Upload-Filter: Kein Maulkorb für Europas Völker! Gegen das Massensterben im freien Internet!

(www.conservo.wordpress.com)

Von Niki Vogt *)

Das Jahr begann hoffnungsvoll. Das EU-Parlament hatte 2018 der hoch umstrittenen EU-Urheberrechtsreform noch im Sommer eine klare Absage erteilt, war im September aber dann doch mehrheitlich auf die Linie des europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverlage eingeschwenkt. Damit startete das Prozedere der Trilog-Verhandlungen, bei denen der Europäische Rat, das EU-Parlament und die EU-Kommission zu einer Einigung kommen müssen. Anfang Januar war die Sachlage noch so, dass das EU-Parlament gerade in der für kleine Webseiten so existenziellen Frage den Rücken steif gehalten hatte. Die kleinen Webseiten sollten von den drakonischen Regelungen, einen unbezahlbaren Uploadfilter zu implementieren, ausgenommen werden. Das war allerdings auch Deutschlands Position im Europarat, die letzte Woche plötzlich aufgegeben wurde. Überraschenderweise preschten plötzlich Deutschland und Frankreich gemeinsam mit einer Position vor, die ausgerechnet den Artikel 13 so scharf wie noch nie formulierte.

Woher die Eile? Nun, zum Ersten finden im Mai Europawahlen statt. Ausnahmsweise könnte hier wirklich eine Wahl etwas ändern, und das muss natürlich verhindert werden. Die Mehrheiten könnten sich deutlich verschieben. Sollten die EU-Kritiker und bösen Rechtspopulisten den Altparteien mehr Sitze abjagen, könnte die ganze Urheberrechtsreform wieder vom Tisch gefegt werden. Gerade beim Stimmenschwergewicht Frankreich könnte sich der Gelbwestenprotest, hinter dem etwas mehr als 80 Prozent der Franzosen stehen, in zusätzlichen Sitzen für die „Rechten“ auf Kosten der Etablierten äußern. Italiens rechtes Bündnis fuhr gerade bei Regionalwahlen in den Abruzzen einen haushohen Sieg von 48 Prozent ein, wobei der rechte Flügel des Bündnisses unter Salvini die größten Zugewinne verzeichnen konnte. Das verheißt nichts Gutes für die EUdSSR. Frankreichs Wähler könnten ähnliche Sitzverhältnisse erzwingen.

Zum Zweiten zeigt sich schon beim Vertrag von Aachen, dass die beiden Schwergewichte Deutschland und Frankreich gerade darum kämpfen, dass die EU nicht auseinanderfliegt. Frankreich wackelt bedenklich. Der Gelbwestenprotest konnte nur durch soziale Plattformen dermaßen schnell an Wucht und Fahrt gewinnen und Macron das Fürchten lehren. Erste Gelbwestenproteste flammen in anderen Ländern auf, auch in Deutschland. Dem linearen Denken der panischen Systemparteien entsprechend ist es nur logisch, dass die Lösung nur heißen kann: Schärfere Unterdrückung. Gerade die Webseiten, auf denen das aufmüpfige Volk sich zusammenrottet, sollen nun geknebelt und kaputtgeregelt werden. Der große Würger heißt „Uploadfilter“.

Daher auch die plötzliche Eile, und Deutschland und Frankreich haben sich ratzfatz auf einen Vorschlag geeinigt, mit dem sie alle anderen dominieren konnten, um den Sack noch rechtzeitig vor den Europawahlen zuzumachen.

Vielleicht hat der bedrängte, französische Präsident Frankreichs ja auch eine kleine Morgengabe im schwarzen Diplomatentäschchen für seine Freundin Angela dabeigehabt: Deutschland darf seine Gasleitung Nord Stream 2 bekommen.

Womit haben wir nun zu rechnen?

Rekapitulieren wir den letzten Stand:

Die Piraten-Abgeordnete Julia Reda, die eine vorbildliche, fantastische Recherchearbeit geleistet hat, skizziert die ursprüngliche Haltung Frankreichs zu Artikel 13 folgendermaßen:

Frankreichs Position: Artikel 13 ist super und sollte für alle Plattformen gelten, egal wie klein sie sind. Alle Plattformen müssen demonstrieren, dass sie alles erdenklich Mögliche getan haben, um den Upload urheberrechtlich geschützter Inhalte bereits im Vorfeld zu verhindern. Im Falle kleiner Unternehmen kann das den Einsatz von Uploadfiltern bedeuten, muss es aber nicht – letztendlich soll das ein Gericht im Einzelfall entscheiden (das war die bisherige Ratsposition der Mehrheit der nationalen Regierungen, mit der Unterstützung Frankreichs, ehe Italiens neue Regierung sich grundsätzlich gegen den Artikel 13 stellte und dieser Position somit die qualifizierte Mehrheit entzog.)

Deutschlands Meinung dazu war:

Deutschlands Position: Artikel 13 ist super, soll aber nicht für alle gelten. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 20 Millionen Euro pro Jahr sollten vollständig von Artikel 13 ausgenommen sein, um europäische Startups und Kleinunternehmen zu schützen. (Das war nahe an der Position des Europäischen Parlaments, das immerhin eine Ausnahme für Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro und weniger als 50 Beschäftigten vorsieht.)

