Der Verrat an Luther und der Reformation – Gedanken zur Woche

(www.conservo.wordpress.com)

Von Jörgen Bauer *)

Martin Luther war, bei allen menschlichen Unzulänglichkeiten, von denen niemand ausgenommen ist, ein sehr ernsthafter Mensch, wenn es um den Glauben und unser Verhältnis zu Gott ging. Ihn trieb die nach wie vor voll berechtigte Frage um, wie der Mensch einen gnädigen Gott bekommt, was so viel heißt, wie vor dem real existierenden Gott bestehen zu können.

Das ist die weiterhin aktuelle Frage, die eine recht verstandene kirchliche Verkündung bis heute umtreiben müsste, zumal sich auch die Angehörigen anderer Religionen, wie die des Islam, mit dieser Frage beschäftigen, auch wenn das nicht Gegenstand dieser Betrachtung ist.

Gottesfurcht und Angst vor dem Gericht Gottes ist kein spezifisch christliches Thema, sondern ist weltweit in allen Religionen anzutreffen.

Ich will hier, nur ganz kurz, auf die vier grundlegenden Erkenntnisse der reformatorischen Theologie eingehen, die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können und die insoweit für Christen wesentlich sind.Sola scriptura – Allein durch die Schrift

Danach ist die Bibel vom Heiligen Geist inspiriertes, geoffenbartes Wort Gottes, hinter dem die Autorität Gottes selbst steht und an das sich Gott selbst gebunden hat. In seinem Wort spricht Gott selbst zu uns. Wir tun deshalb gut daran, uns an seinem Wort zu orientieren und es zu achten, auch da, wo wir es nicht verstehen. Die Bibel ist, so gesehen, eine Gebrauchsanleitung für unser Leben.

Sola fide – Allein durch den Glauben

Auf den Glauben legt Gott den allergrößten Wert. Das zieht sich durch die gesamte Bibel, wenn wir zum Beispiel lesen, dass der Unglaube ins Gericht Gottes führt und auch die Ursache für den Sündenfall war.

Glaube ist kein Fürwahrhalten, sondern ein persönliches Vertrauensverhältnis zu Gott und zu unserem Herrn Jesus Christus, unter dessen Leitung wir unser Leben stellen und von dem wir uns in allen Stücken leiten lassen sollen.

Das ist der Glaube, der zur der Gerechtigkeit führt, die vor Gott gilt.

Sola gratia – Allein durch Gnade

Was uns rettet, sind nicht unsere “guten Werke”, mit denen wir uns den Himmel verdienen könnten. Alle diesbezüglichen Leistungen und frommen Kasteiungen sind vergeblich. Gott nimmt uns, völlig unverdient, allein aus Gnaden an, ohne dass wir dazu etwas hätten beitragen können.

Solus Christus – Allein Christus

Allein Jesus Christus – nicht Jesus und….die Kirche, die Gottesmutter usw. – ist die zentrale Aussage der Reformation. Darauf muss weiterhin mit großem Nachdruck bestanden werden, weil uns nur das vor Religionsvermischung und Irrlehren bewahrt.

Im postmodernen Toleranzdenken gilt es als ethische und intellektuelle Zumutung, wenn Christen am Solus Christus festhalten. In dieses Horn stoßen auch Repräsentanten der evangelischen Kirche.

Für uns muss hier das biblische Zeugnis gelten, wonach Jesus Christus das fleischgewordene Wort Gottes ist, dem wir im Leben und Sterben zu gehorchen haben, der für unsere Sünden gestorben und zu unserer Rechtfertigung auferstanden ist und uns damit mit Gott versöhnt hat und der damit der einzige Weg zu Gott ist, wodurch alle anderen Religionen zu Irrwegen und Sackgassen werden.

Aber was hat nun die Evangelische Amtskirche aus Martin Luther und der Reformation gemacht, auf deren Lehren sie nach wie vor verpflichtet ist?

Es ist ganz zweifellos so, dass die Reformation auch zu einer Befreiung des Denkens in anderen Bereichen geführt hat, weshalb auch die Aufklärung und die weitere Entwicklung Europas, einschließlich der Deklaration der Menschenrechte, als eine Folge der Reformation gesehen werden können.

Nach dem, was mir bislang an unterschiedlichen Publikationen vorliegt, schlägt die Evangelische Amtskirche bei der Vermarktung Martin Luthers genau in diese Kerbe, wobei Luther und die Reformation vollumfänglich vor den Karren des Zeitgeistes gespannt werden.

Egal ob Gender, Bewillkommnung der Flüchtlingsströme, Dialoge mit dem Islam, usw., alles lässt sich so als eine Folge der Reformation deuten, die zu unbegrenzter Toleranz, Buntheit und Weltoffenheit und zu einer uferlosen Freiheit im Denken und Handeln geführt hat.

Dabei kommt den “Dialogen” mit anderen Konfessionen und Religionen, auf die ein so großer Wert gelegt wird, eine besondere Bedeutung zu. Solcherart Dialoge sind allerdings sehr fragwürdig, weil es hier darum geht, eigene Standpunkte zu Gunsten neuerer und damit “besserer Erkenntnisse” aufzugeben.

Die Folge ist eine Relativierung des Glaubens mit einer Kirche als “moralischer Anstalt”, die darüber befindet was gut und böse ist und die ihre Weisheiten ständig ungefragt in die politischen Diskussionen einbringt, in der Meinung dazu berufen zu sein, die Welt zu verbessern, was nicht Aufgabe der Kirche ist, weil es Gott selbst ist, der alle neu machen wird.

