SPD-Führung torpediert US-Deal von AKK

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D.*)

Es ist erstaunlich, welches Echo die Tatsache des geplatzten Deals in der Spitze der Koalition gefunden hat. Bislang gibt es weder ein Statement von der Kanzlerin noch vom Vize-Kanzler Olaf Scholz. Dabei geht es bei dem von AKK angestrebten Deal nicht um „peanuts“. Seehofer bezeichnete den Teilabzug als „unerfreulich“, AKK bezeichnete ihn als „bedauerlich“. Harte Urteile.

Offensichtlich wollte AKK den jahrelangen Streit zwischen den USA und Deutschland entschärfen und vor den Bundestagswahlen beenden.

Sie wollte 45 US-Kampfflugzeuge F-38 in den USA kaufen, die auch in der Lage wären, die deutsche Teilhabe an der nuklearen Abschreckung als Nachfolger veralteter deutscher Kampfmaschinen sicherzustellen.

Der Kaufpreis wurde bisher offiziell nicht genannt, er würde jedoch den US-Vorwurf, Deutschland leiste zu wenig für seine Verteidigung, deutlich schwächen. Der Kauf würde Deutschland ein „schweres Milliardenpaket“ kosten.

Schon vor Monaten preschte die SPD-Führung vor mit ihrer Ablehnung des Kaufes amerikanischer Kampfjets und der Forderung, die 20 in Deutschland gelagerten nuklearer Sprengköpfe der USA aus Deutschland – und Europa – abzuziehen.Die nukleare Teilhabe Deutschlands galt als wichtig, um die deutsche Mitsprache bei dem Einsatz deutscher Kampfjets mit US-Nuklearwaffen sicherzustellen. Ein Musterbeispiel für die eng abgestimmte deutsch-amerikanische Nuklearpolitik.

Was steckt hinter der Grätsche der SPD-Führung?

Donald Trump dient der deutschen Regierung als Feindbild. Der Tiefststand der deutsch-amerikanischen Beziehungen passt in die Strategie der SPD – und Teilen von CDU/CSU. Er unterstützt Merkels Plan der Rettung Europas und den Wahlkampf von CDU/CSU mit Blick auf die Bundestagswahlen 2021.

Mit dem „Feindbild Trump“ ist es leichter, europäische Staaten und deutsche Wähler hinter sich zu scharen.

Die SPD-Führung möchte die verbreitete Anti-Trump-Stimmung zu ihren Gunsten ausnutzen.

Ein guter Deal zwischen den USA und Deutschland passt nicht in die Strategien der beiden großen deutschen Parteien.

Um was geht es eigentlich?

Deutschland besteht bislang auf der nuklearen Teilnahme und Teilhabe, die es für die Abschreckung auch weiterhin für notwendig hält. Das Mitwirken in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO stärkt das sicherheitspolitische Gewicht Deutschlands.

Tornados sind für nukleare Einsätze zertifiziert (zugelassen). Deutsche Piloten müssen pro Jahr eine bestimmte Anzahl von Flugstunden auf den Tornados fliegen.

Die deutschen Tornados sind überaltert und müssten bereits außer Dienst gestellt sein, aber die Nachfolge ist noch nicht geregelt.

Das amerikanische Kampfjet ist zertifiziert und verfügbar. Die Zertifizierung eines anderen Kampfjets für nukleare Einsätze dauert Jahre.

Der SPD gefällt die nukleare Komponente Deutschlands nicht (mehr). Sie ist wie die FDP für den Abzug der US-Sprengkörper aus Deutschland und das Ende der deutschen nuklearen Teilhabe. In Wahrheit kämpft sie um Zeit.

Die nächste deutsche Regierung wird voraussichtlich mit der SPD und den Grünen gebildet werden. Dann dürfte das Ende der deutschen nuklearen Teilhabe besiegelt werden. Dann braucht Deutschland auch keine zertifizierten amerikanischen Kampfjets mehr.

Mit dem Deal von AKK schlüge man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Vorwürfe der USA, dass Deutschland zu wenig für die Verteidigung ausgeben würde, und mit der F-38 stünde ein erprobtes zertifiziertes Kampfjet zur Verfügung.

Die derzeitige Regierung könnte den Kauf der F-38 vor den nächsten Bundestagswahlen beschließen.

Spekulationen um das Verhalten Merkels  

Ein Deal dieser Größenordnung übersteigt deutlich die Kompetenzen der Verteidigungsministerin. Merkel muss von dem Plan AKKs gewusst haben.

