KEIN GELD MEHR FÜR GRIECHENLAND.

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Griechische Misere geht weiterGriechenland euro

Die Flüchtlingskrise scheint die Aufmerksamkeit von Medien und Politik ganz für sich gepachtet zu haben. Kein Tag ohne „Flüchtlingsleid“, könnte man feststellen.

Derweil vollzieht sich auf europäischem Boden eine griechische Tragödie, die kaum jemanden zu interessieren scheint. Die Nachrichten aus Athen fließen eher spärlich, sind aber oft widersprüchlich. Mal wird Athen für seinen „strikten Sparkurs“ gelobt, mal wegen der vielen Mängel getadelt. Und die Schuldenuhr tickt kräftig weiter nach dem Takt: Neue Schulden aufnehmen, um alte zu begleichen. Ein Schulden-Perpetuum mobile.

Einer der wenigen Politiker, die sich in dieser Frage durch hohe Sachkenntnis und Ehrlichkeit Achtung erarbeitet haben – dafür aber von Merkel in den Klatschregen gestellt wurde – ist der Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. (conservo hat schon vielfach berichtet, z. B.: https://www.conservo.blog/2016/03/28/willsch-mdb-geisterfahrer-der-europaeischen-solidaritaet/ sowie https://www.conservo.blog/2016/01/31/kp-willsch-mdb-wahnsinn-beenden/ oder hier: https://www.conservo.blog/2014/01/20/muttis-kalte-rache-willsch-raus/) .

Der profilierte Euro-Kritiker im Bundestag verlor seinen langjährigen Sitz in einem der wichtigsten Ausschüsse des Deutschen Bundestages, dem Haushaltsausschuß. Willsch hatte in der Vergangenheit den Euro-Rettungskurs der Regierung offen kritisiert und bei den jeweiligen Abstimmungen (z. B. ESM) mit „nein“ gestimmt. Nur politisch Unbedarfte konnten davon ausgehen, daß diese Haltung ohne Folgen für die Kritiker bleiben würde. So war abzusehen, daß Willsch keine Chance mehr erhielte, erneut Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuß zu werden.

Willsch ist einer der wenigen Politiker, denen der von Merkel erzeugte  Zustand im Lande nicht egal ist. Seit 1998 sitzt Willsch (immer direkt gewählt) für die CDU im Bundestag und hat sich in dieser Zeit Realitätssinn und ein gesundes Rechtsempfinden bewahrt. Willsch scheut sich nicht, politisch inkorrekte Wahrheiten auszusprechen, z. B.:

„Ich erachte es als meine Pflicht, keine Steuergelder in ein Fass ohne Boden zu kippen. Und es ist auch für den Laien ein Leichtes, die Versprechungen der griechischen Regierung als Luftschlösser zu enttarnen.“

Regelmäßig verschickt der Abgeordnete (Wahlkreis Rheingau-Taunus und Limburg) seinen so genannten „Hauptstadtbrief“ an interessierte Mitbürger. Auch über seine Webseite kann man seine Aktivitäten und Ansichten im Hauptstadtbrief nachlesen. Im aktuellen Brief (Nr. 135) schreibt er Klartext über die griechische Misere unter der deutlichen Überschrift: „Kein Geld mehr für Griechenland!“

Hier der Text des neuen „Hauptstadtbriefes Nr. 135“ (auszugsweise):

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Unterstützer, die griechische Regierung hat wieder einmal einen Etappensieg errungen. Griechenland soll mittel- bis langfristig entlastet werden – beim Schuldendienst. Derzeit wird zwar ein viertes Griechenland-Rettungspaket noch nicht öffentlich ins Spiel gebracht, das braucht es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht, denn vom aktuellen (dritten) Rettungspaket sind erst 21,4 von 86 Milliarden Euro ausgezahlt. Die aktuellen Winkelzüge Athens dienen lediglich dazu, dass die Geldgeber die nächste (Teil-)Tranche zahlen. Ich erachte es als meine Pflicht, keine Steuergelder in ein Fass ohne Boden zu kippen. Und es ist auch für den Laien ein Leichtes, die Versprechungen der griechischen Regierung als Luftschlösser zu enttarnen.

Die griechische Regierung hat wieder einmal einen Etappensieg errungen. Griechenland soll mittel- bis langfristig entlastet werden – beim Schuldendienst. Derzeit wird zwar ein viertes Griechenland-Rettungspaket noch nicht öffentlich ins Spiel gebracht, das braucht es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht; denn vom aktuellen (dritten) Rettungspaket sind erst 21,4 von 86 Milliarden Euro ausgezahlt. Die aktuellen Winkelzüge Athens dienen lediglich dazu, dass die Geldgeber die nächste (Teil-)Tranche zahlen.

