Missbrauch: Überzogene Summen bei Opferentschädigungen sind kontraproduktiv

(www.conservo.wordpress.com)

Von Felizitas Küble *

Laut Vorschlag einer Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz soll künftig pauschal jedes Opfer von sexuellem Missbrauch eine Entschädigung von 300.000 Euro erhalten. Zu dieser Kommission gehören auch Bischöfe – ebenso wie Betroffene.

Derart hohe Beträge kennt man sonst nur aus den USA, die ein grundsätzlich anderes Schadensersatzrecht haben als wir in Deutschland und Europa.

Bislang erhält ein Opfer von der Kirche 5.000 Euro oder mehr – bei den Regensburger Domspatzen waren es bis zu 20.000 Euro.

Die geplante Entschädigungssumme ist nicht zuletzt deshalb problematisch, weil sie indirekt zu Falschanzeigen ermutigt. Daß solche unwahren Beschuldigungen gegen Priester immer wieder vorkommen, ist längst eindeutig erwiesen und liegt in der Natur der Sache. Durch solche Falschanzeigen leidet aber auch das Ansehen der tatsächlichen Opfer – und genau hier liegt das Problem!

Dieser Einwand gilt ebenso für den zweiten Vorschlag der Arbeitsgruppe, je nach Schwere des Übergriffs zwischen 40.000 und 400.000 Euro zu zahlen.

Der staatliche Entschädigungsfond, den der „Runde Tisch“ beschlossen hat, sieht höchstens 10.000 Euro vor – und dies normalerweise nur als Sachleistung (Therapiekosten usw).

Das Netzwerk B  –  eine  “Initiative Betroffener von sexualisierter Gewalt” – kritisierte in seinem Positionspapier vom 24.2.2012, daß die Höchstgrenze staatlicher Entschädigungszahlungen lediglich bei 10.000 € liegt.

Hingegen hat zum Beispiel das Kloster Ettal meist 10.000 und bisweilen bis zu 20.000 € Entschädigung pro Opfer von Missbrauch oder körperlichen Misshandlungen (Schlägen usw.) ausgezahlt. (Siehe hierzu diese Ettaler Stellungnahme: https://charismatismus.wordpress.com/2011/09/06/freiwillige-hohe-entschadigungszahlungen-durch-kloster-ettal/)

Nun zum früheren Hätschelkind der Linken und Grünen, nämlich der Odenwaldschule, die immerhin eine UNESCO-Modellschule war:Dieses hessische Landschul-Internat entschädigte seine 132 Missbrauchsopfer zunächst mit einer Gesamtsumme von 50.000 €, wie die Wochenzeitung “Die Zeit” vom 11.4.2011 berichtete   –  also weit unter 400 Euro pro Person. Später wurden durch die nahestehende Stiftung „Brücken bauen“ insgesamt 300.000 € an die 132 Geschädigten ausgezahlt.

Somit liegt der jetzt kirchlich vorgeschlagene Betrag je Opfer fünfzig-mal über der staatlichen Höchst-Summe von 10.000; noch größer ist der Abstand zur Odenwaldschule.

Dazu kommt das Problem, dass diese Entschädigungsleistungen  – zumindest teilweise  –  aus der Kirchensteuer-Kasse entnommen werden, was sich bei dieser Höhe gar nicht vermeiden läßt.

Es ist aber nicht leicht einzusehen, dass die „Solidargemeinschaft“ der Kirchenmitglieder überhaupt für die Geschädigten aufkommen soll (dazu könnte auch ein Fond aus Beiträgen hoher Geistlicher – vor allem Bischöfe  –  errichtet werden). Dies gilt erst recht für derart hohe Beträge, die weit über das hinausgehen, was der Staat oder andere Institutionen wie die Odenwaldschule bereitstellen.

(Original: https://charismatismus.wordpress.com/2019/11/14/missbrauch-ueberzogene-summen-bei-opferentschaedigungen-sind-kontraproduktiv/)

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Kommentar auf dem Originalbeitrag hierzu:

Anonymous, 14. November 2019 um 14:41:

„In der Tat sind solche Beträge als Pauschalleistungen nicht gerechtfertigt. Wer so etwas beschließt, macht sich ggf. sogar der Untreue zu Lasten des Kostenträgers schuldig. Denn zum Einen sind solche Ansprüche verjährt, wenn sie je bestanden haben und zum Anderen kann man nicht einfach so ohne eindeutige Prüfung etwas bezahlen. Denn das ist auch ungerecht gegenüber weit schwereren Fällen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde:

Ich bin davon überzeugt, dass es sehr viele Fälle von sexuellem und körperlichen Missbrauch durch Priester und andere Vertreter bzw. Mitarbeiter der katholischen Kirche gegeben hat. Himmelschreiendes Unrecht wurde begangen unter Ausnutzung von Macht und Stellung der Täter, begünstigt durch Wegschauen und Vertuschen der Kirchenoberen.

Daraus folgt aber eben nicht, dass jeder gemeldete Fall zutrifft und gleich schwer wiegt. Wenn man auch keinen vollen Rechtsbeweis fordern darf, weil die Beweisführung für die Betroffenen sehr schwer ist, muss doch zumindest eine Plausibilitätsprüfung nach einem einheitlichen Standard erfolgen und müssen Entschädigungszahlungen der Schwere des Mißbrauchs im Einzelfall angepasst werden. Das ist sicher sehr schwierig. Aber vor dieser Aufgabe darf man nicht weglaufen, indem nach dem Gießkannenprinzip pauschal hohe Summen bezahlt werden.

Das Problem der Trittbrettfahrer halte ich allerdings für nicht allzu hoch und meine auch, dass die Kirche das ertragen muss, weil sie durch jahrzehntelanges Wegschauen und Vertuschen selbst die Beweisführung erschwert hat. Nicht nachvollziehen kann ich, dass „nicht leicht einzusehen (ist), dass die „Solidargemeinschaft“ der Kirchenmitglieder überhaupt für die Geschädigten aufkommen soll“. Bei den Katholiken wird das „Kirche-Sein“ ja sehr stark betont. Dann muss sich das auch solidarisch niederschlagen.

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*) Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk (CHR) in Münster – eine Aktionsgemeinschaft katholischer und evangelischer Christen zur christlichen Öffentlichkeitsarbeit. Küble verantwortet auch das „Christliche Forum“ (https://charismatismus.wordpress.com)

www.conservo.wordpress.com    14.11.2019
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