Die traurige Wahrheit über das moderne Deutschland von heute und die Juden

(www.conservo.wordpress.com)

Von Adrian Lauber *)

Liebe Leser und Freunde,

ein gutes neues Jahr wünschend hier mein neue Artikel. Genau genommen, ist es die Übersetzung eines Auszugs aus einem Artikel von Tuvia Tenenbom, zu dem ich aber noch Anmerkungen hinzugefügt habe.

Dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu meiner Serie über Israels Dämonisierung, den zeitgenössischen Antisemitismus und die deutsche Nationalneurose.

Grüße, Adrian F. Lauber

Die traurige Wahrheit über das moderne Deutschland von heute und die Juden

Von Tuvia Tenenbom

(Übersetzung eines Auszugs aus dem Artikel: Adrian F. Lauber)

Vor drei Jahren wurde ich von einer Lektorin von Rowohlt kontaktiert, einem der größten Buchverlage in Deutschland. Sie sagte, dass ihr meine Artikel in der „Zeit“, der prestigeträchtigen deutschen Zeitung, für die ich schrieb, sehr gefallen hätten und dass sie es für eine gute Idee hielt, dass ich für ein paar Monate nach Deutschland kommen, Leute interviewen und „im selben Stil wie in der Zeit“ über sie schreiben solle.Es kostete nicht viel Zeit, mich zu überzeugen, und schon bald tauchte ich in Deutschland auf.

Unglaubliche Landschaften, köstliches Essen, glänzende Museen, gefeierte Intellektuelle, unermüdliche Bauern, schlaflose Künstler, blasphemische Eiferer, gläubige Atheisten und eine höchst moderne Gesellschaft hießen mich willkommen. Alles, was mir zu tun blieb, war, mich mit allen anzufreunden.

Ich interviewte Leute aus allen sozialen Schichten. Vom kettenrauchenden, kultigen Kanzler Helmut Schmidt bis hin zu einsamen Heroin-Süchtigen auf den Straßen Frankfurts, vom Herausgeber der größten europäischen Tageszeitung, „Bild“, bis zu obskuren Bloggern, vom Ministerpräsidenten Sachsens bis hin zu gelangweilten Museumswärtern, von gebrechlichen Veteranen des Zweiten Weltkrieges, sportlichen Gymnasiasten, radikalen Linken, die die Regierung – ja, jede Regierung – stürzen wollen, bis hin zu Neonazis, die sich mit nicht weniger als Adolf Hitler zufrieden geben wollen; Top-Mitarbeiter von Mercedes und Volkswagen, Menschen, die auf der Straße Halsketten verkaufen; Gebildete und Ungebildete, Reiche und Arme, aus dem Osten und aus dem Westen, aus dem Norden und aus dem Süden.

Wir aßen zusammen, wir tranken zusammen und sie redeten.

Kaum ein Tag verging, ohne dass mindestens einer der Interviewten zu mir von den „reichen Juden“, den „gewieften Juden“, den Israelis, die Palästinenser zum Frühstück fressen, dem „manipulativen Juden“ oder irgendetwas anderem Jüdischem sprach.

Deutschland, das fand ich trauriger Weise heraus, ist besessen von den Juden. Selbst jene, die behaupten, Juden zu mögen, haben einige sehr seltsame Gedanken über sie. Einige sagten mir, dass alle Juden sich untereinander kennen, andere sagten, dass alle Juden sich untereinander helfen, und wieder andere sagten, dass alle Juden „sehr gut im Umgang mit Geld“ seien.

So redeten die Leute und ich schrieb nieder, was sie sagten, Wort für Wort. Ich legte das Buch, ein Zeugnis des wild wuchernden Antisemitismus im heutigen Deutschland, meiner Lektorin vor.

Wir trafen uns eine Woche später und sie erzählte mir, dass sie beim Lesen des Buches geweint und gelacht habe und dass es noch besser sei als das, was sie erwartet hatte. Aber der Chef des Verlages, der einflussreichen Familien Deutschlands entstammt, war erzürnt. Er sagte mir, dass ich nicht schreiben könne und dass das Buch einer ernsthaften Redigierung bedürfe.

