Inge Steinmetz und die chemische Fabrik

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Von Inge Steinmetz

Hallo Frau Bundeskanzlerin, ich bin blond und habe eine Frage: Heute schon zugeschlagen?

Bei meiner Tante im Ort gab es mal eine chemische Fabrik, die früher Ameisensäure und später Schaumstoffe herstellte. Fast jede Familie war mit dieser Firma irgendwie verbunden, viele Menschen hatten dort ihren Arbeitsplatz, andere lebten als kleine Handwerker von Aufträgen dieser Fabrik. Diese Aktiengesellschaft – ursprünglich ein Familienunternehmen – wechselte leider im Laufe des letzten Jahrhunderts öfter den Eigentümer, sprich es waren große Konzerne, die die Firma übernahmen und denen nichts mehr am Erhalt der Arbeitsplätze lag, sie hatten keinen persönlichen Bezug dazu, waren weit weg. Anfang der 80er, also noch vor dem Fall der Mauer, kam ein schlauer Konzernchef auf die Idee, dass an der Zonengrenze die Arbeitsplätze billiger seien als hier im Ballungszentrum. Hunderte Arbeitnehmer wurden entlassen, das Fabrikgelände stand über Jahre leer. Was tun mit den alten Hallen, den hohen Schornsteinen und dem Wasserturm? Ich mag ja diese schönen – noch mit Liebe zum Detail gebauten – Backsteinbauten, aber leider fand sich damals niemand, der diese besonderen Gebäude gerettet und und einem neuen Zweck zugeführt hat. Also wurden eines Tages die Schornsteine und der Wasserturm gesprengt, für die Fabrikhallen rückte eine Abrissbirne an.Wenn man bedenkt, wie mühsam es war das alles aufzubauen, wie grundsolide es auch noch nach hundert Jahren da stand und dann wurde alles in kurzer Zeit platt gemacht. Ich bin damals tatsächlich über den Platz gelaufen, hab Backsteine in den Händen gehalten und war den Tränen so nahe. Jahre später wurde auf dem Gelände eine andere Fabrik aus Beton lieblos hochgezogen, Hauptsache schnell und kostengünstig. Inzwischen hat auch diese Fabrik die Besitzer gewechselt, nach Polstermöbeln werden jetzt u.a. künstliche Fingernägel dort hergestellt, sie sind für mich auch ein Zeichen unserer Zeit, in der etwas vorgegaukelt wird, was nicht da ist, aber auch Promis, die dafür Reklame machen, müssen ja von irgendetwas leben! Der jetzige Firmenchef ist auch ein schlauer Bursche, er spart – wo immer möglich – Geld ein, ob bei der Belegschaft, dem Getränkekühlautomaten für die Arbeiter oder beim neuen Rasenmäher für den Gärtner der Grünanlagen! Man muss halt Prioritäten setzen und das Geld lieber in Autos stecken, die es weltweit nur ein paar Male gibt.

Die Abrissbirne, wie kam ich jetzt auf Sie? Miley Cyrus, amerikanische Sängerin und Schauspielerin, schaukelt lasziv zu einem Song auf einer Abrissbirne in ihrem Musik-Video und der Gedanke an Sie ist da. Nein, ich möchte mir nicht vorstellen, wie Sie nackt auf einer Abrissbirne ihr Lied „Wir schaffen das“ trällern. Aber, was momentan hier in Deutschland passiert, das erinnert mich an damals. Alles was mal mit Sinn und Verstand entwickelt und aufgebaut wurde, worauf wir stolz sein konnten, alles wird in kürzester Zeit platt gemacht, entsorgt und lieblos ersetzt, unsere Gesetze, unsere Kultur, die Bevölkerung. Nur, auf der Abrissbirne sitzt keine Frau, die ein bisschen schocken will, nein, die Frau ist selbst die Abrissbirne aus nacktem Stahl, die alles niederreißt, was ihr in den Weg kommt. Und niemand ist fähig oder willig das nackte, kalte Etwas anzufassen und zu stoppen!

(Quelle: https://www.facebook.com/groups/128674131082714/permalink/156797001603760/

www.conservo.wordpress.com   29.11.2017
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