Saudi-Arabien: Raus aus der Steinzeit?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Wirtschaft, Islam, Menschenrechte – alles krankt im Land 

Wer die Zustände im „islamischen Kernland“ Saudi-Arabien kritisch verfolgt, weiß, daß die innere Struktur des Landes veraltet, morsch und korrupt ist. Tausende von Prinzen der weitgestreuten Königsfamilie verjubeln die Öldollars und scheren sich einen Dreck um Land und Leute.

Bisher schöpften sie „aus dem Vollen“, das aber angesichts der Ölpreiskrise immer leerer wird. Nur wenige scheinen aufzuwachen. (Dazu später mehr.) „Reformen“ hat das Land zwar bitter nötig, aber sie werden nicht umgesetzt. Angesichts eines Steinzeit-Islams und entsprechender Geistlicher fahren die Saudis derzeit eher rückwärts ins Mittelalter statt in die Neuzeit.Saudische Hinrichtung

Typisch für das repressive Verhalten der Justiz bzw. der Geistlichen ist die Verfolgung jeglicher Opposition, sei es im religiösen oder im demokratischen Sinne. Gnadenlos verfolgt wird, wer gegen die Obrigkeit aufmuckt – was man am deutlichsten an den vielen Hinrichtungen messen kann:

Hinrichtungen – Amnesty meldet drastischen Anstieg

Drei Länder allein sorgen für die Rekordzahl an Hinrichtungen seit 25 Jahren: Iran, Pakistan und Saudi-Arabien stehen nach den Daten von Amnesty International (AI) für 90 Prozent aller Exekutionen weltweit. Insgesamt wurden mehr als 1.600 Menschen hingerichtet – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

(Nicht mitgerechnet ist dabei allerdings ein viertes Land: China, da AI über keine verläßlichen Informationen aus dem Reich der Mitte verfügt. „Wir glauben, daß China Tausende hinrichtet, so viele wie sonst niemand“, meint Audrey Gaughran von AI, meldet der DLF.)

Verurteilt wird nach kaum nachprüfbaren Kriterien. Oft werden Delinquenten schwere Verstöße gegen den Islam und/oder kriminelle Handlungen vorgeworfen oder „Geständnisse“ durch Folter erzwungen, was aus dem Ausland kaum nachprüfbar ist. Wegen „Terrorismusvorwürfen“ hat die Regierung in Saudi-Arabien z. B. an einem einzigen Tag des letzten Jahres 47 Häftlinge hinrichten lassen. Darunter befand sich auch der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr al-Nimr. Er galt als scharfer Kritiker des Königshauses. Schiitische Geistliche in der arabischen Welt und im Iran reagierten empört auf die Nachricht von al-Nimrs Hinrichtung – wobei Iran gerne verschweigt, daß auf sein Konto mehr als eintausend Hinrichtungen im letzten Jahr gehen.

Nach offiziellen Zahlen wurden im letzten Jahr (von Januar bis November) in Saudi-Arabien 158 Menschen exekutiert, das bestätigt auch AI. „Die Behörden in Saudi-Arabien behaupten, es gehe um den Kampf gegen den Terror. Aber sie richten auch Dissidenten hin. Geständnisse werden unter Folter erpresst. Die Hälfte der Hingerichteten sind außerdem Arbeitsmigranten. Sie erhalten keinen Dolmetscher vor Gericht und damit auch keinen fairen Prozeß“ (http://www.deutschlandfunk.de/hinrichtungen-amnesty-meldet-drastischen-anstieg.1773.de.html?dram:article_id=350408).

In Saudi-Arabien gilt die Todesstrafe für zahlreiche Vergehen: für Mord, Vergewaltigung, aber auch Drogenhandel und den Abfall vom Glauben. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, daß Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren so viele Todesurteile vollstreckt hat wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Saudi-Arabien ist mehrheitlich sunnitisch. Eine Minderheit – etwa 15 Prozent der Bevölkerung – sind Schiiten. Sie leben im Osten des Landes, in einer Region mit vielen Ölvorkommen. Die Schiiten werden in Saudi-Arabien systematisch unterdrückt und benachteiligt. Viele haben keinen Arbeitsplatz und leben in Armut. Nimr al-Nimr galt als einer der schärfsten Kritiker des Königshauses. Der 55-Jährige hatte sich gegen die Unterdrückung der Schiiten ausgesprochen und eine größere Unabhängigkeit, gar eine größere Autonomie der schiitischen Region gefordert.

