CDU-Parteitag: Circus Merkel

Zirkus MerkelVon Peter Helmes

Kein Zweifel, die CDU ist immer noch ein reiner Kanzlerwahlverein. Ob unter Adenauer, Kiesinger oder Kohl – auch unter Merkel läuft es nicht anders. Und Merkel ließ es so richtig laufen.

Es war in Köln, dem Ort des diesjährigen Parteitages, wie in einem Zircus. Dompteuse „Mutti“ ließ die Pferdchen laufen, mal im Galopp, mal im Trab. Niemanden störte es, daß sich zuweilen ein Fohlen aufbäumte. Mutti schnalzte mit der Zunge oder winkte mit der Peitsche, und schon trabten sie wieder in Reih´ und Glied – eben wie im Zircus.

Stars in der Manege? Merkel, Merkel, Merkel! Die sich gar nicht erst die Mühe machte, ein Team vorzustellen, einen programmatischen Fächer oder gar eine programmatische Aufteilung. Es war (und bleibt vorerst) die Show einer einzigen Person. Das Ziel heißt Macht – Machterhalt. Und zwar Macht um der Macht willen. Da stört ein Programm nur – oder ist rhetorisches Beiwerk. Dem Diktat der Machterhaltung haben sich alle unterzuordnen. Das wissen die Delegierten, und deshalb feiern sie ihren Star, auf den sie auch in Zukunft setzen. Es scheint, als interessiere sich die Vorsitzende nicht für das, was die Mitglieder wollen. Sie erklärt ihnen, was sie will. Und das wird dann zum Willen der Partei.

Ärger? Wer erinnert sich noch an Probleme wie Frauenquote, Mindestlohn, Rente mit 63, Einwanderung usw. – Probleme, die noch Tage und Wochen vorher heftig und strittig diskutiert wurden? Da verfängt nicht ´mal die (berechtigte) Klage, das seien alles Themen der SPD. Frau Merkel steht auf, breitet ihre Arme aus undruft: „Eben deshalb bleibt die SPD bei 24-25 Prozent!“ Die Delegierten erheben sich, jubeln – auch die, die seit Langem maulstark gegen die „Sozialdemokratisierung“ der CDU protestieren – und setzen sich wieder brav auf ihre Stühle. Es ist eben wie im Zirkus: „Sitz!“, ruft die Dompteuse, das reicht.

Nur Häme für die SPD

Die Delegierten bekommen ein feines Amusement als Zückerli: Man hat Eckart von Hirschhausen engagiert, den gescheiten Arzt und Entertainer, der das Parteivolk mit launigen Worten auflockern sollte. Das findet wohl nur noch eine Steigerung, wenn auf den kommenden Parteitagen Stars wie Günther Jauch den Moderator geben und Thomas Gottschalk den Unterhaltungskünstler für den fröhlichen Parteiabend. „Nacktbusen-Ballett“ hatten wir ja auch schon.

Die SPD, immerhin der Koalitionspartner, erntet nur Häme – diesmal auch von einer angriffslustigen Angela Merkel. Es scheint dort kein Kraut gegen die Kanzlerin gewachsen zu sein. Alle, aber auch alle Genossen blasen die Backen dick auf, pfeifen aber auf dem letzten Loch. Von der geneigten Presse wird das natürlich nicht so berichtet, schon gar nicht, daß die SPD weit mehr Mitglieder verliert als die CDU. Und die Themen, die sie in das Koalitionsprogramm hineinpressen konnte, tragen zwar die SPD-Handschrift, kommen aber offenbar beim Volk nicht an. Vermutlich wird sich deshalb diese Partei in den nächsten Jahren noch mehr radikalisieren – in der Hoffnung, endlich beim Wähler gehört zu werden.

Geradezu erbärmlich und hilflos, wie die SPD-Generalsekretärin darauf reagiert: „Die CDU erinnert mich mit ihrem Parteitag in Köln an die Filmstadt Babelsberg – alles Kulisse. In den Ländern und Kommunen bricht der CDU die Basis weg, politisch ist die Union ausgezehrt, und personell hat sie außer Angela Merkel nichts zu bieten. Impulse für unser Land kommen allein von der SPD.“ Das ist büttenreif! S´ist ja bald Karneval! Das ist wie das Pfeifen im finsteren Walde oder lautes Singen im Keller. Da stehen sie denn auch, die Genossen, im Keller. Thüringen hat gezeigt, was sie wirklich sind: Wurmfortsatz (Appendix) der Linkspartei. Davon wird sich diese 150 Jahre alte Traditionspartei nicht so bald erholen.

