen. Die Westbindung bleibt dabei Staatsräson.

Ansonsten reizen zu allem entschlossene Führer wie Putin ihre Überlegenheit auch in der Realpolitik militärisch aus. Nach der Annexion Südossetiens und Abchasiens folgte die Annexion der Krim. Die Ostukraine und Moldawien dürfen nicht als Nächstes für die Schwäche des Westens bezahlen müssen. Europa, die Nato und die USA müssen aufwachen und dem Imperialismus der Halb-Diktatur Russlands entschieden entgegentreten.

Jetzt sind Taten statt Debatten gefragt.

Über conservo 7864 Artikel
Conservo-Redaktion