Reformen in Saudi-Arabien dringend erforderlich                                 

Jetzt strebt der junge Vize-Kronprinz, der saudi-arabische Königssohn und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman (30 J.), Reformen an. „Heute beruht unsere Verfassung auf dem heiligen Buch und auf dem Erdöl. Das ist sehr gefährlich. Im Königreich haben wir eine Art Sucht nach dem Öl. Das verhinderte die Entwicklung anderer Wirtschaftsbereiche in den vergangenen Jahren“, erklärte der Prinz, die Nr. 3 der Staatsführung, in einem Fernsehinterview.

Offenbar handelt er mit Rückendeckung seines Vaters, König Salman Ibn Abd al-Aziz. Jedenfalls hat dieser, mitsamt dem gesamten Kabinett, den Plan des Prinzen, die „Vision 2030“, abgenickt. Die Zeit drängt; denn rd. 90 Prozent der Staatseinnahmen kommen direkt oder indirekt aus der Ölproduktion – also eine gefährliche Abhängigkeit vom Öl und in der seit langem anhaltenden Krise ökonomisch alarmierend: Der Absturz des Ölpreises belastet die saudische Staatskasse schwer, das jährliche Haushaltsdefizit betrug in den letzten Jahren mehr als 100 Milliarden Dollar. Der Prinz deutete an, den staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco, der unter seiner Leitung steht, wenigstens teilzuprivatisieren. (Der saudische Ölkonzern Saudi Aramco gilt als wertvollster Konzern der Welt.)

70 Prozent aller Subventionen nur für die Reichen                                 

Eine weitere Absicht dürfte dem Prinzen wenig neue Freunde bescheren: Er will die unglaublich hohen Subventionen auf Wasser, Strom und Benzin, die die saudischen Bürger bisher genossen, weiter senken – aber nur für einen Teil der Bevölkerung.

Dazu erklärte Mohammed bin Salman freimütig: „Wenn wir uns die Staatsregister anschauen, finden wir heraus, daß die Reichen 70 Prozent der Subventionen im vergangenen Jahr bezogen haben – obwohl sie diese Unterstützung gar nicht brauchen! Und das darf doch nicht sein! Nur die Mittelschicht und die unteren Schichten der Gesellschaft bedürfen dieser Subventionen.“ Das ist eine derbe Kampfansage vor allem an die vielen tausend Prinzen und deren ausschweifenden Lebensstil.

Und die Risiken sind erheblich, sowohl für die Person als auch für die Sache. König Salman ermächtigte seinen Sohn Mohammed auch zur Verantwortung für die gesamte Wirtschaft des Landes. Schon der Posten als Verteidigungsminister gilt in Saudi-Arabien als Instrument zur Sicherung der Macht. Verteidigungsminister, Kronprinzenfunktion und Aufsicht über die Wirtschaft bilden eine äußerst große Macht in den Händen des Prinzen, zumal bisher in diesem Land, besser: in dieser Familie, die Macht breit gestreut und auf einzelne Zweige der Familie verteilt war.

Die Eifersüchteleien untereinander dürften zunehmen, ebenso Mißtrauen und Argwohn. Mohammed wird gute Leibwächter brauchen. Dies gilt insbesondere für eine – im westlichen Sinne – geplante Öffnung des Landes. Prinz Mohammed hat seine Absichten zwar noch nicht sehr konkretisiert, aber alles deutet in diese Richtung. Das aber bedeutet für ihn eine weitere Gefährdung. Denn die im Land vorherrschende Islam-Ideologie der Wahabiten gilt als besonders „hart“ und orthodox.

Wenn der Prinz, wenn auch nur vorsichtig, andeutet, Saudi-Arabien kulturell zu öffnen und Tourismus zu ermöglichen, dürften die Mullahs aufgeschreckt werden – zumal sie schon die kleinsten Reformen, z. B. „Frauen am Steuer“, als Kampfansage werten. Und alles Westliche ist für sie gleichbedeutend mit Unmoral und Sünde.

