Wetter narrte am Rosenmontag den Wetterdienst

(www.conservo.wordpress.com)
Von Wolfgang Thüne *)

Dr. Wolfgang Thüne
Dr. Wolfgang Thüne

Die Diskussion um das Wetter zu Karneval in Deutschland hat zumindest eines ins Bewusstsein gerufen. Der Mensch muss das Wetter so nehmen, wie kommt und kann nichts daran ändern. Damit müsste allen jenen, die das Klima schützen und den Klimawandel anhalten wollen, ein Licht aufgehen in Gestalt der Frage, wie man ein Konstrukt wie das Klima, das gänzlich vom Wetter her definiert ist, sich botmäßig machen und disziplinieren kann. Aber dies sei hier nicht weiter diskutiert.

Von vorrangigem Interesse ist die Beantwortung der Frage, was hat sich beim Wetter abgespielt. Die Diskussion um die Absage vieler Umzüge entlang des Rheins erhitzt unverändert die Gemüter. War sie notwendig und wie wird sie begründet? Dies können nicht die Zug-Organisatoren beantworten, sondern nur der Deutsche Wetterdienst. Er verbreitete am Sonntag um 18.30 Uhr die Meldung, dass „am Vormittag des Rosenmontag von Windstärken um 7 und 8 auszugehen sei. Danach, also ab Mittag, können sie sich auf 9 und gegen 15 Uhr sogar auf 10 steigern“. Solch eine präzise Vorhersage konnten die Veranstalter, in Mainz der MCV, nicht ignorieren und bliesen wehen Herzens den Rosenmontagszug ab.

Doch die Wetter-Wirklichkeit entsprach bei weitem nicht der Wetter-Vorhersage! Was aber bewegte den Wetterdienst zu einer selten detaillierten Prognose? Er meldete schon am 2. Februar, dass sich ein Orkantief nähere und ausgerechnet am Rosenmontag eintreffe. Nordwestlich von Neufundland tauchte ein Tief auf, das sich nach amerikanischen Computermodellen zu einem Orkantief entwickeln und Kurs auf die Deutsche Bucht nehmen solle. Es wurde „Ruzica“, Röschen, getauft. Das „Röschen“ entwickelte sich prächtig zum Orkan und lag am 7. Februar im Seegebiet zwischen Island und Irland. Seine Kaltfront verlief über England entlang des Null-Meridians bis zu den Pyrenäen. Doch die westliche Höhenströmung trieb es nicht in die Deutsche Bucht, sondern gegen die norwegische Küste.

Damit war erstens sicher, dass kein Orkantief kommen würde. Aber auch entlang der Kaltfront zeigten sich, von Satellitenfotos bestätigt, keinerlei Auffälligkeiten. Weder extremer Regen noch extreme Stürme wurden aus Frankreich gemeldet. Eine Verschlimmerung war nicht in Sicht, so dass die Züge hätten stattfinden können. Die Wetterlage war keinesfalls mit der am 25. und 26. Januar 1990 zu vergleichen, als das Sturmtief „Daria“ Rosenmontagsumzüge zum Abbruch zwang. Dennoch kam um 18.30 Uhr die Orkanwarnung durch den Wetterdienst.

Das Wetter am Rosenmontag machte nicht das, was es hätte tun sollen. Mit einer schwachen Warmfront am Vormittag fiel etwas Regen und der Wind frischte böig auf. Trotz Umzugsverbot organisierte um 13 Uhr die Mainzer Ranzengarde einen Gardesspaziergang bei zeitweiligem Sonnenschein durch die Innenstadt. Gegen 15.30 Uhr folgte der Durchzug der Kaltfront bei etwas stärkerem Regen, aber auch ohne schwere Sturm- oder Orkanböen. In Köln verlief der Umzug reibungslos. In Düsseldorf war der Umzug abgesagt worden wegen des Orkans „Ruzica“, doch um das Rathaus, welch Narretei, stellte man bei Sonnenschein die Motivwagen auf, zum „belure“.

