„Die Getriebenen“ – ein faszinierendes Buch

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Pubizist

Die Getriebenen von Robin Alexander

In seinem Buch *) deckt Robin Alexander das Regierungsversagen und das Versagen der deutschen Behörden schonungslos auf.

Sein hervorragendes Insiderwissen bezieht er aus seiner langjährigen Korrespondententätigkeit in Berlin und zahlreichen Gesprächen mit handelnden Personen.

Regierung und Behörden wurden von dem anrollenden Tsunami völlig überrascht, obwohl es lange vorher klare Anzeichen und Warnungen vor der Flutwelle gegeben hat.

Die ersten Wellen betrafen „nur“ die europäischen Mittelmeeranrainer, die von den übrigen europäischen Staaten schmählich im Stich gelassen wurden.

Mit ihrer Politik „auf Sicht“ gibt es für die Kanzlerin und ihre Umgebung keine strategische Weitsicht und auch kein Frühwarnsystem – jenseits des begrenzten Horizontes.

Der Tsunami schwemmte zehntausende illegale Einwanderer nach Deutschland, die durch unzureichende Grenzkontrollen ohne Registrierung in unser Land kamen. Regierung und Behörden wissen heute noch nicht, wie viele illegale Einwanderer heute in Deutschland leben.

Die Geschichte des Berliner Attentäters Amri mit seinen vierzehn Identitäten und mehrfachen Auszahlungen von staatlichen Leistungen wirft ein grelles Licht auf die Regierung, in der Ministerien ohne Koordinierung und ohne klare Zuständigkeiten nebeneinanderher – häufig auch gegeneinander – beschäftigt waren.

Dem zuständigen Innenminister wurde der gewichtige Peter Altmaier vor die Nase gesetzt – ohne erkennbare Qualitätssteigerung.

Die zahllosen Behörden des Bundes und der Länder waren – und sind noch heute – unzureichend miteinander vernetzt. Systeme waren und sind nicht kompatibel.

Das Buch konzentriert sich auf die entscheidende Zeitspanne vom 4. September auf den 13. September 2015. Am 4. September öffnete die deutsche Kanzlerin kurz vor Mitternacht in einem nationalen Alleingang die Grenzen – ohne Absprache mit den europäischen Partnern. Es war der entscheidende Dammbruch. Die deutsche Willkommenskultur wurde als historische Wiedergutmachung der deutschen Missetaten der Vergangenheit euphorisch gefeiert. Tausende ehrenamtliche Mitarbeiter bügelten mit ihrem Engagement das staatliche Versagen weitgehend aus.

Die entscheidende politische Frage wurde: War die Öffnung der Grenzen eine Ausnahme in einem humanitären Notfall, oder wurde die Öffnung ad infinitum beibehalten?

Der 13.September brachte die Entscheidung: Regierung und nachgeordnete Behörden wollten die Grenzen am 13.September um 18 Uhr wieder schließen. Personelle und materielle Vorbereitungen wurden bundesweit eingeleitet. Alle zuständigen Behörden standen in den Startlöchern und warteten auf das „Go“ der Regierung, das nicht kam.

Angst vor der eigenen Courage und vor juristischen Bedenkenträgern veranlassten „Die Getriebenen“, die ganze Sache abzublasen.

Eine Schließung der deutschen Grenzen am 13. September hätte der Regierung die einmalige Chance gegeben, den Ausnahmezustand zu beenden und sich wieder solidarisch mit anderen europäischen Staaten um eine gemeinsame Lösung zu bemühen. Diese Chance wurde vertan – auch aus einer gewissen Schadenfreude über die Probleme, die sich die vermeintlich „ stärkste Frau der Welt“ aufgeladen hatte.

Um dem Buch gerecht zu werden, muss man betonen, dass Robin Alexander die Entwicklung zum 4.September und nach dem 13.September – einschließlich des Deals mit dem türkischen Präsidenten – sehr detailliert dargestellt hat. So ist das Buch ein historisches Dokument des Regierungsversagens und des Versagens der an sich zuständigen Behörden, für das Deutschland einen hohen Preis zu Lasten seiner Bürger gezahlt hat und viele Jahre zahlen wird, zumal andere Krisen – wie die sog.“ Eurokrise“ – auch durch deutsche Schuld nicht gelöst worden sind.

*) Robin Alexander „Die Getriebenen“, Siedler-Verlag, München 2017, 286 Seiten, Preis: 19,99 €uro
www.conservo.wordpress.com   5. Jui 2017
Über conservo 7864 Artikel
Conservo-Redaktion