Wenn nicht – wäre dies eine unverzeihliche Panne der Regierungsarbeit, die mit der Entlassung von AKK hätte geahndet werden müssen.

Das geschah nicht. Merkel war also informiert.

Hat sie mit der SPD-Führung über Bande gespielt? Für einen Beweis fehlt der deutschen Öffentlichkeit die „smoking gun“, aber jede Verzögerung spielt ihr in die Hände.

Donald Trump und die unbeliebten USA blieben als „ Feindbild“ erhalten. Basta.

Die Reaktionen der US-Führung

Die Reaktion erfolgte auf dem Fuße.

Der US-Plan einer Reduzierung amerikanischer Streitkräfte ist ein „alter Hut“.

Präsident Donald Trump hat seine Entscheidung zum Abzug in der Vergangenheit mehrfach angedroht, aber nicht vollzogen.

In meiner aktiven Zeit als Berufssoldat der Bundeswehr habe ich wiederholt an NATO-Tagungen und internationalen Konferenzen – wie z.B. an den Münchner Sicherheitskonferenzen – teilgenommen.

Das Thema „burden sharing“ ( faire Lastenteilung) war immer ein fester Bestandteil.

Amerikanische Präsidenten und ihre Außenminister – u.a. Kissinger – und Verteidigungsminister – u.a. Gates – haben ihre europäischen Partner immer wieder „angefleht“, sie bei den Verteidigungsausgaben für die NATO spürbar zu entlasten.

Es galt die Zahl, dass die USA über Jahrzehnte 80 Prozent der NATO- Verteidigungsausgaben getragen haben.

Im Jahre 2014 haben alle Mitgliedstaaten der NATO einstimmig ein Abkommen vereinbart – auch mit dem damaligen Außenminister Steinmeier –, bis 2024 die Verteidigungsausgaben auf 2,0 Prozent des BIP anzuheben – wie auch in den Verteidigungshaushalten die investiven Ausgaben auf zwanzig Prozent zu erhöhen.

Wie immer hörten sich die meisten Europäer die amerikanischen „Wünsche“ an – ohne zu reagieren. Deutschland spielte eine peinliche Rolle. Sehr bald erklärte die deutsche Regierung unter M., dass man die zwei Prozent bis 2024 nicht erreichen würde. Das Ziel für Deutschland seien 1,5 Prozent.

Der Langmut der USA-Regierungen war unglaublich, obwohl die Kritik in den USA immer lauter wurde. Amerikanische Wähler verstanden immer weniger, wieso die „reichen Europäer“ – besonders Deutschland als Export- und Reiseweltmeister – ihren Beitrag nicht erhöhen konnten.

Allerdings gibt es in den beiden Parteien etliche Abgeordnete, die sich für ein ungebrochenes Engagement der USA in und für Europa aussprechen.

Das fait accompli

Sehr schnell nach dem Eklat wurde der Umfang der amerikanischen Entscheidung bekannt:

# 11900 US-Soldaten sollen Deutschland verlassen, davon werden 6400 Soldaten in die USA verlegt, 5600 Soldaten innerhalb Europas. Polen wird einen großen Teil davon aufnehmen – willkommen von der polnischen Bevölkerung.

# US-Standorte in Vilseck (Bayern), Grafenwöhr (Bayern), Spangdahlen (Rheinland-Pfalz) und Stuttgart (BW) werden ganz oder in Teilen aufgelöst.

Der Abzug aus Deutschland soll zeitnah beginnen.

Was bedeuten diese Maßnahmen für die Sicherheit Europas?

Meine provokante These erscheint paradox:

Der Umzug von US-Streitkräften innerhalb Europas – besonders der nach Polen – verbessert die Sicherheit Europas.

Wieso ?

Polen hat Deutschland als „Frontstaat“ gegen Russland abgelöst.

Russland hat als Strategie die „Hybride Kriegsführung“ als Gesamtstrategie festgelegt. Es geht Russland nicht mehr in erster Linie um einen massiven, überraschenden Angriff nach Westen, sondern um eine De-Stabilisierung des Westens.

Es sät Zwietracht innerhalb der NATO und treibt so einen Keil in das Bündnis.

Die „hybride Kriegsführung“ gibt es schon heute. Einzelne – als „labil“ eingestufte Staaten – werden durch Propaganda, faked news, Halbwahrheiten und Lügen destabilisiert – wie es in der Ukraine der Fall war.

