Der Himmel über Berlin – eine Bewertung der Demonstration am 29.8.

(www.conservo.wordpress.com)

Von Martin E. Renner *)

Um die wesentlichen Schlüsse ziehen zu können, empfiehlt es sich, zunächst drei Ebenen getrennt zu betrachten:

  • Erstens das Agieren der Staatsmacht durch die Polizeikräfte,
  • zweitens die Organisatoren und deren Redner
  • und schließlich drittens die Teilnehmer der Demonstration.

1. Die Staatsmacht

Man muss an dieser Stelle vorwegschicken: Die Polizisten sind ausführendes Organ, das die Befehle von oben zu befolgen hat.

Ja, jeder Mensch hat eine freie Entscheidung, jeder Polizist hat das Remonstrationsrecht. Halten wir uns aber vor Augen, dass ein abruptes Ende der Karriere heute schneller erfolgen kann – und gerade in diesem Zusammenhang ausgerechnet in Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen wird, als man „Remonstration“ aussprechen kann.

Mit Frau und Kindern im vielleicht kreditfinanzierten Zuhause ein enormer Gewissenkonflikt. Ich möchte daher an dieser Stelle nicht über die Polizeibeamten urteilen – selbst, wenn in der Tat manche berechtigte Frage zu stellen wäre.

Betrachten wir also im Folgenden die Strategie der politisch Verantwortlichen ganz oben in der Befehlskette.

Das einzig hier zulässige Urteil ist verheerend. Ich beziehe mich auf eigene Beobachtungen sowie auf Berichte zahlreicher Kollegen oder mir persönlich bekannter weiterer Teilnehmer des gestrigen Tages.

Von Anfang an fiel ins Auge, dass die zahlenmäßig erheblichen Polizeikräfte – anders als beispielsweise am 1. August – in voller „Kampfmontur“ vor Ort waren. Abschreckung und Einschüchterung durch martialisches Auftreten schien hier die Devise zu sein.

Aus für den Beobachter vor Ort nicht nachvollziehbaren Gründen wurden binnen weniger Minuten aus dem Nichts zahlreiche Blockaden errichtet und somit Fußgängerströme unterbrochen. Stets ohne jede Begründung, ohne Kommentar. Diese Praxis wurde nicht nur während des Demonstrationszuges angewandt.

Dieser kam damit zum Erliegen und wurde infolge der wohl bewusst herbeigeführten räumlichen Einschränkung letztlich aufgelöst. Ein perfides Spielchen, um Unmut zu erzeugen, vielleicht gar um Gegenwehr zu provozieren, also zu eskalieren. Deeskalation sieht jedenfalls anders aus.

Mindestens ein Polizeihubschrauber kreiste ununterbrochen während des gesamten Tages – man hatte also von oben stets Überblick über die Bewegungen der Demonstrationsteilnehmer und hat diese mit hoher Wahrscheinlichkeit mittels der beschriebenen, plötzlichen Blockaden zu jedem Zeitpunkt gesteuert. Selbst wenn dies – bei wohlwollender Auslegung – dazu gedient haben sollte, räumlich allzu dichte Ansammlungen von Menschen zu vermeiden, so hätte eine entsprechende, erklärende Mitteilung Wunder gewirkt, wie man später an der Siegessäule und auch auf der Straße des 17. Juni beobachten konnte.

Die Leute waren friedlich, sie waren bedingungslos bereit, die Auflagen zu erfüllen. Weil sie unter allen Umständen diese Demonstration aufrechterhalten wollten.

Zu fortgeschrittener Stunde wurde dann dennoch – abseits der medialen Aufmerksamkeit – der Platz rund um die Siegessäule in aller Härte geräumt. Sie finden dazu authentische Videos im Netz.

2. Die Organisatoren und ihre Redner

Einziger ernstzunehmender Redner war Robert F. Kennedy jr. – und dies auch nur, weil er die Menge mitzunehmen wusste. Einige Aussagen wiesen Nähe zu bekannten Verschwörungstheorien auf und verblieben im Status bloßer Behauptungen. Immerhin kam hier der deutliche Hinweis auf den Vermögenstransfer weg von den werteschaffenden Milieus hin „zu einer Handvoll Milliardären“.

Ferner sprach jemand, dessen Name mir entfallen ist, der nach eigener Aussage offenbar bekennender Marxist ist. Muss man schon fast nicht weiter kommentieren, ist doch exakt diese Ideologie, dieser internationale Sozialismus und Marxismus die treibende Kraft schlechthin hinter den unseligen Auflösungserscheinungen unseres demokratischen Rechtstaates.

