Wider den Pessimismus in der Wirtschaftspolitik! Optimismus ist besser!

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Die deutsche Volkswirtschaft nicht schlecht reden

Nein, nein, ich gehöre nicht zu den Gesundbetern, auch nicht zu den Phantasten oder zu den Weltuntergangspropheten – weshalb ich „niemals nie“ ein Grüner sein könnte.

Wenn ich die Augen schließe und rundherum nur Elend sehe, sollte man eben diese Augen am besten gleich für immer schließen. Grün welkt.

Nein, und nochmals nein, ich back´ mir auch nicht meine Welt, so wie sie mir gefällt. Aber ich nehme sie so, wie sie bei kritischer Betrachtung ist: Eine Mischung aus guten und weniger guten Dingen. Und ich werde mich nie nur auf eines der beiden stützen. Jede Medaille hat zwei Seiten.

Langer Vorrede, kurzer Sinn: Was soll der sich wieder mit neuem Elan verbreitende Pessimismus?

Ja klar, die folgende Meldung kann ich positiv oder auch negativ fassen – je nach meiner Gemütslage oder je nach meiner ökonomischen Kenntnis:Fassung 1 – die pessimistische Variante:

Es ist der schlechteste Wert seit fünf Jahren: Die deutsche Wirtschaft ist 2018 „nur“ um 1,5 Prozent gewachsen – deutlich langsamer als in den Vorjahren. Grund sind die Dürre des abgelaufenen Jahres und der neue Autozulassungsstandard. Also: Ein Dämpfer für die deutsche Wirtschaft! Erstmals seit 2015 ist sie im dritten Quartal wieder geschrumpft, um 0,2 Prozent. Gründe gibt es dafür einige, z.B. etwas gesunkene Exporte und das neue Autozulassungsverfahren. Niedrige Pegelstände im heißen Sommer und das neue Zulassungsverfahren WLTP für Neuwagen haben die deutsche Wirtschaft 2018 etwas gebremst.

Die deutsche Wirtschaft hat gewiß unter dem weltwirtschaftlichen Klima gelitten. Als Beispiel kann man die Stichworte Brexit und Zollstreit heranziehen. Hinzu kommen der eskalierende Handelsstreit (mit weltweiter Ausstrahlung), die Haushaltskrise in den USA, die Probleme innerhalb der EU (Italien, Frankreich etc.) sowie der unsichere Ausgang des (geplanten) Brexit.

Daran sieht man, wie verwundbar die deutsche Wirtschaft ist, was man auch daran festmachen kann, daß die Importe zuletzt stärker gewachsen sind als die Exporte. Das Wachstum, das in den meisten europäischen Volkswirtschaften seit der Finanzkrise 2009 herrschte, hat den Höhepunkt gewiß überschritten, aber ist nicht in einer Rezession gestrandet.

Fassung 2 – die optimistische:

Ist das Anlaß für Pessimismus? Nein! Insofern blicken Ökonomen auch deswegen optimistisch in die Zukunft und sehen das Ganze relativ gelassen. Die oben beschriebenen negativen Sondereffekte fallen größtenteils nämlich jetzt weg. Es gibt also wenig Grund, die deutsche Wirtschaft immerfort krankzureden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier macht für den Rückgang des Wirtschaftswachstums vor allem anhaltende Handelskonflikte verantwortlich. Aber nicht wenige Ökonomen sehen darin eine Art „Zweckpessimismus“.

Gustav Horn, der Chefökonom des gewerkschaftsnahen Konjunkturinstituts IMK, spricht deshalb vom reinen „Zweckpessimismus“ der Bunderegierung, um im Laufe des Jahres sagen zu können, daß die Konjunkturentwicklung doch noch besser ausfällt. „Tatsächlich ist die konjunkturelle Dynamik noch in Takt. Sie wird getragen von einer kräftigen Binnenkonjunktur, insbesondere vom privaten Verbrauch. Und vor diesem Hintergrund dürfte die Konjunkturentwicklung sich in diesem Jahr auch wieder deutlich erholen und die Schwächephase aus dem vergangenen Jahr überwunden werden.“

An der Binnenkonjunktur kann es also nicht liegen. Die Einkommen steigen, und die Kauflust der Konsumenten ist nach wie vor ungebrochen. Auch gebaut wird im ganzen Land nach wie vor fleißig, und das Wachstum hält das zehnte Jahr in Folge an.

Trotz manch negativer Entwicklung hat es auch 2018 deutliche Impulse durch die Binnennachfrage gegeben: Die deutsche Wirtschaft profitiert z.B. vom privaten Verbrauch. Auch für 2019 rechnen die Volkswirte mit einem Wachstum von 1,5 Prozent – vor allem weil die Verbraucher deutlich entlastet werden. Dies zeigt sich insbesondere an der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die bringt ungefähr sieben Milliarden € für Arbeitnehmer und Rentner.

