CDU-Parteireform – lasch und lau, ein Rohrkrepierer

Neu CDU CSUUngefähr alle zehn Jahre ruft irgendein staatstragender Funktionär die CDU „zu konsequenten Reformen“ auf, und immer wieder grüßt das Murmeltier: Alte Platte, alte Melodie, aber neue Hofsänger. Diesmal heißt der Liedermacher Peter Tauber und ist der neue Generalsekretär von Merkels Mannen – und Frauen, versteht sich, aber die sind derzeit bei der Union eh noch eine quantité négligeable, was Tauber gewiß bald ändern wird, nicht wahr?

Also, der Tauber will nun nicht mehr dem linksgewickelten Zeitgeist hinterherlaufen, meint er, sondern er will – sich sozusagen aus der sozialdemokratischen Umklammerung befreiend – der CDU neues Profil verschaffen. Da freuen sich die Konservativen aber! Endlich eine Abkehr vom Linkstrend! Meinten sie. Weit gefehlt!

Was der neue General vorschlägt, ist nur zu bekannt. Beinahe wortgleich hatten wir das schon – vor zehn (!) Jahren. Auf dem Bundesparteitag in Leipzig im Jahre 2003 hatten die Delegierten bereits beschlossen, ihre Partei solle „jünger und weiblicher“ werden und sich der digitalen Herausforderung stellen. Da hieß es wörtlich: „Als Bürgerpartei muss sich die CDU auf die neuen gesellschaftlichen Realitäten einlassen und darauf reagieren. Sie muss den vorpolitischen Raum neu vermessen, um nah bei den Bürgern und mitten im Leben zu sein…“ Haben Sie mitgelesen? „Nah bei den Bürgern“, fordert die CDU. „Nah bei de Leut´“ forderte einst auch Kurt Beck, der legendäre Pleite-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und frühere SPD-Bundesvorsitzende. Ja, muß denn die CDU der SPD wirklich alles nachmachen?

Und wie ist die nackte Wahrheit – zehn Jahre „nach Leipzig“? Die CDU vergreist immer mehr. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sind über 60 Jahre alt und nur rd. 15 Prozent unter vierzig. Und weiblicher? Der Anteil der Frauen in der Union liegt immer noch bei rund einem Fünftel der Mitglieder. Und Digitalisierung? Schweigen wir lieber, wenn wir an NSA, Google, Facebook & Co denken. Viele Fragen offen, keine beantwortet, auch nicht von der CDU!

Das Programm heißt Merkel

Zudem sollten nach Taubers Plan in Zukunft auch Mitgliederbefragungen möglich sein, u. zw. auf allen Parteiebenen. Und nun fordert er alle diese Punkte wieder, um damit eine „große Parteireform“ anzustoßen. Also nichts Neues unter der Sonne Merkels?

Doch! Er hat tatsächlich eine wirklich neue, bahnbrechende Idee hervorgekramt, ein echtes Heureka-Erlebnis: Der (die) Kanzlerkandidat(in) soll in Zukunft (möglicherweise) durch einen Mitgliederentscheid gekürt werden können. Eine, wie gesagt, absolut neue Idee, die sich bei der SPD ja schon bewährt haben soll. Aber jedenfalls ein risikoloser Plan! Denn zum einen müßte die CSU zustimmen, die er aber noch nicht gefragt hat. Zum anderen: Solange die Union merkelt, und solange die amtierende Kanzlerin wieder für dieses Amt kandidieren will, wird die Union von diesem Plan ganz sicher noch nie etwas gehört haben wollen. Wetten?

Nebenbei bemerkt: Ich möchte nicht wissen, wem alles in der Union die Nerven flattern bei dem Gedanken, die Merkel wäre nicht mehr. Identitätskrise ist noch die harmloseste Vokabel, die dann den Zustand der Christdemokraten beschreiben könnte.

Für neue Herausforderungen öffnen

Kommen wir wieder zurück zur „Reform“ des CDU-Generalsekretärs. In den letzten zwanzig Jahren sollte sich die Partei mit jeder Reform „öffnen für neue Herausforderungen“, für neue und moderne Entwicklungen. Eilfertig ist sie jeder „Öffnung“ nachgelaufen, dem Zeitgeist hinterhergehechelt und hat ihr Programm „reformiert“. Was hat´s gebracht? Die CDU ist immer mehr nach links gerückt, aber der Erfolg blieb aus. Sie boten zwar „neue Programme“, aber die „neuen Wählerschichten“ haben ihr eins gehustet. Das Original (Grüne, SPD) ist allemal besser. Wenn nun die (gewiß bittere) Erkenntnis des Herrn Tauber lautet, die CDU müsse dann eben noch weiter nach links rücken, trifft sie sich bald auf der Ebene der Sozialdemokraten und der Grünen, also in den unteren Etagen. Was mich zu einer anderen Erkenntnis führt: Der neue Generalsekretär hat, kaum im Amt, flugs seinen ehedem konservativen Habitus abgelegt und ist an die „Spitze des Fortschritts“ geeilt.