Die „Schwarze Null“ – eine Schimäre

Ach ja, die „Schwarze Null“ schwebte zwar geistig – und in der Rede der Kanzlerin – immer wieder durch den Saal, war aber körperlich nicht anwesend, da in Brüssel unabkömmlich. Ergo verebbte – nein, kam gar nicht erst auf – die Debatte um unsere Finanzen und die Wirtschaft. Die Erfolgsdaten passen ja (noch). Und die Schwarze Null sorgt dafür, daß man nicht über unsere Schulden zu reden bräuchte. Eine fast geniale Wortschöpfung, griffig und glaubhaft. Die Kraft dieses Wortes hilft zuzudecken, daß wir in unseren Schulden ersticken und unseren Nachfolgern die Zukunft geraubt haben. Und wir haben sogar die Frechheit, dies auch noch „Austeritätspolitik“ zu nennen (lat. „austeritas“: Disziplin, Sparsamkeit).

Die wahre Herausforderung heißt AfD

Es wehte noch ein weiterer „Geist“ durch den Parteitag, er trägt den Namen AfD und wurde nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Weil: „Mit denen geht gar nicht!“ Niemand fragt, wieso „gar nicht“? 200 bis 300 000 Mitglieder hat die CDU in den letzten Jahren verloren. Davon sind etliche zur AfD abgewandert, nicht nur Berufsmeckerer und Ewiggestrige. Dieses Problem hat natürlich nicht nur die CDU, aber die CDU besonders. Die AfD bietet sich als eine Art Frustventil, ist aber kein esoterischer Club mit Missionarscharakter, sondern bietet Diskussionsplattform gerade für bürgerliche Themen – also schon heute, obwohl unfertig, eine Volkspartei im Kleinen. Gefährlich für die CDU!

Die AfD wird aber totgeschwiegen – oder mit Schmähungen überzogen. Das ist zu wenig, zu wenig gegenüber einer Partei, die thematisch mitten ins Herz der Union trifft. Merkel und ihre Beißhunde, zu denen sich (in diesem Punkt) zu meiner Entrüstung auch Wolfgang Bosbach gesellt hat, rufen „Kampf gegen rechts“, sagen aber nicht, was dieses „Rechts“ ist. Etwa auch Patriotismus? Oder nationale Identität? Jeder, der dies liest, weiß, was gemeint ist. An der Basis weiß man das offenbar besser als an der Spitze; denn dort gärt es. Es wird aber noch dauern, bis dieser Gärungsprozeß auch die Parteiführung erfaßt.

Die CDU, erst recht die CSU, sollten sich nicht täuschen. Zwar ist die AfD noch längst nicht gefestigt, aber mit Verleumdungskampagnen und dem Hinstellen in die „rechte“ Ecke durch den Vorwurf des „Rechtspopulismus“ (was heißt das eigentlich?) wird die neue Partei nicht zu stoppen sein. Themen, mit denen sie auf sich aufmerksam macht, haben die Unionsparteien sträflich vernachlässigt oder falsch behandelt, z. B.: den galoppierenden Genderismus, eine völlig verfahrene Einwanderungspolitik, die Stabilität des Euro, die verfehlte Bildungspolitik an Schulen und Hochschulen, die Innere und Äußere Sicherheit usw.

(Persönliche Anmerkung: Zur Problematik CDU ./. AfD veröffentlliche ich in Kürze einen ausführlicheren Beitrag, so daß ich mich hier auf einige Stichworte beschränken kann. P. H.)