Der Satiriker (und Chefredakteur des Mediendienstes Journalistenwatch), Thomas Böhm, hat infolge der Pläne des saudischen Prinzen mal über die verschiedenen Möglichkeiten nachgedacht und ist zu einem bissigen Ergebnis gekommen (siehe: http://journalistenwatch.com/cms/saudi-arabien-das-etwas-andere-urlaubsparadies/):

Saudi Arabien – das etwas andere Urlaubsparadies!                        

Von Thomas Böhm                                                                                                                  Es gibt eine Meldung in der „Welt“, die für jeden, der im Urlaub schon mal gegen die chinesische Mauer gepinkelt oder in einer Anakonda geschlafen hat und immer noch auf der Suche nach einem weiteren Kick ist, ein neues Abenteuer verspricht:

Saudi-Arabien will zur neuen Trend-Urlaubsdestination werden – aber nicht für jeden. Mit exklusiven Visa will das streng muslimische Land jährlich Zehntausende Urlauber ins Land holen und seine Tourismusindustrie ausbauen. Dies hat Prinz Sultan, ältester lebender Sohn von König Salman und Chef der saudischen Kommission für Tourismus und Nationalerbe, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP angekündigt.

Das Land werde sich öffnen, wenn auch nicht für jeden, so der Prinz. Saudi-Arabien sei bereits offen für „Personen, die Geschäfte betreiben, Personen, die in Saudi-Arabien arbeiten, in Saudi-Arabien investieren und Personen, die für besondere Zwecke zu Besuch sind“, sagte er. „Und jetzt wird es auf selektierter Basis wieder für den Tourismus offen sein.“… (http://www.welt.de/wirtschaft/article154806970/Saudi-Arabien-oeffnet-sich-fuer-Touristen.html)

Klasse, oder? Und so können wir uns auf die bunten Kataloge der spezialisierten Reiseunternehmen freuen, die mit diesem Angebot neue Zielgruppen akquirieren könnten – die da wären:

Nerds aus aller Welt, die am Laptop hängend beim Auspeitschen saudischer Bloggerbrüder ihr WLan zum Glühen bringen.

Sexuell frustrierte Männer, die ihrer Frauen überdrüssig sind und diese endlich gegen ein paar flotte Kamele eintauschen können.

Muslime, denen die Islamisierung Deutschlands nicht schnell genug geht und die in der ersten Reihe der großen Arenen jubeln möchten, wenn Christen den islamischen Löwen zum Fraß vorgeworfen werden.

Suizidgefährdete Alkoholiker, die gerne auf der Suche nach einem kühlen Frischen durch die Wüste irren wollen und in der Not auch literweise Sand schlucken oder an einem Erdölloch lecken würden.

Anhänger der Freikörperkultur, die sich an den Stränden des Roten Meeres oder des Persischen Golfes die Kleider vom Leib reißen wollen und sich freuen, wenn ihnen danach noch die Haut abgezogen wird.

Mitglieder der Gay-Kommunity, die den letzten Kick beim Bungeejumping an einem Baukran suchen und sich hinterher auch nicht beschweren, wenn das Seil nicht ganz so elastisch ist, wie in der Broschüre versprochen.

Grüne Umweltaktivisten und Naturfreunde, die schon immer mal live erleben wollten, wie man kleinen unschuldigen Lämmern bei vollem Bewusstsein den Hals abschneidet und es vielleicht auch mal selber oder mit ihren Kindern ausprobieren möchten.

Protagonisten der Frauenbewegung, die sich auf den Straßen von Riad neue Impulse für frische Modetrends abholen möchten, die dann ihre wahren Absichten besser verschleiern können.

Antifaschistische Hohlköpfe, die vor dem Sitz des Königs in den Mai tanzen und endlich ohne von Wasserwerfern bedrängt zu werden „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ brüllen können und nicht gleich sauer werden, wenn die Steine mal in eine andere Richtung fliegen.

Multireligöse Pastoren und Pfarrer, Bischöfe und Kardinäle, die beim Kirchenbau schon immer mal gerne selber Hand anlegen wollten und auch keine Probleme damit haben, wenn diese ihnen abgehackt werden, bevor am Morgen der erste Muezzinruf vom Turm erschallt.

Oh ja, es gibt im Urlaubsparadies Saudi Arabien für jeden Abenteurer eine Menge zu entdecken und zu erleben.

Auch deshalb wird die nächste ITB in Berlin mit dem Schwerpunktthema „Sause Arabica“ ihre Pforten öffnen.                                                                                               ***********

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  1. Mai 2016

 

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