Es ist nun interessant, wie der Wetterdienst über seine Meteorologen reagierte. Lars Kirchhübel verteidigte die Prognose. Dies tat auch Björn Alexander und meinte, Düsseldorf und Köln hätten nur Glück gehabt: „Köln sei durch die Eifel geschützt“. Carsten Schwanke (ARD) twitterte: „Die Absage von Düsseldorf – für mich ein Rätsel“! Wenn aber Köln von der Eifel geschützt wird, warum dann Mainz nicht von Taunus, Hunsrück und Pfälzer Wald? Kennt man die Topographie nicht? Deren Schutz reichte bis zum Frankfurter Flughafen, dessen Betrieb bis in den späten Nachmittag völlig normal verlief. Die witzigste Rechtfertigung lieferte Jörg Kachelmann. Er meinte, dass es auch das „Risiko eines Tornados in Düsseldorf mit Toten“ hätte geben können. Er ist halt Wetter-Entertainer und kein Meteorologe.

Wenn ohne Angabe von Ort und Zeit der Wetterdienst in Deutschland eine Böe von 101 km/h als Rechtfertigung seiner Orkanwarnung heranzieht, dann ist dies nur eine theoretische Rechtfertigung, denn Wettervorhersagen sollen konkret sein. Verbale Übertreibungen haben bei Wetterberichten nichts zu suchen. 3 Grad sind nicht „mild“, 15 Grad nicht „warm“, die Wolken haben „keinen Regen im Gepäck“. Wetterberichte sollen die Menschen sachlich neutral informieren, weder Angst noch Illusionen verbreiten. Maßlose Übertreibungen haben darin nichts zu suchen. Man kann sich auch, wie zu meiner Zeit üblich, für fehlerhafte Vorhersagen entschuldigen und ihr Zustandekommen erklären. Ein Computer hat keine eigene Intelligenz, er kann nicht irren. Aber dies können Menschen, die seine Ergebnisse ohne Abgleich mit der Wirklichkeit blind übernehmen.
Was soll nun gemacht werden? Fastnacht ist an die Fastenzeit wie das Osterfest gebunden und kann nicht willkürlich verlegt werden. Der Karneval in Rio findet auch nicht im dortigen Winter statt, bei weniger Hitze und der Gefahr von Tropengewittern. Und wer kann garantieren, dass bei einem sommerlichen Termin nicht auch wieder eine Kaltfront mit Gewittern, die ja heute alle ein hohes Unwetterpotential „im Gepäck“ haben, mit Hagel und schweren Sturmböen, den Zug vereitelt? Man denke nur an den Rheinlandpfalztag 2012 in Ingelheim, bei dem der Festumzug am Sonntag, 3. Juni, total verregnet war und in Regenfluten versank.

Der Bürger wünscht sich wieder mehr Seriosität bei den Wetterberichten. Er weiß um die Wechselhaftigkeit wie Unbeständigkeit des Wetters. Sich adäquat sofort den aktuellen Gegebenheiten anzupassen und nicht „blind“ Warnungen auszusprechen, dafür ist der DWD da. Nicht ohne triftigen Grund werden alle drei Stunden neue Wetterkarten gezeichnet. Man muss beim Wetter immer mit Überraschungen rechnen. Die Verfallzeit von Vorhersagen kann verdammt kurz sein. Aber es hat den Eindruck, dass sich der Wetterdienst bei der Vorhersage des Klimas in 70 Jahren wohler fühlt als bei nicht einmal 24stündigen Vorhersagen, weil man diese sofort überprüfen und kritisieren kann.

*) Wolfgang Thüne (www.derwettermann.de) ist Diplom-Meteorologe und Dr. phil. Er war 16 Jahre lang „Wetterfrosch“ des ZDF und ist regelmäßiger Kommentator auf conservo.
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15.02.2016

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