So weit hat es für diesen Querdenker dann trotz angeblichen Erwachens nicht gereicht. Steht zu befürchten, dass er weiterhin im „Querdenken“ gefangen bleibt – ohne auch nur zu einer zielführenden Erkenntnis zu gelangen.

Einige der gehaltenen Reden enthielten eine Menge Lobhudeleien auf den Sozialismus. Ein „neuer“ Sozialismus, der unbedingt richtig angewendet werden müsse. Es fehlte bei allen Rednern die Erkenntnis, dass wir mittlerweile schon in einem recht breit etablierten sozialistischen, kulturmarxistisch definiertem und ausgerichtetem Staat leben.

Der FDJ-Sekretärin Angela Merkel und ihren Gefolgschaften sei Dank.

Ein grünes Bürschlein aus Schleswig-Holstein nahm in einer weiteren Rede die eigene Funktionärs- und Mandatsträgerkaste aus Land und Bund aufs Korn. Leider einzig und alleine in Bezug auf Corona und deren mit-beschlossenen staatlichen Reaktionen und Maßnahmen zu diesem Thema. War man zunächst geneigt, dem wackeren jungen Mann zu dieser ersten Erkenntnis zu gratulieren, musste man schnell erkennen, dass auch er die notwendige intellektuelle Transferleistung nicht zu erbringen imstande war, seine eigene linksverpeilte Ideologie in Frage zu stellen.

Ob man daraus die Gesetzmäßigkeit ableiten kann, dass Grüne eben nicht nur ideologisch grün, sondern auch hinter den Ohren dauergrün sind, sollte man prüfen?

Es war dann Michael Ballweg, der in seiner Rede den Rücktritt der Bundesregierung forderte. Und weitere Interessenten aus Politik und anderweitig Befähigte dazu einlud, an der nunmehr zu eröffnenden verfassunggebenden Versammlung teilzunehmen. Oh mein Gott, hoffentlich treffen sich da dann wenigsten die Halbgebildeten und nicht nur die minderbegabten Ungebildeten. Na, man wird sehen.

Weitere Reden wurden schnell zur reinen Quälerei, man verpasste nichts, wenn man stattdessen ins Gespräch mit anderen Teilnehmern kam. Überhaupt schien das, was man auf allerlei Transparenten, in persönlichen Gesprächen oder auch nur im Vorbeigehen aus Gesprächen Dritter aufschnappen konnte, deutlich präziser, konkreter und reflektierter zu sein, als die insgesamt doch enttäuschenden, offiziellen Redebeiträge.

Trotz beeindruckender, professioneller organisatorischer Leistung werfen sich in Bezug auf die Organisatoren wesentliche Frage auf.

3. Die teilnehmenden Demonstranten

Ich gehe hier bewusst nicht näher auf die Narren ein, die sich vor lauter Freude, endlich einmal die Treppe zum Reichstag erklommen zu haben, beinahe jubelnd einnässten. Es war mehr als offensichtlich, dass diese Klientel keinen Bezug zur eigentlichen Kundgebung hatte.

Ob man diesen Vorgang schlicht mit Dummheit oder gesteuerter, vorsätzlicher Provokation von interessierter Seite in Zusammenhang bringen möchte, sei jedem selbst überlassen. Ich neige dazu, anzunehmen, dass das eine von interessierter Seite arrangierte Angelegenheit war. Da man kurz zuvor sehen konnte, wie Polizeikräfte an dieser Stelle sehr ausgedünnt wurden, die Absperrgitter zur Seite geschoben wurden.

Ich stand zu der Zeit exakt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und unterhielt mich mit demonstrierenden Bürgern. Als eine Gruppe von jungen Männern mit einer riesengroßen Türkeifahne an mir vorbei in den Bereich der Reichtagstreppe rannte.

Also diese Aktion: „Stürmung des Reichtages“, war dann doch ein richtiges Schmankerl für die relotiöse Presse und die diese gerne zitierenden Politikdarsteller.

Wichtig an dieser Stelle vielleicht noch der Hinweis, dass sie das Gebäude selbst NICHT betreten konnten. Es müsste also richtig lauten: „Laues Lüftchen auf der Treppe des Reichstages“.

Wahrlich eine Heldentat für ganz Einfältige, die seinerzeit bereits das Überwinden ihres kleinkindlichen Gitterbettes für epochal hielten.

Nun in allem gebotenen Ernst:

Eigentlicher Gewinner waren – und erbrachten somit die mit Abstand beste Leistung – die zig Zehn/Hunderttausende freien Bürger, die an dieser Demonstration teilgenommen haben.