Das Programm heißt Merkel

Natürlich gab es auch eine Programmdiskussion. „Lassen Sie uns die Mutigen in diesen spannenden Zeiten sein“, ruft Merkel den tausend Delegierten zu. Das kommt an! Zumal die Kanzlerin scheinbar „schonungslos“ die Sorgen beschreibt, wie Deutschland im globalen Spiel der Kräfte zurückzufallen droht, und auf die Herausforderungen durch eine immer älter werdende Gesellschaft, fehlende Investitionen und Zukunftsängste. Warmer Applaus ist ihr Lohn. Nach dem Parteitag geht sie nachhause – und macht weiter wie bisher. Das zeigt, wo´s langgeht beim Stichwort „Programm“: Das Programm der CDU heißt Merkel, der sichere Quotenbringer! The show must go on! Oder anders: Sie ist eben „alternativlos“, meint die CDU (und wohl auch sie selbst).

Der NRW-Landesvorsitzende Armin Laschet faßt es in rheinischen Humor. Er nimmt den Vorhalt, seine Partei sei auch unter Merkel längst wieder zu einem Kanzlerwahlverein geworden, mit rheinischem Frohsinn an: “Sagen Sie mal eine Antwort: “Merkel, Merkel, Merkel, Merkel… Was hat die CDU noch?” Und da habe ich gesagt: “Merkel!”

Und Merkel wurde mit knapp 97 Prozent zur Vorsitzenden wiedergewählt. Ein (!) Prozent weniger als bei ihrer letzten Wahl. Ausgesprochen affig die Reaktion der Linkspresse: Unisono schreiben sie von „schlechterem Ergebnis“, von „hat ihren Wert nicht mehr halten können“, von „die Zeichen der Verunsicherung häufen sich“, bleiben aber die Beweise schuldig. Reine Stimmungsmache. Nein, nein, soviel Anstand muß sein: Nach so vielen Jahren ist das Wahlergebnis der Merkel phänomenal – ob ich das nun mag oder nicht.

Fehlendes Alleinstellungsmerkmal…

Etwas anderes sollte die Partei mit Sorgen erfüllen: Was – und folgerichtig: wen – hat die CDU außer Merkel? Wo hat die Union ein Alleinstellungsmerkmal? Wo ist sie deutlich von den Sozialisten zu unterscheiden? Wo ist ihr Einsatz für die Werte, wie sie immer wieder in hehren Reden beschworen werden? Eine C-Partei, die Abtreibung, Sterbehilfe und „sexuelle Vielfalt“ – ein Thema, das die CDU alarmieren müßte, denkt man nur an die Bildungspolitik – scheinbar ungerührt mitträgt, verliert ihren Anspruch, eine Alternative zu sein. Eben das haben andere auch im Programm. Und die Regel, daß dann die Leute lieber das Original wählen, kann für die CDU zur Falle werden.

…aber Hoffnung auf Alternativen

Junge Leute wie Jens Spahn oder Carsten Linnemann denken da offensichtlich weiter, wenn sie nach mehr Wirtschaftsprofil, nach Bewahrung christlicher Werte, nach Familienförderung und nach stärkerer Abgrenzung von den Sozis rufen: Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft ist ihr Programm. Fragt sich nur, wer in der Partei ihnen zu folgen bereit ist. Kein Zweifel, der Markenkern der Union ist verwaschen, was auf CDU und CSU gleichermaßen zutrifft. Das könnte auch die Chance der AfD sein: Die großen Parteien werden sich immer ähnlicher. Deshalb der Ruf nach Alternativen. Da muß die CDU sich sehr bald bewegen. Die FDP hatte einst vorgemacht, wie es nicht geht.

Linnemann brachte einen bemerkenswerten Beitrag zum Parteitag: “Ich bin der festen Überzeugung, dass das christliche Menschenbild zeitlos ist. Ich glaube, sowohl die Personalität, die Würde des Menschen als auch das Thema Solidarität, wirklich für diejenigen da zu sein, die es bitter nötig haben. Das ist die Freiburger Schule. Das ist Walter Eucken, das ist Müller-Armack. Das ist Ludwig Erhard. Und wirklich auf die zu konzentrieren und auf der einen Seite Subsidiarität groß zu schreiben, dass jeder selbst in der Verantwortung steht, das Leben zu organisieren.” Solche Worte wecken Hoffnung, mehr aber (zunächst) nicht. Wenn die Union das nicht beherzigt, werden andere die Lücke füllen.

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