Ich bat ihn, mir zu zeigen, wie man gut schreibt.

Das tat er.

Wenn eine Zeile im Buch davon handelte, dass Leute „Juden“ nicht mochten, sollte ich das, so verlangte er, in „Israel“ ändern.

Ein Kapitel über eine Vereinigung, die die Tötung aller lebenden Juden predigte, musste entfernt werden, befahl er. Wenn mir jemand in einem Interview sagte, dass die Juden „die wahren Nazis“ seien, musste das geändert oder weggelassen werden.

Nur wenn ich ihm gehorchte, so gab er mir zu verstehen, würde ich ein „guter Schriftsteller“ werden.

Dabei beließ er es nicht. Er sank richtig tief, indem er mich schließlich einen „hysterischen Juden“ nannte. Und dann brach er den Kontakt zu mir ab.

Kein amerikanischer Verleger, an den ich herantrat, stimmte zu, es zu veröffentlichen. Gleich welche Belege es enthielt, amerikanische Mainstream-Verleger waren nicht willens, sich mit Deutschland anzulegen. Einen westlichen Verbündeten zu vergrätzen, steht wohl nicht auf der Agenda heutiger Verleger, schätze ich.

+Aus Furcht davor, dass die Erkenntnisse aus dem Buch für immer verloren sein würden, entschied das Jewish Theater of New York, es Amerikanern zugänglich zu machen, und veröffentlichte es unter dem Titel „I Sleep in Hitler’s Room.“

Im Dezember 2012 veröffentlichte einer der angesehensten deutschen Verlage, Suhrkamp, das Buch auch in Deutschland unter dem Titel „Allein unter Deutschen.“

Zunächst gingen die deutschen Kritiker die Wände hoch und bestritten leidenschaftlich, dass die meisten Deutschen antisemitische Ansichten hätten.

Einer von ihnen scheute sich nicht, in der liberalen Süddeutschen Zeitung rassistisch zu werden und mich schamloser Weise „den Juden Tenenbom“ zu nennen.

Als Antwort auf die zahlreicher werdenden Klagen gegen mich bot ich an, jeden Intellektuellen zu treffen, der bereit wäre, mit mir öffentlich zu debattieren.

Wie ich so den Leuten gegenüber stand, die von mir Ehrlichkeit verlangten, wurde bald klar, dass standhafteste Kritiker das Buch angegriffen hatten, ohne es tatsächlich gelesen zu haben.

(…)

Ich beendete meine Deutschland-Reise mit mehr Freunden, als ich sie zu Beginn gehabt hatte.

Doch das bedeutet nicht, dass ich nicht besorgt war. Ich bin es, und weitaus mehr als je zuvor.

Deutschland ist ein wunderbares, schönes Land, seine Gesellschaft ist eine der fortschrittlichsten unserer Zeit.

Deutschlands kulturelle Institutionen, wie Museen, Theater und Journalismus, sind die fortschrittlichsten der westlichen Welt – was möglicher Weise erklärt, wieso die Stars dieser Gesellschaft nicht Schauspieler, sondern Intellektuelle sind.

Für mich sind die meisten dieser Intellektuellen, soweit ich das beobachten konnte, Pseudo-Intellektuelle. Sie sind hoffnungslos gescheit, erfüllt von sich selbst, haben eine sehr enge Weltsicht, es mangelt ihnen an Realitätssinn und – das ist noch schlimmer – sie leiden an akutem Antisemitismus.

Wieder und wieder lehrt uns die Geschichte, wohin dieser sinnlose Hass führt.

Vor dem Zweiten Weltkrieg, genau wie heute, war Deutschland seiner Zeit voraus (…) Aber damals wie heute trugen die Leute Hass in ihren Herzen, während gleichzeitig die lieblichsten Worte der Freiheit aus ihren Mündern erklangen.

