Krieg aus der Ferne

(www.conservo.wordpress.com)

Von J.E. Rasch *)

Die kleinen und die größeren Krieger unserer Zeit sind stark verunsichert.

Sie versuchen, sich gegenseitig medial „matt“ zu setzen, um ihre unsichtbaren Muskeln eindrucksvoller spielen lassen zu können.

Der Schein soll trügen, die Angst hat wieder Zukunft. Zumindest sie.

Die Aufschneider und Blender werden nicht weniger im politischen Geschäft. In Venezuela instrumentalisieren grade wieder zwei vergleichsweise Neue ihrer zweifelhaften Zunft die eigene Klientel, kräftig befeuert von ihren Paten, Putin und Trump. Und die Waffenschieber, die legalisierten aus den Wirtschafts-ministerien wie auch die „selbständigen“ mit mindestens drei Pässen, reiben sich schon die Hände. Der Handel mit wunderbar tödlich-teueren HighTech-Produkten aus den zahlreichen Kanonenschmieden wird bald wieder so richtig blühen. Sicherheitslage ahoi!

Dass die USA, Russland, China – schon jeder für sich allein – längst den Planeten Erde mit ihren monströsen Atomwaffensystemen gleich mehrfach von der Spezies Mensch und dem viel wertvolleren Rest der Physis befreien könnten, ist zwar schon seit mindestens 30 Jahren bekannt, aber heutzutage mehr denn je den Militärs, ihren willfährigen Machthaben und den abgeklärten Meinungsmanagern schlicht egal.

Dabei sagen bereits einige helle Köpfe in den einschlägigen Instituten unverblümt, dass wir nicht mehr nur darüber nachdenken sollten, ob unsere Zukunft „ halbwegs gut“ oder „eher schlecht“ aussehen werde, sondern ebenauch, ob denn der Planet angesichts der jüngsten Entwicklungen eine Zukunft überhaupt noch habe.

Die Planung, ja selbst der Gedanke an die Führung eines Krieges aus der scheinbar sicheren Ferne scheint gleichwohl sehr verführerisch zu sein, schon weil Grenzen keine Rolle mehr spielen. Geographisch nicht, und nicht in den Köpfen. Der „Point of no Return“, was den Exitus von Mutter Erde angeht, liegt dabei in solch abstrakten Sphären, dass er zu einer schier religiös anmutenden Parabel gefriert.

Die burleske Inszenierung eines neuen „Kalten“ Krieges lenkt derweilen auch davon ab. Es wäre nicht überraschend, wenn sich eines Tages herausstellte, dass Putin und Trump sehr wohl gemeinsam, nach einer „anregenden“ Nacht im Kreise üppiger Damen in einem sündhaft teueren Etablissement über den Dächern von Singapur oder Las Vegas, ausgetüftelt hätten. Schon um die sexistisch irritierten Filmemacher in Hollywood wieder einmal gehörig aufzumischen. Ganz zu schweigen von den Milliarden, die sich mit den Drehbüchern zu markigen Heldenstreifen bei epochal realem Einsatz von neuesten Waffensystemen verdienen ließen.

Dabei haben wir längst Krieg. Und nicht nur einen. Aber das ist ja die Masche.

Besonders dort, wo täglich Tausende zwischen den Fronten archaisch anmutender Bürgerkriege einfach verhungern, in Afrika und am Rande der Arabischen Halbinsel, ergießt sich ein wahrer Geldregen über jene „Kämpfer“ die mit ihren neuesten Schnellfeuergewehren alles niedermetzeln, was nicht schon im Wüstenstaub verreckt ist. „Kleine Konflikte“, für deren Befeuerung immer Geld zur Verfügung steht, sollen uns – zwischen Bildern geduldig flüchtender „Familien“ , die ach so barmherzig von „selbstlosen“ NGOs über das Mittelmehr geschippert werden – den Spiegel des schlechten Gewissens vorhalten und sind doch schonungslos entlarvende Indizien für die skrupellose Kriegspolitik der Waffenlobbyisten und ihrer obszön reichen Kundschaft in aller Welt. Die Machobande, die in Saudi-Arabien regiert, scheint davon unberührt. Eine geradezu morgenländisch-glitzernde Märchenhaftigkeit ihres Reichtums paralysiert offensichtlich die staatslenkenden Waffenlieferanten in aller Welt so sehr, dass ihnen nur die wenigsten die gleiche Verbohrtheit konstatieren wie den muffeligen Imamen im gleichermaßen anachronistischen Iran.

Angela Merkel, die altersmilde Kanzlerin aus dem albanisch-arabisierten Berlin, schaut da nach wie vor, aber nun besonders lustlos schweigend, nur mit noch gesenkterem Blick in die Realität und ist froh, dass Erdogan ihr nicht wieder die Nazipeitsche in die Händchen retuschieren lässt, denn er ist ja auch ein so guter Waffenkunde Deutschlands.

Im Kriegsmodus straucheln aber auch wir, das abendländische Europa.

Nur die Signale werden von den „Völkern“ widerstrebend wahrgenommen.

Die Gilets Jaunes, die gelb beblusten Rebellen in Frankreich, deren rechtschaffener Protest von Trittbrettfahrern einen unberechenbaren Schwung bekommt, sind bloß eines davon.

Ein Sturm auf die Bastillen – seien es die Champs Elysees oder selbst das hochgekantete Kanzleramt – ist nicht mehr ausgeschlossen.

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*) Der Autor: Joseph-Emich Rasch – Jahrgang 1953 – ist Linguist, Dramaturg und Kolumnist,
schrieb und inszenierte diverse Theaterstücke sowie zahlreiche Satire-Programme, wandte sich im vergangenen Jahrzehnt vermehrt der Analytischen Philosophie zu. Er ist Dozent für Kommunikation, Rhetorik und Dialektik.
www.conservo.wordpress.com    20.02.2019
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