Aber so hatte Martin Luther seine Aussage von der “Freiheit eines Christenmenschen” ganz gewiss nicht verstanden und so fehlt es auch nicht an der Kritik an Luther, der nicht immer so fortschrittlich war, wie man es gerne hätte.

Hier haben wir das bekannte Krankheitssymptom, das darin besteht, an die Vergangenheit die heutigen Maßstäbe anzulegen.

Wie ist das alles zu bewerten?

Ureigenste Aufgabe der lutherischen Kirche wäre es, anlässlich des Reformationsjubiläums Luthers Kernthesen, allein die Schrift, allein durch den Glauben, allein durch Gnade, Christus allein, in die Mitte zu stellen, weil mit diesen Kernthesen Antworten auf all die Fragen gefunden werden können, welche die Menschen bezüglich ihres Verhältnisses zu Gott und zum Glauben seit jeher bewegen.

Das würde allerdings voraussetzen, dass die Kirchenfunktionäre gläubige Menschen sind, die mit Luthers Kernthesen etwas anfangen können, denn diese schweben nicht im luftleeren Raum, sondern sind Schlussfolgerungen, die sich aus dem Evangelium ergeben und nur im Zusammenhang mit diesem verstanden werden können.

Nach dem, was die kirchlichen Funktionseliten so alles an gottlosen Sprüchen ablassen, muss allerdings ganz erheblich bezweifelt werden, dass die Evangelische Amtskirche, die lehrmäßig zwar nach wie vor auf Luthers Lehren verpflichtet ist, etwas Aufbauendes und den Glauben Stärkendes zu Luther und der Reformation sagen kann. Insoweit wird man die Evangelische Kirche abschreiben müssen.

Dabei soll allerdings nicht übersehen werden, dass es auch in der Evangelischen Amtskirche noch zahlreiche bekennende Christen gibt, die am biblischen Zeugnis festhalten, von denen allerdings nur wenig zu hören ist.

Gott sei Dank, sind aber das Evangelium und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse und Lehren von zeitloser Gültigkeit, weshalb wir nicht auf eine abgefallene Kirche angewiesen sind. Wir haben vielmehr allen Grund, Gott für sein zeitlos gültiges Evangelium und einem begnadeten Martin Luther zu danken, der uns das Wort Gottes neu erschließen durfte.

Wobei nicht vergessen werden darf, dass es neben Martin Luther zahlreiche andere Theologen gab, die neben Martin Luther zu den gleichen Schlussfolgerungen gekommen sind. Insoweit ist Martin Luther kein Einzelfall, wenn auch für unser Land eine glückliche Fügung.

Und wenn das hierzulande nicht überall gewürdigt wird, ist es doch so, dass die weltweite Verbreitung des Evangeliums und das, was Martin Luther und andere Reformatoren neuerlich erkennen durften, dadurch nicht aufgehalten werden kann.

Was kann vom Wort Gottes dazu gesagt werden?

„So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ (Römer 10, Vers 17)

Das ist eine klare Aussage und heißt: Keine philosophischen Betrachtungen mit christlichem Anstrich, keine eigenen Theorien unter der Prämisse “ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen” und was es da so mehr an Eigenwilligkeiten gibt, sondern Gehorsam gegenüber dem zeitlos gültigen Wort Christi, das es immer wieder unverfälscht und unverkürzt in die jeweilige Zeit hinein zu verkünden gilt.

Das Evangelium ist Frohe Botschaft, die uns den Weg ins ewige Leben weist. Und da geht es um sehr ernste und auch als unbequem empfundene Dinge.

Nach Martin Luthers Worten bewegt sich die Verkündung zwischen den beiden Polen Gericht und Gnade, wobei Ersteres gern zugunsten eines Wohlfühlevangeliums ausgespart wird.

Die Predigt soll uns aber deutlich machen, dass wir allesamt aus der Vergebung leben, die Jesus Christus für uns erworben hat und dass wir immer wieder von falschen Wegen umkehren sollen und uns Gott immer wieder vergibt. Es geht um ewiges Leben oder ewigen Tod. Es geht darum, wo wir die Ewigkeit zubringen werden. Also um höchst existenzielle Fragen.

Davon ist in den diversen Morgen- und Abendgedanken, Worten zum Sonntag, sonntäglichen Radiopredigten und Fernsehgottesdiensten allerdings nie etwas zu hören. Aber gerade darauf käme es doch an und nicht um fromm verbrämte Zugeständnisse an den Zeitgeist.

Lieb und nett zu anderen Menschen zu sein und deren Wünsche zu erfüllen, mag vielleicht “gottgefällig” sein, aber es rettet uns nicht.

Es gilt, Jesus Christus in unser Leben aufzunehmen und ihn die Stelle unseres ICH einnehmen zu lassen. Wenn wir so zu neuen Menschen geworden sind, können wir auch die Werke des Glaubens vollbringen.

Wenn die Kirche ihrem eigentlichen Verkündungsauftrag nur noch unvollständig nachkommt, sind es die wiedergeborenen Christen, die hier in die Bresche springen müssen.

*) Nachlesbar in den FCDI Christlichen Impulsen, www.christliche-impulse.de

www.conservo.wordpress.com   16.06.2017
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