Wohin driftet die CDU? Die Zweifel wachsen – der Widerstand auch

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmescdu

Erst gestern habe ich mich ´mal wieder mit einem Freundeskreis getroffen, dessen Mitglieder allesamt verantwortliche Positionen in der CDU innehatten. Hatten – weil sie inzwischen resigniert haben. Eine etwas zweifelhafte Position: Sie haben resigniert, aber nicht rebelliert, sondern bleiben „treu bei der Fahne“.

Daß das auch anders geht, beweist der Erfolg des „Konservativen Aufbruchs“ in der CSU, der der Parteiführung immer wieder „Probleme“ bereitet. Die „Probleme“ liegen auf der Hand: Kampf gegen den Werteverrat in der Union, Linksschwenks usw. Dagegen sollte die Parteibasis aufbegehren – was sie in der CSU zunehmend tut, in der CDU (noch) nicht.

Manchmal, oft, frage ich mich, ob „Berlin“ so stark abgeschottet ist, daß die Führung der CDU nicht mehr erfährt, was die Basis denkt. Der Eindruck entsteht, daß die Elite der Partei unter einer Käseglocke Abschirmung vom gemeinen Volk sucht und nichts – von „unten“ – an sich rankommen lassen will. Das ist von Basisdemokratie meilenweit entfernt.

Ob man die Ortsverbände, also die Basis, besucht, und mit den Mitgliedern diskutiert, oder ob man Stammtischgespräche führt, fast immer fliegen einem die Aggressionen gegen “die in Berlin“ um die Ohren. Sie seien abgehoben, ist der geringste Vorwurf, sie hätten Deutschland verraten, schon ein schweres Geschütz. Kein Zweifel, in der Partei gärt es!

Viele noch immer treue Mitglieder verzweifeln ob der Sturheit, wie Merkel ihre Politik, die sie mit niemandem abgestimmt hat, „durchzieht“. Die Themen Flüchtlingspolitik und Euro-Krise stehen beispielhaft für die Verstöße der Kanzlerin gegen Recht und Gesetz – und die christlich-demokratische Grundierung der C-DU. Wir fühlen uns verraten. Wir erkennen „unsere“ Partei nicht mehr.

Die bekannte Publizistin Birgit Kelle, immer noch CDU-Mitglied, schreibt dazu in einem bemerkenswerten Beitrag u.a. (Focus, 20.9.16):

„…Die Merkel-muss-weg-Meute, die stetig wächst, ist nicht mehr mit dem Bodenpersonal zu besänftigen. Die AfD-Überläufer aus den Reihen der CDU-Mitglieder- und Stammwähler sind möglicherweise auf eine Zahl angewachsen, die man langsam nicht mehr ignorieren kann. Mir klingt noch gut in den Ohren, mit welcher Überheblichkeit der Generalsekretär im Sommer 2014 zu Protokoll gab, er wolle zur AfD abgewanderte Ex-CDU-Leute „nicht geschenkt“ zurück haben. Das war schon damals kein Parteikonsens, jetzt wird die Rückholungsaktion zur Überlebensfrage als Volkspartei…“

Eine „Rückholaktion“? Da meldet auch B. Kelle gleich Zweifel an – im selben Focus-Artikel:

„…Ich habe schon immer gesagt, ich halte Angela Merkel für eine sehr kluge Frau, rhetorisch war der Auftritt heute brillant. Die Chefin tritt selbst an, die Miene dem Ernst der Lage angepasst. Ein bisschen Zerknirschung, Eingeständnis von Fehlern. Nein, das wollen wir nicht wiederholen, wer will das schon? Wir werden uns besser erklären und der Hinweis darf nicht fehlen: Es kommen ja jetzt auch schon viel weniger Flüchtlinge! Das ist nicht ihr Verdienst. Andere haben dafür gesorgt, die man dafür auch noch geprügelt hat. Dafür wird der Deal mit Erdogan von ihr noch einmal bekräftigt. Wie schön.

Es gibt keinen Kurswechsel und es gibt kein Zurückrudern. Sie signalisiert, wir sind auf dem richtigen Weg, wir müssen es nur besser kommunizieren. Zumindest das hat schon gut geklappt, denn über alle Kanäle läuft, Merkel habe Fehler eingestanden. Das ist aber sympathisch. Und auch so menschlich. Machen wir nicht alle einmal Fehler?

Um den abtrünnigen Wähler zurück zu gewinnen, wird Merkel mehr liefern müssen

Rhetorische Lippenbekenntnisse werden nicht mehr ausreichen, um den Vertrauensverlust der CDU wieder gut zu machen. Was bringen Fehlerbekenntnisse, wenn sich nichts ändert?“

Allein die „normative Kraft des Faktischen“ scheint Merkel dazu zu bewegen, wenigstens ein wenig zurückzurudern – aus eigener innerer Überzeugung wohl eher nicht. „Wir schaffen das“ lautet ihr Mantra, das sich einen Dreck um die Grundwerte der Union schert.