EEG-NOVELLE 2016. Es ist dringend geboten, die Kosteneffizienz und die Marktintegration der erneuerbaren Energien erheblich zu steigern. Sie müssen durch Ausschreibungen und Direktvermarktung sukzessive von der Kinderwiege in die Marktwirtschaftlichkeit überführt werden und sich auf Dauer finanziell selbst tragen. Nur dann sind Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit der Energiewende überhaupt nachhaltig.

SOZIALHILFE FÜR EU-BÜRGER. Nach Auffassung des Bundessozialgerichtes (BSG) stehen nicht erwerbstätigen EU-Bürgern in Deutschland Sozialhilfe-Leistungen zu – unabhängig davon, ob sich die Person je um Arbeit bemüht hat oder gar illegal im Lande ist. Dagegen gehen wir jetzt mit einem Gesetzentwurf vor. Es muss auch weiterhin der Grundsatz gelten, dass nur diejenigen in den Genuss von Sozialleistungen kommen, die bei uns gelebt, gearbeitet und eingezahlt haben. (…)

…Die linksextreme Syriza-Partei wurde bei Neuwahlen Anfang 2015 stärkste Partei und bildete mit einer rechtsradikalen Kleinpartei eine Koalition. Der Hauptschwerpunkt der neuen Regierung lag auf dem Zurücknehmen von Reformmaßnahmen und dem Schüren von Gläubigerhass. Der spätere griechische Finanzminister Varoufakis war noch gar nicht im Amt, da hatte er schon in einem Interview mit der französischen Zeitung La Tribune gesagt: »Quoi que fasse ou dise l’Allemagne, elle paie, de toute façon.«

Und er sollte Recht behalten. Am 19. August 2015 stimmte der Deutsche Bundestag einem dritten Griechenlandpaket zu. 86 Milliarden Euro sollten an Athen fließen. Neun Monate später stehen wir erneut an einem Punkt, an dem wir schon mehrfach waren. Wieder sollen Zinslaufzeiten verlängert und Kredittilgungen gedeckelt werden, um irgendwie eine positive Prognose zu errechnen.

Die Geschichte der Euro-Rettung hat gezeigt, dass es fatal ist, immer vom best case auszugehen. Griechenland wird niemals auf die Beine kommen, wenn es nicht erkennt, dass die Lösung seiner Misere im eigenen Land liegt. Im August letzten Jahres haben sich die griechische Regierung und die „drei Institutionen“ (Troika dürfen sie sich nach der Propagandaschlacht nicht mehr nennen) auf insgesamt 58 Maßnahmen in einem Memorandum of Understanding geeinigt. Die Maßnahmen waren alle dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zum Griechenland-3-Paket beigefügt (Drucksache 18/5780, Anlage 3). Der Großteil der Maßnahmen wurde bereits im August 2015 als „erledigt“ gekennzeichnet. Vor wenigen Tagen sagte ein nicht namentlich genannter EU-Diplomat gegenüber der BILD: „Athen hat 95% geliefert – wenn auch mit Verspätung.“ Die Süddeutsche Zeitung berichtete hingegen:

„Eine klare Täuschung“

„Doch schon beim ersten Ziel, der Verabschiedung der Spar- und Reformauflagen, sind alle Beteiligten seit zehn Monaten nicht weitergekommen. Maximal 20 Prozent der im Sommer 2015 vereinbarten Auflagen habe die griechische Regierung umgesetzt, haben die Experten des IWF herausgefunden.“

Noch einmal zum Mitschreiben: Maximal 20 Prozent der gegenüber dem Deutschen Bundestag aufgeführten, größtenteils als erledigt gekennzeichneten Auflagen wurden laut IWF umgesetzt! Eine klare Täuschung.

Betrogen fühle ich mich dennoch nicht, denn das Spiel war durchschaubar. So wird zum Beispiel an einer Stelle von der griechischen Regierung verlangt: „Klarstellung, dass die Mehrwertsteuerrabatte für Inseln bis Ende 2016 vollständig abgeschafft werden, und Festlegung der Übergangsregelungen“.

Die Maßnahme wurde im BMF-Antrag als „erledigt“ gekennzeichnet. In einem internen Vermerk, den die Bundestagsverwaltung erstellt hat, heißt es jedoch noch Stand 12. April 2016:

„Das bislang unübersichtliche griechische Mehrwertsteuersystem sollte ursprünglich bis März 2016 vereinfacht werden. Bereits am 10. Juli 2015 wurden die Mehrwertsteuersätze auf drei reduziert, doch diverse Vergünstigungen, beispielsweise für einige Inseln, verkomplizieren die Steuererhebung weiterhin.“

Die Klarstellung war also ein Lippenbekenntnis, dessen Abgabe als Erfüllung der Maßnahme angesehen wurde. Die meisten Punkte sind für Außenstehende schlichtweg nicht überprüfbar. Es ist auch nicht meine Aufgabe, als Abgeordneter des Deutschen Bundestages ständig Reformmaßnahmen und deren Umsetzung in anderen Ländern zu überprüfen. Ich erachte es aber als meine Pflicht, keine Steuergelder in ein Fass ohne Boden zu kippen. Und es ist auch für den Laien ein Leichtes, die Versprechungen der griechischen Regierung als Luftschlösser zu enttarnen.

