Kein „Oma-Thema“: Gesundheitsämter modernisieren und attraktiver machen!

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

„Ärzte II. Klasse“ und „Stiefkinder des Gesundheitswesens“?

Geld für 5.000 neue Vollzeitstellen, Investitionen in Digitalisierung usw. – es ist ein Paket von vier bis fünf Milliarden €uro, das jetzt plötzlich die Bundeskanzlerin verspricht, um die Gesundheitsämter zu stärken. Reichlich spät; denn „die Hütte brennt“!

Arzt auf dem Gesundheitsamt zu sein, hat im öffentlichen Ansehen eine solche Attraktivität wie Buchhalter in einem Tierverwertungsunternehmen. Böse Zungen sprechen deshalb zuweilen von „Ärzten II. Klasse“. Und die Gesundheitsämter waren bislang eher die wenig beachteten Stiefkinder des Gesundheitswesens.

Konkret soll jedes der 375 (kommunalen) Gesundheitsämter in Deutschland 10 bis 20 neue Stellen bekommen. Noch bis Ende 2021 soll es insgesamt 1.500 neue Vollzeitstellen geben, in einem zweiten Schritt ist die Schaffung von 3.500 weiteren Stellen geplant. Die Eile ist durchaus berechtigt. Der Schub aus Berlin ist aber auch längst überfällig; denn:

Viele Gesundheitsämter können oft ihre Pflichten kaum noch erfüllen, weil ihre Arbeitsstellen zumeist unattraktiv sind.

Ein Grund z. B. ist die miese Entlohnung: Die Bezahlung für Mediziner im öffentlichen Dienst ist oft niedriger als in Krankenhäusern. Und es gibt auch Schichtbetrieb, 24 Stunden rund um die Uhr sieben Tage die Woche. Hinzu kam in den letzten Monaten das Corona-Problem, das den Gesundheitsämtern zusätzliche Arbeit macht – mit der Folge, daß die Regelaufgaben derzeit fast total brachliegen.

Was in der öffentlichen Debatte gerne übersehen wird: Die Arbeit in den Gesundheitsämtern dient in erster Linie der gesamten Bevölkerung. Im Mittelpunkt der Arbeit steht also nicht so sehr der Einzelne, sondern die Gesundheit der Bevölkerung.

Fragen, die jeden betreffen könnten

Die Aufgaben der Gesundheitsämter hingegen sind abwechslungsreich und vielfältig, sehr vielseitig und ärztlich herausfordernd – allerdings eingezwängt in die „Rituale“ des öffentlichen Dienstes. Kreativität und Eigeninitiative sind oft nicht gefragt, obwohl die Aufgaben dies erforderten.

Um nur ein paar Stichworte zu liefern: Ob es um Hygienekontrollen in Krankenhäusern und Altenheimen, ob es um die Überprüfung der Lebens- und Transportbedingungen von Nutztieren, die Kontrolle von Lebensmitteln, Schuleingangsuntersuchungen, Untersuchungen von psychisch Kranken oder Migranten, die Verfolgung von Schwarzarbeit durch den Zoll oder die Prüfung von Finanzkonzernen wie Wirecard geht: Die Gesundheitsämter hinken hinter her, es fehlt an einer schnellen Umsetzung selbst bei richtig und notwendig angesehenen Maßnahmen. In den 375 (kommunalen) Gesundheitsämtern gibt´s jede Menge zu tun.

Aber wie so oft in der öffentlichen Verwaltung: Die technische und digitale Entwicklung scheint im vorigen Jahrhundert stehengeblieben zu sein – was sich am Beispiel Corona aufs Trefflichste verdeutlichen läßt: Die regelmäßig zu meldenden Coronazahlen werden per Fax an das Robert Koch-Institut gemeldet – eine Fehlerquelle der besonderen Art.

Eine fehlende oder mangelhafte Ausrüstung verhindert die dringend erforderliche digitale Vernetzung der verschiedenen Stellen von Kommunen, Land und Bund – und, was ebenso bedeutend für die tägliche Aufgabenbewältigung ist, die Vernetzung der Gesundheitsämter untereinander läßt erheblich zu wünschen übrig, gerade auch über Ländergrenzen hinweg.

Gesundheitsdienst dient uns allen. Diesen Stellenwert zu achten, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Er wurde seit Jahrzehnten mißachtet.

www.conservo.wordpress.com     9.9.2020
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