Die Zumutungen der letzten Woche

Man muß, besonders als Parteimitglied, tief Luft holen, um die Zumutungen der beiden führenden Funktionäre, Merkel und Tauber, zu verdauen, die sie in einer einzigen Woche uns regelrecht entgegengeschleudert haben: Merkel „entschuldigt sich“ für ihre Flüchtlingspolitik – meint der brave Bürger sie verstanden zu haben. Dabei geht es ihr aber mitnichten um eine Kursänderung, sondern lediglich um eine bessere „Verkaufe“.

Tauber nimmt die CDU-Mitglieder mit einem „10-Punkte-Papier“ regelrecht auf den Arm: Worthülsen, Phrasen und Ablenkungsmanöver, um uns eine als ehrlich und seriös gedachte Politik zu verkaufen. Klar, daß das Wort Linkstrend gar nicht erst vorkommt. Merkel und Tauber sagen gebetsmühlenartig: „Wir sind die Mitte!“. Basta. Das schlimme Nebenprodukt: Wer dem nicht zustimmt, ist rechts- oder linksextrem und gehört nicht in diese „christliche“ Partei.

Eine solche Dialektik entlarvt die Verursacher: Diese Denkweise frommt einem wendehalsischen Historiker und einer SED-geschulten Funktionärin. Erschreckend, daß in der übrigen Führungsschicht der Partei niemand aufsteht und laut ruft: „Der Kaiser (die Kaiserin) ist ja nackt!“ Welch´ tragischen Figuren!

Also doch Parteiaustritt, ein Lebewohl auf immer? Nein! Noch einmal Birgit Kelle hierzu (aaO.):

„…Noch ist es nicht so, denn für mich bedeutet politisches Engagement nicht, dass man das Handtuch schmeißt, nur weil es einmal schlecht läuft oder mir eine Entscheidung oder das Bodenpersonal nicht gefällt. Diese Partei hat schon zahlreiche Minister, Generalsekretäre und Kanzler überlebt. Bislang hat keiner sie final zu Grunde gerichtet. Egal welcher Partei man sich anschließt, man wird enttäuscht werden(…)

Es ist viel einfacher, zu gehen und zu schimpfen, als zu bleiben und den Mund aufzumachen. Die CDU sei nicht christlich genug, wie oft habe ich das schon gehört. Die Politiker würden sich gar nicht zu ihrem christlichen Glauben bekennen und auch gar nicht danach handeln. Gegenfrage: Wann haben Sie sich das letzte Mal als Christ „geoutet“? Wissen Ihre Nachbarn, Ihre Freunde oder gar Ihre Arbeitskollegen, dass Ihnen das wichtig ist? Warum sollten also Abgeordnete öffentlich „christlicher“ sein, als ihre eigenen Parteimitglieder oder Wähler?

Ich gehöre zu denen, die nicht aufhören, das zu sagen, was sie für richtig halten.

Ich erlaube mir, meine eigene Partei zu kritisieren, wenn ich der Meinung bin, dass sie falsch liegt. Man nennt das Demokratie und Meinungsfreiheit und die hört nicht auf, nur weil ich einen Mitgliedsausweis trage. Ich erlaube mir, meine Kanzlerin, meinen Generalsekretär und auch die Minister zu kritisieren. Öffentlich. Warum sollte ich das nicht tun, oder nicht tun dürfen? (…)

Was wäre auch dieser Partei schon geholfen, wenn es alle Mitglieder täten. Überall und wiederholt. Gegenüber ihren Freunden, ihren Nachbarn, ihren Kreisvorsitzenden und in den Bürgersprechstunden ihrer Abgeordneten. Basisdemokratie ist nicht nur eine Forderung, sondern dann auch eine Aufgabe. Wir haben eine Parteispitze, die ihre eigenen Mitglieder oft wie unmündige Kinder behandelt. Der einzige Grund, warum sie das tut ist, weil wir es zulassen. Aber gehen? Das wäre zu einfach…“

Überlebensfrage als Volkspartei

Wie auch immer, der Frust ist weit verbreitet – und sitzt tief. Der CDU – übrigens gilt das für SPD noch stärker – laufen nicht nur die Wähler davon, sondern vor allem die eigenen Mitglieder, die Basis bröckelt. In meinem (sehr großen) Freundeskreis kenne ich niemanden, der nicht auch schon mit dem Gedanken an eine Abkehr von der CDU gespielt hat – ich selbst auch.

Ich sehe mich ständig gezwungen, meine Position zur Frage „austreten oder bleiben“ immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, da mich – meist in Reaktion auf meine fast täglich erscheinenden Artikel – viele Briefe erreichen, die diesen „wunden Punkt“ aufgreifen.

Mir geht es nicht ums Rechthaben. Ich konzediere gerne, daß ich jede Entscheidung akzeptiere. Auf meinem Lebensweg habe ich viele (echte) Freunde gefunden; ein großer Teil von ihnen ist nicht mehr Mitglied in der CDU und meistens zur AfD abgewandert. Trotzdem bleiben wir in enger Verbindung.