Es war Adolf Hitler, der ihre tiefer liegenden Gedanken kannte (…)

Wenn Deutschland heute sich seines inneren Hasses nicht bewusst wird, wird ein kultivierterer Adolf Hitler auftauchen und keiner wird stark genug sein, ihn aufzuhalten. (…)

Vollständiges englisches Original:

Fox News, 21.5.2013: „The sad truth about today’s modern Germany and Jews“ by Tuvia Tenenbom http://www.foxnews.com/opinion/2013/05/21/sad-truth-about-today-modern-germany-and-jews.html

Tuvia Tenenbom ist Schriftsteller und Kolumnist sowie der Gründer und Direktor des Jewish Theater of New York.

*****

Meine Gedanken dazu

von Adrian F. Lauber

Tuvia Tenenboms Texte kenne ich noch nicht lange, aber bislang kann ich sagen, dass er ein wunderbar angriffslustiger, herrlich unsachlicher, sehr klarer Denker mit scharfer Zunge ist. Er schlägt mit Vorliebe genau dort zu, wo es wehtut. Solche Leute mag ich, weiß der Deibel warum. Vielleicht, weil ich selbst manchmal eine gewisse diebische Freude dran habe, anderen Unangenehmes um die Ohren zu hauen.

Tenenboms Gedanken über das heutige Deutschland und sein Verhältnis zu den Juden ähneln in einiger Hinsicht meinen, so wie ich sie in meiner Serie über die Dämonisierung Israels und in meinem Artikel über die aktuellen Unruhen im Iran sowie die deutschen Propagandisten des iranischen Regimes niedergeschrieben habe.

Obwohl ich in vielen Dingen seiner Meinung bin, lasse ich Tenenboms Zeilen nicht unkommentiert stehen.

Ich weiß zum Beispiel nicht, ob es wirklich die meisten Deutschen sind, die bis heute antisemitische Weltbilder haben. Ich denke, man kann es manchmal auch übertreiben. Der eine oder andere mag vielleicht gewisse Vorurteile über Juden haben, aber ansonsten in seiner Einstellung zu ihnen völlig harmlos sein.

Was ich aber ohne Weiteres zugestehe, ist, dass eine große, relevante Zahl der heutigen Deutschen immer noch von antisemitischen Ressentiments erfüllt ist.

Ich finde es durch zum Thema vorliegende Studien und durch Beobachtungen in meinem persönlichen Umfeld bestätigt.

Diese Ressentiments sind nicht immer so leicht zu erkennen, weil der klassische primäre Antisemitismus in unserer Gesellschaft tatsächlich signifikant abgenommen hat.

Dafür aber erstarkt ein sekundärer, auf den jüdischen Staat Israel bezogener Antisemitismus. Ehe man mich missversteht, wiederhole ich nochmal, was ich an anderer Stelle geschrieben habe: Kritik an Israel ist selbstredend kein Antisemitismus. Aber ich hoffe, dass ich in meiner Serie über Israels Dämonisierung erstens aufzeigen konnte, dass Kritik an Israel – entgegen der landläufigen Meinung – keineswegs tabuisiert ist, und zweitens aufzeigen konnte, wie die klassischen antisemitischen Stereotype heute auf das jüdische Kollektiv im Nahen Osten übertragen werden und wie diejenigen Deutschen, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, mit der NS-Vergangenheit vernünftig umzugehen, ihren Judenknacks an Israel auslassen, indem sie den jüdischen Staat verteufeln und dämonisieren – vermutlich, um sich selbst dann besser zu fühlen.

Der deutsche Nationalneurotiker braucht den Israel-Hass als Balsam für seine Seele. Er kommt mit den Schuldgefühlen wegen des Nazi-Reiches nicht klar und muss hin und wieder den Schuldhaushalt dadurch ausgleichen, dass er sich einredet, dass der jüdische Staat mit den Palästinensern im Prinzip dasselbe mache wie die Nazis mit den Juden. Eine groteske Verleumdung, aber für manche Leute ist es ganz angenehm, sich so etwas einzureden. Auf einmal ist man scheinbar quitt …

Tatsache ist, dass das deutsche Volk einen Knacks weg hat. Ich schreibe das nicht gern. Ich liebe unser Land, ich wünsche mir sehnlichst einen normalen, gesunden Patriotismus, einen Selbstbehauptungswillen wie ihn andere Völker ganz selbstverständlich haben.