Die Abkehr von der Atomkraft, die Abwendung der Wehrpflicht, die Aufgabe nahezu aller Familienpositionen, die weitgehende Freigabe der Abtreibung, der gesetzliche Mindestlohn, die sträfliche Gefährdung der zukünftigen Renten, die Aufweichung der Hartz IV-Reformen, der Mindestlohn usw.… Endlos scheint die Kette der Positionen, die die CDU geräumt hat. Ob sie noch marktwirtschaftlich „tickt“, ist auch nicht mehr so ganz sicher. Erfolg? Gleich null! Immer wieder ruft Igel SPD: „Ick bün allhier“, und immer wieder hängt dem Hasen CDU die Zunge raus. Irgendwann bricht er zusammen.

Anbiederung als Programm

Und trotzdem verliert die CDU nicht nur Positionen, sondern auch, und vor allem, Mitglieder. Mitglieder auch in Bereichen, die früher einmal Hochburgen der Union waren. Längst geschliffen vom christdemokratischen Zeitgeist. Nach all den Richtungswechseln der CDU (und der CSU nicht minder), nachdem zentrale Markenkerne der Partei geräumt wurden, soll mir ´mal jemand klarmachen, wieso die Partei immer noch Bedarf sieht, sich „moderner“ zu geben! (Was ist das überhaupt, „moderner“?) Bei aller Buntheit der Gesellschaft – muß man selbst bunter werden, um erkennbar zu bleiben? Aber nur wenn ich erkennbar bin, weiß man, wo ich stehe.

Wer sich Anbiederung zum Programm macht, braucht sich nicht über mangelnde Erkennbarkeit zu wundern. Beliebigkeit kann niemals ein Parteiziel sein. Aber die Union ist drum und dran, „Anbiederung“ zum Programm zu erheben. Und erhält dabei Rückendeckung – man glaubt es kaum – ausgerechnet von der CSU, deren Vorsitzendem, Horst Seehofer, nicht von ungefähr der Schimpfname „Drehhofer“ verliehen wurde.

Anders ausgedrückt: Die Union erklärt, sie wisse, wen sie gewinnen wölle. Sie weiß nur nicht, wie. Sie will „die jungen Menschen, die Frauen und die Ausländer“ gewinnen und die CDU „jünger, weiblicher und bunter“ machen. Aber die „alten“ Mitglieder wissen nicht mehr, was ihre Partei eigentlich will. Wer spricht noch von Familie, von Bildung, Wahrung deutscher Interessen und Interessen Deutschlands, von Nation, von innerer und äußerer Sicherheit, von abendländischen Werten usw.? Die Alten fremdeln, die Neuen kommen gar nicht erst.

Die CDU, noch immer gut für rund vierzig Prozent der Wählerstimmen, ist dabei, sich an der Zwanzig-Prozent-Partei SPD und deren Wurmfortsatz „Die Grünen“ zu messen. Das muß schon deshalb schiefgehen, weil die CDU nie eine Programmpartei, nie ein geschlossener politischer Kampfverband war, nie ein programmatisches Kampfbild hatte, wie z. B. den Traum vom Sieg der Arbeiterklasse. Die Union war stets eine Machtpartei – auf festem Fundament – was eben durch Beliebigkeit unterhöhlt wird. Diese Rolle konnte sie in den letzten sieben Jahrzehnten nur wahrnehmen, weil sie stets versucht hat, die unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen zu integrieren und sich nie auf nur eine Seite der Gesellschaft zu schlagen.

Lasch und Lau…

Integration der Bürger innerhalb der deutschen Gesellschaft war der Erfolgsschlüssel der Union – weshalb sie auch lange darauf bestand, daß sich Ausländer in diese Gesellschaft integrieren und nicht wir uns den Ausländern anzupassen haben. Heute ist die CDU „lasch und lau“ – die Parteifunktionäre Laschet und Laumann z. B. stehen für eine andere, eine „modernere“ Politik. Und wenn der neue Generalsekretär Tauber verkündet (Focus 18/2014): „Wir wollen die Union für Zuwanderer werden“, wird die Tradition der CDU auf den Kopf gestellt. Kann das eine erfolgversprechende Strategie der Unionsparteien sein – Konturlosigkeit um jeden Preis?

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