Angriff auf die USA – Realität oder Verschwörungsgespenst?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Helmut Roewer *)

Eine Vorbemerkung: Leider ist es so, dass ich bei den Intentionen der Weltmächte nur Vermutungen äußern kann. Auch hinsichtlich der diese Vermutungen stützenden Faktenlage befinden wir uns auf unsicherem Grund.

Ich weiß, dass es bei uns üblich geworden ist, die Leute in zwei Töpfe zu teilen, die US-Boys und die Putin-Versteher.

In den letztgenannten Topf gerät fast automatisch derjenige, der an den weltweiten Aktionen der USA Kritik übt. Mir geht es auch so, obwohl ich nach meinem Selbstverständnis alles andere als ein Putin-Versteher bin. Meine Grundmelodie ist das etwas in Vergessenheit geratene deutsche Interesse. Dieses bestimmt meinen Blickwinkel. Als ich das einmal einem der wirklichen Putin-Versteher in Vorbereitung eines russischen Interviews klarzumachen versuchte, erlosch das Interesse an mir und meinen Ansichten auf der Stelle. Eine Lagebeurteilung sollte sich auf Fakten stützen, und möglichst nur auf diese. Hier der Artikel:

Angriff auf die USA – Realität oder Verschwörungsgespenst?

Anmerkungen zum jüngsten Bericht des US-Kongresses über den russischen Informationskrieg gegen Amerika

Am 27. April 2018 wurde der Bericht des Ständigen Untersuchungsausschusses für

Geheimdienstangelegenheiten des US-Kongresses über Aktive Maßnahmen Russlands gegen die USA teilweise offengelegt. Die als secret (=geheim) eingestufte Ursprungsfassung datiert vom 18. März 2018, war nach über einjähriger Ermittlungstätigkeit entstanden und ist 267 Seiten lang. Die folgenden Ausführungen geben einen kurzen Abriss über den Schwerpunkt der Erkenntnisse und die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen der Parlamentarier.

Zur Erinnerung: Auslöser der Untersuchungen waren die im Dezember 2016 in der

US-Presse mit großer Aufmachung geschilderten Machenschaften des soeben gewählten, aber noch nicht ins Amt eingeführten US-Präsidenten Donald Trump und der Helfer seines Wahlteams. Man warf ihnen vor, den Wahlerfolg durch illegale Zusammenarbeit mit der russischen Regierung erschlichen zu haben. Heutzutage muss man genauer formulieren:

Es handelte sich um die angebliche Zusammenarbeit, denn in den Folgemonaten schälte sich Stück um Stück heraus, dass diese Verstrickung ein Fake war, erdacht und exekutiert in der Wahlkampfmaschine der unterlegenen Gegenkandidatin Hillary Clinton. Diese letztgenannte Aussage lässt sich heute, wo Ross und Reiter bekannt sind, mit Sicherheit treffen.

Neu hingegen ist seit letzter Woche, wer die Kampagne contra Trump bezahlt hat. Es war der One World-Tausendsassa George Soros und einige seiner Ost- und Westküstenspezis, die 50 Mio. US-Dollars springen ließen, um den Russland-Fake in Sack und Tüten zu bringen. Wochenlang redete das politische Washington von nichts anderem als vom Impeachment gegen Trump. Das hat sich erledigt.

Wenn man nun die Frage stellt, was es nach einem solchem, für die Glaubwürdigkeit von Mainstream so blamablen Ergebnis noch zu untersuchen gab, so stößt man auf den Kern der Ermittlungen, die von den US-Gesetzgebungsorganen immer noch für nötig gehalten wurden. Und so sieht dieser Kern in Kurzform aus:

Die USA und ihre europäischen Verbündeten befinden sich seit einigen Jahren im massiven Kreuzfeuer von Kreml-gestützten Cyber-Angriffen, deren Hauptziel es ist, das Vertrauen der Bevölkerung(en) in die Funktionsfähigkeit der Demokratie und ihrer Organe zu zerstören. Das ist ein ernsthafter Vorhalt. Er durchzieht als Tenor den gesamten Bericht.

Wie sieht nun die Faktenbeschreibung innerhalb des Berichts aus, auf den sich der anti-russische Vorbehalt stützt? Zunächst ist es die leicht nachvollziehbare Aufgliederung der Faktenstränge in Angriffsobjekte und Angriffsmethoden sowie in eine Kategorisierung der Angreifer. Bei Letzteren gibt es solche, die in den russischen Diensten – ausdrücklich genannt wird der Militärgeheimdienst GRU – zu Hause sind, und andere Figuren – genannt wird Wikileaks –, die an der langen Leine von Diensten operieren. Die Angriffsmethoden beinhalten die illegale Datengewinnung in den USA und bei ihren Verbündeten, das verdeckte Aufsatteln auf laufende Kampagnen, das klandestine Eingreifen in Zählungen und Statistiken und schließlich das Verbreiten von Falschnachrichten. Angriffsobjekte sind neben den staatlichen Stellen, private Kampagnen, wie die Präsidentschaftswahlkampagnen, die Datenfirmen, wie Google und Facebook, und last but not least die private Presse im Wege der Diffamierung oder als Mundstück für Falschnachrichten.