Aber obwohl ich dieses Land so liebe, ist mir dieses Land bzw. dieses Volk manchmal unheimlich. Das mag paradox klingen, ist aber nun einmal so.

Genau das, was Tuvia Tenenbom an den deutschen Intellektuellen beobachtet hat, ist auch mir immer wieder aufgefallen und das ist ein Grund, warum ich – um es mit Heine zu sagen – manchmal um den Schlaf gebracht werde, wenn ich an Deutschland denke.

Führende Köpfe dieses Landes sind in großer Zahl überheblich, weltfremd und auf eine äußerst ungesunde Weise von sich eingenommen. Ihr Blick auf die Welt ist so beschränkt, dass es an Provinzlertum grenzt. (Nicht selten sind es jene, die sich für besonders weltoffen halten, die gleichzeitig hoffnungslos borniert sind.)

 

Eine Neigung zur Weltflucht hat man den Deutschen schon früher nachgesagt. Aber ich denke, ein erheblicher Teil dieses heutigen Geisteszustandes hat auch mit der nicht auf eine gesunde Weise bewältigten NS-Vergangenheit zu tun.

Der weltfremde Gesinnungspazifismus und die anmaßende Überheblichkeit gegen Länder, die noch selbstbewusst eigene Interessen wahrzunehmen oder die eigene Identität zu verteidigen die Stirn haben, sind Reaktionen auf die verbrecherischen Kriege Hitlers einerseits und bis zum Rassenwahn übersteigerten Nationalismus jener Zeit andererseits.

Die Deutschen bzw. führende Köpfe dieses Landes leiden unter der deutschen Geschichte bzw. den zwölf Nazi-Jahren. Sie tragen eine Nationalneurose mit sich herum, mit der sie nicht fertig werden und haben nun den ganz dringenden Wunsch, moralisch über jeden Zweifel erhaben zu werden. Unsere Vorfahren mögen sich furchtbar versündigt haben, doch wir können heute rundum gute Menschen sein, die niemals wieder schuldig werden.

Wer niemals zur Waffe greift, kann nicht schuldig werden – so meinen wir. Also lautet die Devise „Nie wieder Krieg!“ (Das klingt theoretisch zwar wundervoll, taugt aber nicht für Politik oder für die Verteidigung eigener Interessen in der Realität. Leider gibt es auf dieser Welt hin und wieder Aggressoren, gegen die man sich verteidigen oder die man zumindest abschrecken können muss. Auch ist nicht jeder Waffengang illegitim. Manchmal muss man sich mit der Waffe in der Hand verteidigen, weil ein anderer weder durch Verhandlungen noch durch Abschreckung von seiner Aggression abzubringen ist.)

Wer keine nationale Identität mehr hat, kann nicht schuldig werden – so meinen wir. Denn dann laufen wir gar nicht erst Gefahr, jemals wieder in besinnungslosen Kollektivismus oder in die pauschale Stigmatisierung oder womöglich Vernichtung einer Minderheit zu verfallen.

Wer keine Eigeninteressen mehr hat, kann nicht schuldig werden – so meinen wir. Dann laufen wir wenigstens nicht mehr Gefahr, überheblich gegen andere zu sein, über sie hinwegzugehen, ihnen irgendetwas zu nehmen.

Der Wunsch, sich vom Makel der Vergangenheit zu befreien, durchdringt dieses Land. Er beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes politisches Lager. Es gibt ganz verschiedene Leute mit sehr unterschiedlichen Weltanschauungen, aus deren Schriften und Reden dieser Wunsch erkennbar wird. Von Jakob Augstein bis Björn Höcke ist da einiges vertreten.

Dieser Wunsch ist allerdings eine Illusion. Die NS-Zeit und die damals begangenen Verbrechen sind nun einmal ein Teil der deutschen Geschichte, mit dem man sich auseinandersetzen und mit dem man umzugehen lernen muss.

Ich sehe für mich persönlich überhaupt keinen Widerspruch zwischen der ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich und einem deutschen Patriotismus, denn die deutsche Geschichte umfasst nicht nur diese zwölf, sondern über eintausend Jahre, sie umfasst einen großen kulturellen Reichtum, sie umfasst große Denker, tapfere Männer und Frauen, ein wunderschönes Land.

