Die Seele meines Volkes – oder: Von außen sieht vieles ganz anders aus

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Sieben nächtliche Gedanken nach der Durchquerung des Dartmoors

Von Helmut Roewer *)

 (1) Wenn man dem Postulat zustimmt, dass ein Volk eine Seele hat, kommt man ins Grübeln über deren Zustand. Dieser ist so komplex, dass Reparaturmaßnahmen von vornherein zum Scheitern verurteilt scheinen.

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Seele (2): Die Frage einer Volksseele stellt sich dem nicht, der die Existenz eines Volkes per se in Abrede stellt. Das Nichtvolk ist ein Menschenhaufen, dessen Einzelteile miteinander, wie man neudeutsch sagt, interagieren. Indessen trägt diese Soziologenerkenntnis zum gedeihlichen Miteinander nichts bei.

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Seele (3): Das um seine Volkszugehörigkeit gebrachte, entfesselte Individuum begibt sich mit der debilen Beschwichtigung, das Recht müsse jeden Tag neu ausgehandelt werden, auf geradem Wege zum Faustrecht. Dieses Individuum wird notwendig an Horden scheitern, die einen gemeinsamen Willen entwickelt haben. Es liegt nahe, dieses Gemeinsame als Seele zu bezeichnen.

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Seele (4): Das Auftauchen von Horden erfordert, zum Volk zurückzufinden. Die Reparatur seiner Seele ist das Gebot der Stunde.

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Seele (5): Die Reparatur der Volksseele findet über die Wiederentdeckung des Gemeinsamen statt. Das Gemeinsame ist das Wiedererkennen von Geschichten, die einem bekannt vorkommen. Diese Geschichten bilden einen Grundsumpf des Verstehens: Es genügt ein fragmentarischer Hinweis und ich lächle, denn ich habe begriffen.

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Seele (6): Machen wir uns auf den Weg und erzählen uns Geschichten. Sie handeln von erstrebenswerten Vorbildern und davon, dass unser Volk eine uneinnehmbare Festung ist, in deren Mauern wir uns frei bewegen können.

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Seele (7): Die Volksseele hat ein Passwort: Wir Deutschen. Es öffnet die Tür zu einer bunten Welt, gespeist aus Überzeugung und Gefühl. Wer es nicht verwendet, dem bleibt diese Welt für immer verschlossen.

 ©Helmut Roewer, Mai 2019, Fotos Claudia.
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*) Dr. Helmut Roewer wurde nach dem Abitur Panzeroffizier, zuletzt Oberleutnant. Sodann Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen Rechtsanwalt und Promotion zum Dr.iur. über ein rechtsgeschichtliches Thema. Später Beamter im Sicherheitsbereich des Bundesinnenministerium in Bonn und Berlin, zuletzt Ministerialrat. Frühjahr 1994 bis Herbst 2000 Präsident einer Verfassungsschutzbehörde. Nach der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand freiberuflicher Schriftsteller und Autor bei conservo. Er lebt und arbeitet in Weimar und Italien.
www.conservo.wordpress.com     12.05.2019
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