Mit dem Vorführen von hypermodernen Waffensystemen soll den Europäern signalisiert werden: Widerstand ist zwecklos. Dass etliche hypermoderne Waffensysteme lediglich Attrappen oder Prototypen sind, erkennen nur wenige Experten.

Deutschland gilt in Russland als „labiles“ Land. Rechte und linke Gruppierungen werden von Russland ideell und materiell hofiert und unterstützt. Bereits mit Erfolg. Putin und Russland gelten bereits etlichen Deutschen vertrauenswürdiger als Trump und die USA. Viele Deutsche wollen nicht mehr erkennen, was Deutschland den USA in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg zu verdanken hat – letztlich auch die Wiedervereinigung ohne scharfen Schuss.

Polen ist für Russland ein anderes Kaliber als Deutschland. Die meisten Polen haben ihr Leiden unter der sowjetischen Besatzung nicht vergessen – auch nicht ihre Nachbarn Estland, Lettland und Litauen.

Die amerikanische Präsenz in Übungen in Polen und seinen Nachbarn ist für diese Staaten eine Sicherheitsgarantie – nicht Deutschland oder Frankreich.

Die Bewohner dieser Staaten sind weniger anfällig für Russlands Propaganda als andere Europäer.

Zu dieser Haltung tragen Nationalstolz und die orthodoxe Kirche bei. Davon profitiert auch der Nachbar Ukraine.

In der Summe sieht diese verteidigungsbereite Phalanx für Russland nicht sehr einladend aus. Ein russischer Angriff gen Westen wäre – auch mit Blick auf die Streitkräfte der USA und Großbritanniens – kein Osterspaziergang.

Was bedeutet der Abzug für Deutschland?

Es ist die menschliche Komponente, die häufig unterschätzt wird. Über die letzten Jahrzehnte haben sich Freundschaften und Patenschaften mit Kommunen gebildet.

Wenn man in den USA als Deutscher erkannt wird, wird man Adressat von Lobpreisungen über Würzburg, Grafenwöhr, Heidelberg und Stuttgart. Man stellt fest, dass die deutschen Zuwanderer rd. ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung ausmachen.

Etliche Spitzenmilitärs haben einen guten Einblick in das deutsche Leben und seine Kultur erhalten. Etliche kommen wieder nach Deutschland, um den Spuren ihrer Vorfahren nachzuspüren.

In den Garnisonen, die ganz oder zum Teil geschlossen werden, trauern viele Vermieter den solventen Mietern nach.

Metzger und Bäcker haben amerikanische Soldaten und ihre Familien z. B. über das „deutsche Brot“ zu Stammkunden machen können.

Die einladenden gemütlichen „Kneipen“ in Bayern und Baden-Württemberg hatten amerikanische Stammgäste.

Der menschliche und kulturelle Verlust wird in den betroffenen Garnisonen noch einige Zeit beklagt werden – auf beiden Seiten.

 Fazit

Der Abzug aus den betroffenen Garnisonen ist die Schuld der derzeitigen SPD-Führung. Sie ist ein harter Schlag gegen die Bündnissolidarität der NATO.

Sie haben einen tragbaren Kompromiss ohne Not zerstört.

Das hätte vor Jahren zu einem Aufschrei in Deutschland geführt.

Die Corona-Pandemie mit ihren täglichen „Wasserstandsmeldungen“ aus aller Welt dominiert die Schlagzeilen.

Es wird noch schwerer werden, das zerrüttete deutsch-amerikanische Verhältnis wieder zu kitten.

Die „Werte Union NATO“ hat einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen.

Viele Deutsche wollen nicht mehr wahrnehmen, dass wir die Vereinigten Staaten auch in Zukunft als Stabilisator in einer unsicheren Weltordnung brauchen.

Das gilt insbesondere für Deutschland als Export- und Importland. Wir brauchen freie Zugänge zu Rohstoffen und „seltenen Erden“ und offene Wege für unsere hochwertigen Exportgüter.

Am politischen Horizont bereiten Chinas expansive Außenpolitik und Kreditpolitik große Sorgen. Auch NATO-Staaten bieten China bereits „Brückenköpfe“ an – wie Griechenland den Hafen Piräus und Deutschland den Hafen in Duisburg.

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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.
www.conservo.wordpress.com      2.8.2020
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