Im Widerstand gegen die Nazis befanden sich u. a. große Patrioten sowohl von konservativer als auch von linker Seite.

Sich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, sollte nicht blind für das machen, was es über dieses Land außerdem noch zu erzählen gibt!

Nur leider scheinen viele Menschen da draußen nicht willens oder einfach unfähig, mit der Nazi-Vergangenheit rational und vernünftig umzugehen.

Der deutsche Judenknacks sitzt so tief, dass man verzweifelt versucht, diesen furchtbaren Makel mit irgendetwas auszugleichen – indem man heute zum Beispiel nach scheinbarer moralischer Perfektion und moralischer Führerschaft strebt – indem man zum Beispiel seine Grenzen für die Armen und Beladenenen dieser Welt einfach so aufmacht und sich in eine völlig irrationale „Willkommenskultur“ hinein steigert, egal was diese millionenfache Masseneinwanderung für unser Land bedeuten wird und ob damit das Problem Armut überhaupt gelöst werden kann.

Tja, und dieser Willkommenswahn führt nebenbei auch noch zum massenhaften Import des in der islamischen Welt tief sitzenden Judenhasses, was viele Deutsche interessanter Weise trotz ihres angeblich so ausgeprägten Geschichtsbewusstseins überhaupt nicht gern hören wollen.

Vielleicht stört diese unangenehme Erkenntnis die schöne Illusion, jetzt endlich einen Zustand nahezu perfekter Moralität erreicht zu haben … Da ist man so nahe dran, endlich ein mit allen Weihwassern gewaschener Bessermensch zu werden. Da will man doch nicht mit irgendwelchen Hinweisen auf Judenhass aus dem Konzept gebracht werden! Aus Frankreich, Schweden, Belgien und anderen Ländern hauen Juden schon ab, weil der radikal-islamische Judenhass ihnen das Leben dort unerträglich macht? Ach kommt, so schlimm wird es bei uns nicht kommen! Warum soll es ausgerechnet in Deutschland nicht so kommen? Ach, lasst mich jetzt in Ruh!

Als ob das nicht schon reichen würde, wirken auch bei den Einheimischen die antijüdischen Ressentiments weiter. Zum Teil handelt es sich um die uralten Hassgefühle, der mit den immer gleichen Stereotypen von jüdischer Weltverschwörung, jüdischer Raffgier, jüdischer Rachsucht und weiterem Irrglauben verbunden ist, die wahlweise „den Juden“ oder dem „kollektiven Juden“, also Israel, angeheftet werden.

Aber es existiert darüber hinaus auch eine etwas veränderte Form von Antisemitismus nach Auschwitz, die der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex auf eine wunderbar sarkastische Formel gebracht hat: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“

So paradox das klingen mag: ich glaube, da ist eine ganze Menge dran. Die heute noch lebenden Juden sind gewissermaßen wandelnde Erinnerungsstücke, deren Existenz uns immer wieder in Erinnerung ruft, was vor etwas mehr als siebzig Jahren war. Das kann für manche unangenehm sein und dazu führen, dass Ressentiments gegen diese Menschen entstehen. (Vielleicht ist das wirklich, wie Henryk M. Broder einmal meinte, vergleichbar mit einem Vergewaltiger, der seinem Opfer nie verzeihen wird, dass es ihn – aus seiner Sicht – „provoziert“ hat, so dass er gar nicht mehr anders konnte.)

Die massive Aversion, die dem jüdischen Staat entgegen schlägt und die wiederum zu Aversionen gegen „die“ Juden führt, kann ich mir jedenfalls bislang nicht anders erklären als mit dieser Art von Schuldabwehr.

Denn rational ist sie nicht erklärlich. Die Realität in Israel hat nicht viel mit dem zu tun, was sich so viele über den jüdischen Staat für Vorstellungen machen.

Die Realität bietet keine nachvollziehbaren Gründe, Israel derart zu verachten oder gar aus einer Ablehnung Israels eine Ablehnung von Juden abzuleiten, wie es eine erhebliche Zahl von Deutschen laut Meinungsumfragen tut.