So legte man uns im Haushaltsausschuss bereits 2011 einen Privatisierungsplan vor. Der Privatisierungsplan sah für die Jahre 2011, 2012 und 2013 Einnahmen in Höhe von fünf, zehn und sieben Milliarden Euro vor. Insgesamt sollten sich die Einnahmen auf 50 Milliarden Euro belaufen. Im Troika-Bericht war quartalsweise aufgeführt, welches staatliche Unternehmen wann und zu welchem Erlös privatisiert und was dabei eingenommen werden sollte. In ihrem Bericht vom April 2014 musste die Troika eingestehen, dass sich die Privatisierungserlöse 2011 auf 1,6 Milliarden Euro, 2012 auf null Milliarden Euro und 2013 auf gerade einmal eine Milliarde Euro beliefen. Im Juli 2015 versprach die griechische Regierung erneut Privatisierungen in Höhe von 50 Milliarden Euro. Im aktuellen Vermerk der Bundestagsexperten heißt es nun nüchtern: „Zuletzt sprachen Vertreter der griechischen Regierung davon, dass statt 50 wohl eher 15 Mrd. Euro an Erlösen realistisch seien; vielleicht würden es auch nur sechs bis sieben Mrd. Euro.“ Auch den von Athen versprochene Privatisierungsfonds unter Kontrolle der europäischen Institutionen gibt es immer noch nicht.

Die griechische Regierung ist im siebten Jahr der Daueralimentierung darin geübt, Dinge zu beschließen und dann versanden zu lassen. Griechenland liefert immer nur dann – und dann auch nur auf dem Papier – , wenn ihm das Wasser bis an die Unterkante der Oberlippe reicht.

So war es auch kürzlich, als es zwei größere Gesetzespakete zu Steuer- und Sozialreformen beschloss, die Einsparungen in Höhe von bis zu 5,4 Milliarden Euro einbringen sollen. Jetzt sind die Geldgeber wieder zu Kompromissen bereit. Die durchschnittliche Laufzeit der EFSF-Kredite aus dem zweiten Griechenlandpaket soll um fünf Jahre verlängert werden. Diese Kredite werden ohnehin erst ab 2023 fällig und wurden schon bis ins Jahr 2057 gestreckt.

Jeder weitere Kompromiss wird nur dem griechischen Schlendrian Auftrieb geben. Das muss der griechischen Regierung endlich mit aller Entschiedenheit entgegnet werden. Der meines Erachtens beste Weg ist weiterhin das geordnete Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. Gegen Ende des Jahrzehnts sollte eine Schuldenkonferenz einberufen werden, auf der die öffentlichen Gläubiger über einen Schuldenschnitt verhandeln. Wenn die Zeit bis dahin sinnvoll genutzt wird, hat Griechenland eine echte (Wachstums-)Perspektive. Allein das Gefühl, wieder seines eigenen Glückes Schmied zu sein, wird dem Land Auftrieb geben. Griechenland kann außerhalb der Eurozone weiterhin auf die Solidarität seiner europäischen Partnerstaaten setzen. Neben den Mitteln des Struktur- und des Kohäsionsfonds sollten die europäischen Institutionen vor allem technische und personelle Unterstützung leisten – zum Beispiel beim Aufbau funktionierender Verwaltungsstrukturen und der Stabilisierung der neuen Währung. Es müssen endlich Auswege gesucht und nicht weiter Irrwege beschritten werden.

Für den Irrweg gibt es übrigens seit kurzem eine neue Milchmädchen-Rechnung aus ESM-Kreisen mit insgesamt vier Szenarien, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Selbst wenn alles optimal verlaufen sollte, werde ich aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr erleben, dass Griechenland die Maastricht-Kriterien einhält. Ich bin Jahrgang 1961 – im Jahr 2060 soll sich der griechische Schuldenstand gemessen am BIP des Landes (im besten Fall) auf 62,6 Prozent belaufen.

Die Geschichte der verfehlten Griechenlandrettung zeigt, dass man besser auf das worst case Szenario noch etwas draufpacken sollte. Dieses sieht für das Jahr 2060 einen Schuldenberg von 258,3 Prozent vor. Noch vor wenigen Jahren gaukelte man uns vor, dass jeder Schuldenstand jenseits von 120 Prozent nicht tragbar sei. Heute ist das alles Makulatur.

Es ist und bleibt unverantwortlich, den Wohlstand unserer Kindeskinder aufs Spiel zu setzen, weil man im hier und jetzt nicht bereit ist, vom Glauben an Wunschträume abzulassen. (Den vollständigen Text des „Hauptstadtbriefes“ lesen Sie hier: http://www.klaus-peter-willsch.de/).
www.conservo.wordpress.com 16. Mai 2016
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