Das alles ist nichts grundlegend Neues, sondern jedem besseren Handbuch für aktive Maßnahmen seit Jahrzehnten zu entnehmen. Einzig von Relevanz erscheint es daher, ob die behaupteten Aktionen mit konkreten, wenn nicht gar unbezweifelbaren und überprüfbaren Fakten belegt sind. Spätestens hier wird die Lektüre des Untersuchungsberichts zu einer Art Echternacher Springprozession, denn jedes Mal, wenn der Leser an die einschlägigen Stellen des Berichts gelangt, findet er schwarze Balken statt des Textes vor. Meistens ist es hierbei so, dass man nicht einmal erahnt, worum es konkret gehen könnte. Der Leser des Berichts bleibt also völlig im Vagen hängen.

Das gilt selbst für solche Stellen, wo durch Nennung von Namen und Sachverhalten ein Vorgang rekonstruierbar ist. Beispiel: Während der Kampagne von Hillary Clinton wurde deren Selbstdarstellung durch Massen-Emails und Twitter-Nachrichten mit dem Inhalt gestört, sie und ihr Mann seien Kriminelle. Nun müsste der Bericht, so denkt man, Ross und Reiter nennen, um die russische illegale und verdeckte Einflussnahme durch das genannte Beispiel unter Beweis zu stellen. Etwa mit folgendem Inhalt: Verantwortlich für diese Anti-Clinton-Kampagne war… und dann kommt’s. Doch danach sucht man vergebens. Entweder trifft der Leser auf schwarze Balken oder nicht einmal auf diese.

Stattdessen findet man allgemeine Ausführungen zum russischen Nachrichtenkanal RT (= Russia Today). Diesen staatlich betriebenen Sender einen Propaganda-Sender zu nennen (der Bericht tut dies), ist aus hiesiger Sicht nicht nur Geschmacksache, sondern sollte zu denken geben: Der russische Staat wird nämlich im selben Bericht als eine auswärtige feindliche Macht bezeichnet. Die Vokabeln auswärtig und Macht sind eine Selbstverständlichkeit, doch das Wort feindlich verwendet nur, wer sich im Krieg befindet. Das ist zwar im staatlichen Verhältnis USA-Russland kriegsvölkerrechtlich unzutreffend, schreibt aber eine amerikanische politische Grundstimmung fort, die sich an einer Kette von Maßnahmen nachvollziehen lässt, seitdem der von den USA aus agierende Global-Spekulant George Soros am 31. Januar 2000, genau einen Monat nach dem Amtsantritt von Putin, klarsichtig feststellte: „Zehn Jahre hatten wir die Gelegenheit, die Dinge in Russland zu beeinflussen und in die richtige Richtung zu bringen, und wir haben es vermasselt.“ Hinter der Feststellung steckte die zutreffende Einsicht, dass unmittelbar nach dem Amtsantritt des neuen russischen Präsidenten die herrlichen Zeiten der feindlichen Übernahme einer ganzen Volkswirtschaft mitsamt deren Bodenschätzen durch Putins erste Maßnahmen empfindlich gestört wurden. Bereits 2002 erfolgte als Reaktion auf diese Enttäuschung der erste Akt der US-Gesetzgebungsorgane (Russian Democracy Act [Russisches Demokratie Gesetz] – H.R. 2121), um die Rückkehr des goldenen Zeitalters durch einen Regime Change zu erzwingen. Weitere Maßnahmen folgten, als letzte der H.R. 3364 Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (Gesetz zur Bekämpfung der Gegner Amerikas durch Sanktionen) – eine offene Erklärung des Wirtschaftskriegs gegen Russland und andere als Feindmächte deklarierte Staaten.

Mit dem Bericht vom März/April 2018 zeigt es sich, dass der Boden für weitere Maßnahmen bereitet werden soll. Die Abgeordneten haben notiert, was nach ihrer Auffassung nottut: Abwehr der russischen Angriffe und das Parieren durch geeignete Gegenmaßnahmen. Das ist zweierlei, nämlich Abwehr und Angriff: Zum einen handelt es sich um die Kontrolle des gesamten, auch innerstaatlichen Informationsverkehrs und das zensurierende und strafverfolgende Eingreifen in die als feindlich bezeichneten Informationsströme, wo immer möglich. Zum andern geht es darum, der feindlichen auswärtigen Macht dadurch die Zähne zu zeigen, dass man sie durch gleichwertige Maßnahmen bekämpft, deren man sich selbst ausgesetzt sieht, sprich durch Propaganda und Desinformation und andere systemdestabilisierende Maßnahmen.

Wie das ausgeht, steht allerdings in den Sternen. Vor allem wird interessant sein, ob es der republikanischen Parlamentsmehrheit – in dieser Sache ausdrücklich unterstützt durch die demokratischen Minderheit – gelingt, den Präsidenten auf anti-russischen Kurs zu zwingen, wo dieser wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, dass er einen friedlichen Ausgleich mit Russland wünscht. Source: https://docs.house.gov/meetings/IG/IG00/20180322/108023/HRPT-115-1.pdf.

© Helmut Roewer, April 2018
*) Dr. Helmut Roewer wurde nach dem Abitur Panzeroffizier, zuletzt Oberleutnant. Sodann Stu-dium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen Rechtsanwalt und Promotion zum Dr.iur. über ein rechtsgeschichtliches Thema. Später Beamter im Sicherheitsbereich des Bundesinnenministerium in Bonn und Berlin, zuletzt Ministerialrat. Frühjahr 1994 bis Herbst 2000 Präsident einer Verfassungsschutzbehörde. Nach der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand freiberuflicher Schriftsteller. Lebt und arbeitet in Weimar und Italien.
www.conservo.wordpress.com     5.5.2018
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