Was mich selbst angeht: Natürlich habe ich jeden Tag Bauchschmerzen, wenn ich an die CDU denke. Aber es gibt Gründe, die mich halten:

Der Erste ist ein sehr persönlicher: Ich habe mehr als vierzig Jahre lang der CDU bzw. der CSU in vielen Positionen – in Deutschland, in Europa und in der Welt – dienen dürfen. Dabei habe ich die meisten Länder der Welt kennengelernt, viele Staatsmänner und viele „bunte“ Menschen, so daß ich zugleich Botschafter Deutschlands sein konnte. Die Erfahrungen, die ich dank meines Berufes durch die Union gewinnen konnte, haben mich zu einem nationalen und international offenen Menschen gemacht. Dafür bin ich meiner Partei ein Leben lang dankbar; denn es dürfte sonst keinen Beruf geben, in dem ich auch nur annähernd so viel hätte erleben können – vor allem als Generalsekretär der Weltorganisation der CDU/CSU-Jugend.

Der zweite Grund ist der politische: Gar keinen Zweifel habe ich jemals in den 56 Jahren meiner Mitgliedschaft an meiner konservativen Grundeinstellung aufkommen lassen, auch nicht im Ausland – und bin dafür respektiert und auch angefeindet worden – gerade auch in den eigenen Reihen. Das ficht mich nicht an; denn niemand kann mir verbieten, konservativ zu sein und zu bleiben. Daß ich mich damit allmählich wie auf einer einsamen Insel fühle, betrübt mich zwar, weckt aber auch meinen Kampfgeist. Noch gebe ich nicht alles verloren!

Ich bleibe, weil ich als Konservativer innerhalb der CDU meine Meinung zu Gehör bringen kann. Man kann mich nicht ausladen, sondern muß mich einladen – zu Versammlungen aller Art. Manchmal sehe ich in den Gesichtern der „lieben Parteifreunde“ das schiere Sodbrennen, wenn sie mir begegnen oder gar eine Feierstunde organisieren müssen, um mich z. B. für mein 50. und 55. Mitgliedschaftsjubiläum zu ehren. So viele „falsche“ Reden habe ich selten gehört. Aber das ist nebenrangig.

Mir bleibt heute aus gesundheitlichen Gründen nur das Schreiben, Außenveranstaltungen kann ich kaum noch durchführen. Aber mit meinen Publikationen – fast täglich Artikel zum Zeitgeschehen und 41 Bücher bzw. Broschüren – erreiche ich viele Menschen. Daß ich die „moderne“ CDU in meinen Publikationen aus allen Rohren kritisiere, findet mehr Zustimmung denn Kritik.

Und es gibt einen schönen Nebeneffekt: Ich schreibe sehr viele kritische Leserbriefe zur CDU/Merkel & Co. Wenn dann zum Schluß eines solchen Briefes steht: „…Peter Helmes, seit 57 Jahren Mitglied der CDU“ geht kaum ein Redakteur daran vorbei; der Leserbrief wird gedruckt. Und so erfahren viele Menschen, daß es in der CDU auch noch andere Meinungen gibt. Wäre ich ausgetreten, hätte ich diese Chancen nicht mehr.

Die Zeichen stehen auf Aufbruch, nicht auf Abbruch

Nein, liebe „Parteifreunde“, ich gebe nicht auf. Und die Chance zum Aufbruch ist da! Wir, die wir als (fast) verlorenes Häuflein in der „rechten Ecke“ der Partei stehen, können etwas tun, etwas bewegen. Aber dazu muß man den eigenen Hintern frühzeitig hochkriegen. Denn „von oben“ kommt das Heil gewiß nicht. Meine politisch-berufliche Erfahrung hat mich gelehrt, daß der Druck von unten kommen muß, von einer Graswurzelbewegung in der eigenen Partei.

Und das sieht gar nicht so übel aus, wie es scheint. Der Widerstand wächst – und formiert sich. Die geneigten Leser mögen Nachsicht mit mir üben, daß ich hier keine konkreten Pläne oder Details ausbreiten werde. Aber sie seien daran erinnert, daß ich einige Erfahrungen auf diesem Gebiet habe, die ich trotz meines schlechten Gesundheitszustandes einsetzen will.

Wir reden nicht über „neue Organisationen“, sondern über Initiativen, die direkt in die Partei wirken sollen. Der „Konservative Aufbruch“, dessen „Geburtshelfer“ ich war, steht dabei Pate.

Wir dürfen nicht aufgeben, nicht der Pöstchen wegen, sondern wegen einer der drei Wurzeln der CDU, die unter Merkel verkümmern mußte – dem konservativen Teil. Man hat uns in die Ecke manövrieren können, weil wir uns nicht gewehrt haben – aus falsch verstandener Solidarität mit der Parteispitze. Jetzt reicht´s. Unsere Geduld ist endlich, Frau Merkel aber auch! Sie darf sich in unserer Partei nicht verewigen!

www.conservo.wordpress.com   24. Sept. 2016
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