Geeinigt haben die beiden sich jetzt in aller Eile auf eine wesentlich strengere Position. Das sollte eigentlich hinter verschlossenen Türen bleiben, damit es so lange wie möglich von der Öffentlichkeit unbemerkt bleibt. Aber das Papier wurde geleakt, und nun ist die Katze aus dem Sack.

Und das ist jetzt die Version, die Deutschland und Frankreich zusammen im Europarat durchdrücken konnten, weil Deutschland + Frankreich alle anderen niederstimmen können:

Der Artikel 13 EU-Urheberschutzgesetz gilt für ALLE Plattformen. Alle müssen Uploadfilter installieren, es sei denn, alle drei folgenden Ausnahmen treffen gleichzeitig für diese Plattform zu:

  1. Die Plattform ist jünger als 3 Jahre alt
    2. Der Jahresumsatz beträgt weniger als 10 Millionen Euro
    3. Die Plattform hat weniger als 5 Millionen Nutzer pro Monat

Das bedeutet nichts weniger, als dass Millionen vollkommen harmloser, kleiner Apps und Webseiten, die auch nur eines der Kriterien NICHT erfüllen, nach dieser Regel Uploadfilter installieren müssen, die schlicht unerschwinglich sind. Und da ist die Drei-Jahres-Regel der Massentod.

Jeder kleine Feuerwehrverein, jede Rezeptseite, jede Selbsthilfegruppe, jedes Diskussionsforum, wo Leute Inhalte aufladen können, wird zusperren. Was die DSGVO nicht ganz geschafft hat, der Uploadfilter bringt’s. Überdies muss jede Seite, die Uploads erlaubt, gezwungenermaßen jede ihnen angebotene Lizenz annehmen, völlig unabhängig davon, ob sie die Inhalte, die der Lizenzgeber anbietet, überhaupt benutzen will.

Soziale Medien, Foren, Vereinsseiten, Facebook, Twitter, etc. sind hier am allermeisten in Gefahr. Facebook zum Beispiel als Betreiber haftet sofort, wenn eine „Urheberrechtliche Verletzung“ festgestellt wird. Facebook bleibt also nichts anderes übrig, als an dem Verursacher Regress zu nehmen und wird, genau wie YouTube, sicherstellen, dass es denjenigen, der das draufgeladen hat, auch belangen kann. Zum Beispiel per Kopie des Personalausweises und mehreren Rückfragen, um die Richtigkeit der Identität und vielleicht auch die Bonität im Falle des Regresses zu überprüfen. Und mit beinharten Verträgen.

WhatsApp könnte an dieser Bestimmung gerade noch vorbeischrammen, da die Chats ja nicht öffentlich sind, sondern nur auf Gegenseitigkeit unter Privatpersonen ausgetauscht werden. Die Individualkommunikation wird noch von der Ausnahme der „Privatkopie“ abgedeckt. Wie das mit Facebookaccounts ist, die sich nicht an die Öffentlichkeit richten, das wird man sehen.

Juristen und Fachleute sind entsetzt. Man könne mit diesen Vorschriften gar nicht arbeiten als Jurist, sagte der bekannte Rechtsanwalt Solmecke, der sich vornehmlich mit diesem Fachgebiet beschäftigt. Was passiert zum Beispiel, wenn ein Uploadfilter installiert ist, aber ein urheberrechtsgeschütztes Werk nicht erkennt und durchgehen lässt? Ist der Webseitenbetreiber dann dennoch haftbar? Oder der Hersteller des Uploadfilters?

Noch ist das Komplott gegen das freie Netz aber nicht in trockenen Tüchern. Noch muss eine Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament den Vorschlag annehmen. Bei Nichtannahme beginnt der Gesetzgebungsprozess wieder ganz von vorn. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Die allermeisten Abgeordneten wollen im Mai wieder ins Parlament gewählt werden. Und jetzt geraten sie durch die Proteste gegen die beabsichtigten Regelungen unter Druck. Wir alle sind gefordert, gegen diese Unterdrückung und das Schlachten insbesondere der kleinen Webseiten aufzustehen. Letztendlich geht es nämlich auch gerade darum, die nicht finanzstarken, systemkritischen Netzseiten stumm zu machen. Und das könnte bald gelingen.

Die Petition gegen die Reform des EU-Urheberschutzgesetzes ist mit heute fast fünf Millionen Unterzeichnern bereits die meistunterschriebene in der Geschichte der EU.

Hier kann man unterschreiben. Wehrt Euch! ———- Zur Petition: https://www.change.org/p/stoppt-die-zensurmaschine-rettet-das-internet-uploadfilter

(Quelle: https://dieunbestechlichen.com/2019/02/upload-filter-kein-maulkorb-fuer-europas-voelker-gegen-das-massensterben-im-freien-internet/)

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Niki Vogt gehört zum Autorenteam des Blogs „Die Unbestechlichen“  (https://dieunbestechlichen.com), mit dem conservo in regem Artikel-Austausch steht.
www.conservo.wordpress.com     15.02.2019
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