Gut, ich gestehe durchaus zu, dass es Juden gibt, die sich unklug und penetrant benehmen und es manchmal mit Antisemitismus-Vorwürfen derart übertreiben, dass es arg auf die Nerven fällt.

Aber das ist immer noch kein Grund, eine Abneigung gegen „die“ Juden zu entwickeln. Wenn, dann soll man doch die konkrete Person für ihr Verhalten kritisieren und nicht alle anderen in Mithaftung nehmen.

Das ist eine Furcht, die ich habe:

Es gibt in dieser Gesellschaft eine sehr verständliche Frustration über die lange Selbstverleugnung und den Selbsthass, den man vielen Deutschen anerzogen hat.

Ich fürchte die Möglichkeit, dass aus dieser Frustration ein Ressentiment erwächst, das sich letzten Endes auch wieder gegen die Juden kehrt. Denn viele empfinden schon jetzt Aversionen gegen sie, weil sie glauben, „die“ Juden wären schuld an unserer Nationalneurose, sie würden aus dem Holocaust Kapital schlagen, indem sie uns moralisch erpressen und so weiter. Die Vorwürfe sind allgemein bekannt.

Ich fürchte die Möglichkeit, dass aus diesen Ressentiments eine offene antisemitische Aggression erwachsen könnte – oder zumindest eine Gleichgültigkeit gegen das, was mit der fortschreitenden Islamisierung den Juden nun auch in Deutschland droht.

Ressentiments und der Wunsch, den Makel der Vergangenheit loszuwerden … könnte diese Kombination dazu führen, dass sich die Deutschen eines Tages wieder gegen ihre jüdischen Landsleute wenden?

Nun wollen wir nicht hysterisch werden. Vom Judenhass vergangener Tage sind wir im Moment noch weit entfernt.

Aber es ist trotzdem längst überfällig, Alarm zu schlagen. Wenn Juden bereits heute begründete Angst davor haben, auf der Straße als Juden erkannt zu werden, dann ist hier etwas Furchtbares im Gange, was siebzig Jahre nach Hitler nicht sein dürfte.

Ressentiments sind keine Antwort auf die Krise der deutschen Nation, das muss in aller Deutlichkeit festgestellt werden.

Ich behaupte: die Deutschen sind sich selbst ihr ärgster Feind. Die Deutschen sind es, die an sich selbst oder an ihrer Geschichte nichts Gutes mehr sehen wollen. Sie sind es, die sich in ungesunde Vorstellungen hineinsteigern, die zu einem Verhalten führen wie wir es heute sehen können. Die Deutschen selbst haben es in der Hand, ob diese Nation gesunden wird oder nicht. Kein anderer ist dafür verantwortlich oder trägt irgendeine Schuld.

Die Frage ist doch: Schaffen es die Deutschen, mit sich selbst Frieden zu machen? Davon hängt es ab, ob dieses Land noch eine Zukunft haben wird, in der es sich zu leben lohnt.

Es wäre verdammt nochmal besser, wenn sie es schaffen würden! Nicht nur in unserem eigenen Interesse, sondern auch, weil sich der deutsche Judenknacks am Ende ausgerechnet gegen diejenigen kehren wird, die schon einmal Deutschlands Opfer waren.

Siehe zur Vertiefung der Thematik meine Serie „Israel – ein Nazi- und Apartheidstaat?!“ und den Artikel über die aktuellen Proteste im Iran sowie die Propagandisten des iranischen Regimes in Deutschland, der z. T. auch vom heutigen Antisemitismus handelt. (https://www.conservo.blog/?s=israel+-+eine+Nazi sowie https://www.conservo.blog/2018/01/02/gedanken-ueber-die-proteste-im-iran-ueber-das-mullah-regime-und-seine-mitlaeufer/)

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*) Adrian F. Lauber: Wir freuen uns sehr, daß mit dem bekannten Blogger Adrian F. Lauber seit November 2017 ein weiterer renommierter Autor auf conservo tätig ist.

www.conservo.wordpress.com    4.1.2018
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