Zwar wurde mehr in Ausrüstungen investiert wie in Maschinen oder Anlagen, auch die Baubranche floriert weiter. Der private Konsum ließ jedoch etwas nach – ein vorübergehendes Phänomen, glaubt Volkswirt Bahr:

Grundsätzlich sollte der Konsum laufen, und das wird er auch in den kommenden Quartalen wieder. Die Arbeitsmarktlage in Deutschland ist nach wie vor phantastisch, hinzu kommen Lohnsteigerungen und Rentenerhöhungen. Aber: der Sommer war unfaßbar heiß, und speziell im Herbst, als die Winterware schon wieder in der Läden lag und verkauft werden sollte, blieb die natürlich liegen wie Blei, so daß tatsächlich Einzelhandelsumsätze entgegen der saisonüblichen Entwicklung dann auch schwach waren und sogar der Konsum ausgefallen ist.

Bei den Ausfuhren aber mehren sich die Fragezeichen, angefangen beim absehbar bevorstehenden Brexit, bei den Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, und beim zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland. Das alles läßt die Bundesregierung zu einer vorsichtigeren Konjunktureinschätzung für das laufende Jahr kommen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier:

„Es hat sich in den letzten Monaten die wirtschaftliche Dynamik verlangsamt und zwar sowohl im Rahmen der Weltwirtschaft wie auch im Rahmen der Europäischen Union. Das bedeutet, daß wir auch in Deutschland die Wachstumsprognosen korrigieren und anpassen. Das Wachstum, das wir erwarten, beträgt ein Prozent.“

Dem steht entgegen: Wir sind in einem noch nie dagewesen wirtschaftlichen Aufschwung. Auch für dieses Jahr ist weiterhin Wachstum zu erwarten trotz der Rücknahme der Wachstumsquote. Selbst der internationale Währungsfonds hat letzte Woche gesagt, daß das Wachstum im nächsten Jahr auch in Deutschland wieder anziehen wird.

Keine Krise

Natürlich kann die Hochkonjunktur nicht auf ewig weitergehen. Mehr Realismus ist angesagt. „Mehr Realismus“ bedeutet aber nicht „mehr Pessimismus“, sondern Anpassung an „normale“ Verhältnisse. Wir haben es in nächster Zeit wohl mit einem schwächeren Wachstum in Deutschland zu tun, was eigentlich ja schon ein Trend seit Anfang des Jahres ist, aber „schlimm“ kann man das nicht nennen. Es ist eher eine Entwicklung momentan in Richtung Normalisierung, zu einer Wachstumsrate, wie wir sie in den nächsten Jahren von rund eineinhalb Prozent erwarten können. Das wäre immer noch eine gute Wachstumsrate. Insofern ist das jetzt keine Krise, sondern eher ein vorübergehender Rücksetzer. Das gilt aber nur, solange die EZB nicht abrupt die Zinsen erhöht oder eines der schwelenden politischen Risiken für eine Verunsicherung sorgt.

Voraussichtlich neuer Beschäftigungsrekord

Trotz der Vorsicht in der Prognose ist vor allem die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weiter positiv. Die Zahl von 45 Millionen Beschäftigten dürfte der Projektion zufolge in diesem Jahr erstmals überschritten werden, was ein neuer Beschäftigungsrekord für Deutschland wäre. Weitere 390.000 Jobs sollen in diesem Jahr entstehen. Auch dürften die privaten Einkommen in diesem Jahr um 2,8 Prozent steigen, was über dem langjährigen Durchschnitt liegt und was zugleich Ausdruck der Hochkonjunktur ist, die deutlich höhere Gehaltsabschlüsse zur Folge hat.

Planungsbeschleunigungsgesetz und Abschaffung des Soli sollen Wirtschaft ankurbeln

Wirtschaftsminister Peter Altmaier will mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz, das bis Ende April vorliegen soll, Wachstumskräfte ankurbeln: „Das Geld ist im Haushalt vorhanden. Wir könnten mit einer solchen Planungsbeschleunigung etwa drei Milliarden zusätzlich an konkreten Investitionen zur Verfügung stellen.“ Etwa für zügige Infrastrukturmaßnahmen in den Kohleregionen, sagte Altmaier.

Außerdem forderte der Wirtschaftsminister einen verbindlichen Fahrplan zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wo die Koalition die Bürger bislang nur zur Hälfte entlasten will.

Ungeordneter Brexit

Auch ein ungeordneter („harter“) Brexit wird insgesamt kaum Auswirkungen auf die heimische Wirtschaftslage haben. Kurzfristig wäre das wohl ein großer Schock, weil die Lieferketten extrem verschmolzen sind und man daher mit Produktionsausfällen rechnen muß. Aber insgesamt betrachtet würde Deutschland nicht besonders stark betroffen sein.

Man würde es hier und da spüren, aber weil Deutschland so gut vernetzt ist international, werden sich andere Möglichkeiten schnell erschließen können. Man wird es spüren, aber es ist keiner der großen Faktoren. Nicht so groß wie in der Handelspolitik der USA-China-Konflikt.

De EU wird sich schnell erholen, weil sie ein großer Handelsraum ist. Und internationale Lieferketten lassen sich umschichten. Es ist nur in dem ersten halben bis dreiviertel Jahr damit zu rechnen, daß es unvorhergesehene Schranken in der Handelsaktivität geben wird.

Fazit: 2019 wird sicher kein einfaches Jahr. Die wirtschaftlichen Aussichten sind getrübt, aber alles andere als trübe. Die konjunkturelle Dynamik wird abnehmen, aber das gesamtwirtschaftliche Umfeld wird intakt bleiben. Es ist wieder Zeit zu Optimismus!

www.conservo.wordpress,com     2.2.2019
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