Diesen Menschen, die sich unbeirrbar nicht haben einschüchtern lassen, die mit großem Ernst und Wohlwollen sämtliche Auflagen beachteten, gebührt das eigentliche, mehr als verdiente Lob des gestrigen Tages.

Ich habe mit unzählig vielen Menschen in den rund 11 Stunden, die ich auf dieser Demo verbrachte, geredet. Viele kannten mich und sprachen mich an. Mit vielen bin ich einfach spontan ins Gespräch gekommen. Ich bin ja jemand, der nach seinem Politikverständnis in der Pflicht steht, die Kommunikation, den Austausch mit dem Menschen, dem Bürger zu führen. Aber nicht nur in der Pflicht steht, sondern dies auch aus echter Zuwendung und Zuneigung zum Menschen, zum Bürger, gerne auf sich nimmt.

Es waren Menschen aller „Couleur“ dabei, mit denen ich sprach. Echte, überzeugte Sozialisten. Viele christlich orientierte Menschen, die die Grundlagen der christlichen Kultur in unserer Gesellschaft nicht mehr finden können. Auch einige Menschen anderer Nationalitäten. Franzosen, Kroaten, Inder, Ungarn, Briten und, und, und.

Selbst nach Beginn der eigentlichen Schlusskundgebung waren sie immer wieder ohne Murren bereit, die ständige, aus meiner Sicht unverhältnismäßige Gängelei der Staatsmacht zu befolgen – und ergatterte „Logenplätze“ aufgrund zu dichter Abstände zu räumen. Somit verhinderten sie immer wieder die polizeilich angedrohte Auflösung der Kundgebung.

Diese Menschen haben sich versammelt in dem sicheren Bewusstsein, dass wir mit den Maßnahmen infolge der „vermeintlichen Corona-Pandemie“ einen Punkt erreicht haben, an dem unsere Werte und unsere Demokratie massiven Schaden zu nehmen beginnen.

Weil diese Causa Corona von unserer etablierten Politik massivst instrumentalisiert wird. Zur Erreichung von Zielen über die ich seit Jahren berichte und über die ich auch weiterhin berichten werde.

Alleine die bloße Anzahl friedlicher, aber entschlossener Menschen ist ein Schlag ins Gesicht der Regierung. Denn hier wurde vor allem ein gewaltiger Vertrauensverlust großer Teile der Bevölkerung offenbar.

Das ist eine Schande für jede freiheitliche Demokratie. Vor allem ist dies eine Schande für die fremd-instrumentalisierten und sich selbst instrumentalisierenden deutschen Medien.

Und genau an diesem Punkte entstand gestern bei mir und bei vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, eine deutliche Kluft zu den Rednern und den Organisatoren.

Kein Wort über den wahren Grund dieser Zustände – des eigentlichen Themas dieser Veranstaltung!

Ein bloßes „Regierung muss weg, Parteien müssen weg, wir brauchen eine Verfassung“ sind keine Antwort auf die eigentlichen Fragen.

Man hat die Bürger in diesem Punkt ratlos zurückgelassen. Keine Erklärung oder wenigstens Hinweise auf Ursachen, verantwortliche Akteure und die zugrundeliegende Ideologie.

Keine Lösungsvorschläge, keine einzige Bemerkung über den zunehmend antidemokratischen, linkssozialistischen, neo- und kulturmarxistischen Zeitgeist!

Kein Wort darüber, dass Frau Merkel im Jahre 2012 bereits alles vorhergesagt hat. Diese Prophetin des gesellschaftlichen Ungeistes:

„… denn wir haben keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“

Oder 2011 auf dem Kirchentag: „…Wer die neue Weltordnung haben will, kommt nicht umhin Teile seiner Souveränität abzugeben.“

Oder unlängst in Davos: „…Wir sind in der großen Transformation unseres gewohnten Lebens…“

Diese Hintergründe hätten dringend auf der Demo noch angesprochen, bewertet und Schlüsse daraus gezogen werden müssen.

Ich grüße Sie, immer noch sehr müde,

Ihr

Martin E. Renner MdB

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*) Martin E. Renner MdB ist Betriebswirt und Freier Autor (regelmäßige Kolumne bei PI und conservo – wie auch diese hier). 2013 war er einer der 15 Gründungsinitiatoren sowie Mitglied im Gründungsvorstand der Partei Alternative für Deutschland (AfD).
www.conservo.wordpress.com       31.08.2020
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