Der „Great Reset“ – eine ernstzunehmende Option oder ein schöner Luftballon?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick BrigGen a.D. und Publizist *)

Der „Great Reset“ – auf Deutsch der „Große Neustart“ – ist ein heißes Thema, das von einer sog. „Elite“ im Frühjahr 2021 bei dem Weltwirtschaftsforum 2021 in Davos der Weltöffentlichkeit präsentiert werden soll. Organisator ist der deutsche Professor Karl Schwab, der aus dem früheren „Jahrmarkt der Eitelkeit“ einen Think Tank der Superreichen – mit z.B. Bill Gates – und globalen politischen Honoratioren – wie z.B. Antonio Guterres, dem Generalsekretär der VN, gemacht hat.

Für sie war der jährliche Besuch in Davos ein „Muss“. Man flog mit Privatjets für wenige Stunden nach Davos – mit einer großzügigen Spende in der Tasche. Man sah „anerkannte“ Persönlichkeiten und wurde gesehen.

Es entwickelte sich ein elitäres „Wir-Gefühl“ mit dem Ziel der Verbesserung der Welt, was im Grunde ein hehres Ziel ist.

Die Welt hat in der Vergangenheit ähnliche Ansätze erlebt – und überlebt. Dieses Mal steckt mehr dahinter – oder?Die Gründung der Vereinten Nationen nach dem 2.Weltkrieg

Nach den verheerenden zwei Weltkriegen und einer Weltwirtschaftskrise wurden die Vereinten Nationen gegründet, um die Welt in eine bessere Zukunft zu führen. Der Koreakrieg Anfang der 50er Jahre mit der Beteiligung der Großmächte China, USA und Russland und anderer Staaten – wie z.B. Australien – wurde der erste große Lackmustest der jungen Vereinten Nationen, den sie nicht bestanden hat. Es folgten weitere Ereignisse bis heute, die die Ohnmacht der Vereinten Nationen offenbarten.

Ein besonderes Problem ist seit Jahren bekannt: Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates mit den Vetomächten, den vier Siegermächten des 2.Weltkrieges, die sich gegenseitig blockieren und damit wichtige Entscheidungen verhindern. Über die Jahrzehnte sind die „Vereinten Nationen“ zu einem zahnlosen Tiger degeneriert.

Die rund 200 Mitgliedsstaaten der VN suchen ihre nationalen Interessen zu schützen und durchzusetzen. Sie profitieren von VN-Geldern zur Verbesserung ihrer Wirtschaft. Sie stellen militärische Einheiten zu „Friedenseinsätzen“ der VN rund um den Globus ab. Die jeweiligen Einsätze dauern um Jahre länger. Der Ruf der Truppen im Verhalten der „Friedenssoldaten“ gegenüber der Bevölkerung wird oft beschädigt.

Die VN können keine Entscheidungen gegen eine Veto-Großmacht durchsetzen. Kann das von einer Nachfolgeorganisation verbessert werden?

Große Ziele des „great reset“ sind eine „neue Weltordnung“ und eine „Weltregierung“ Die Welt soll zentral geführt werden von einer Weltregierung. Die Nationalstaaten sollen mit ihrer Mittelschicht aufgelöst werden. Als Rahmen sieht man in Davos „die vierte industrielle Revolution“ , in der die Weltbevölkerung und die „industrielle Welt“ miteinander verzahnt und versöhnt werden. Wirtschaftliche humane und soziale Belange sowie der Umweltschutz sollen gleichwertig mit den industriellen und wirtschaftlichen Zielen vorgeschrieben werden.

Es stellen sich etliche Fragen in einer „Welt der Unordnung und der Unsicherheit“.

Die derzeitige Corona-Epidemie führt zu einer Re-Nationalisierung in vielen Staaten.

Viele Staaten wollen „first“ sein – von Frankreich bis nach China. Europa ist so zerstritten, dass es kein „Global Player“ mehr ist. Polen und Ungarn nutzen die Schwäche der EU zu nationalen Alleingängen.

Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA ist die Bevölkerung dort tief gespalten. China setzt seine Gesamtstrategie „One belt – one road“ aggressiv fort. Der totale Überwachungsstaat China geht brutal gegen Minderheiten vor. Erderwärmung, Knappheit an Trinkwasser, Überschwemmungen und Dürren sowie menschengemachte Umweltverschmutzung kommen als Langzeitprobleme hinzu. Dazu kann eine Pandemie kommen mit schweren Folgen – soziale, wirtschaftliche, politische, technologische, demographische und gesundheitliche.

In dieser Welt der Unordnung und Unsicherheit muss jeder Staat versuchen, mit diesen Herausforderungen fertig zu werden. Die Bereitschaft, Verbesserungen mit Partnern zu erreichen, ist unterentwickelt. Es gibt hunderte nationale und internationale Programme, die Folgen von Migration zu lindern. Es gibt bescheidene Verbesserungen.

Fehlen einer „Machbarkeitsstudie“

Zu jeder Vision und jedem politischen Vorschlag, der gravierende Veränderungen und tektonischen Verwerfungen bringt, wird gleichzeitig eine sog. „Machbarkeitsstudie“ vorgelegt – als Diskussionsgrundlage. Sie muss deutlich machen, ob diese große Vision überhaupt umsetzbar ist – oder auch nicht.

– Wer schafft die Weltregierung? Eine Gruppe von sehr gut vernetzten Superreichen.

– Wie setzt sich eine Weltregierung zusammen? Sind es die „Wähler“? Ist jeder Kontinent vertreten?

– Welche Stehzeiten soll es geben – max zwei Perioden? Welche Amtssprachen? Rechte der Regierung? Sitz? Nachgeordnete Strukturen ?

– Polizeiliche und militärische Einsatztruppe, Dislozierung, Ausrüstung und Bewaffnung, Personal, Einsatzbereitschaft und Zeitraum ? Bill Gates: „vier Jahre Umbruch“, dann 10 Jahre „Wiederaufbau“.

– Wie ist die Bereitschaft von Weltmächten, Allianzen, EU, NATO sich einer Weltregierung unterzuordnen? Was geschieht, wenn die Unterordnung verweigert wird?

– Von welchen Gesamtkosten ist auszugehen? Schlüssel für Kostenbeiträge? Ohne eine und sich daraus ergebende Verpflichtungen und anteilige Kosten ist keine Entscheidung und kein Beginn eines Umbaus zu verantworten.

Fazit: Die derzeitigen Informationen reichen nicht aus, um ein solch komplexes, risikoreiches Unternehmen mit weitreichenden Folgen verantwortungsvoll zu entscheiden und zu beginnen.

Die Menschen mit ihren nationalen Traditionen, Eigenschaften und Interessen werden zwangsweise in einen globalen Verband integriert. Sie verlieren ihren Bezug zu den gewohnten Nationalstaaten mit ihren gewohnten Gesetzen und Regelungen.

Entwurzelte Menschen sind leichter zu manipulieren.

Wer will das überhaupt? Die Menschen müssen frühzeitig über Chancen und Risiken informiert werden, bevor die Parlamente zustimmen können. Es darf nicht übersehen werden, dass dieses Unternehmen in Verbindung mit den VN- und EU-Migrationsabkommen gesehen werden muss, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die „Aufnahmeländer“ – besonders Deutschland – an ihre Grenzen führen werden.

Die jetzige Weltordnung ist nicht perfekt, aber besser zu verkraften als ein unsicheres Vabanquespiel, das sich eine superreiche Elite ausgedacht hat, die jede Bindung an die Menschen verloren hat.

Der „Great reset“ ist ein heißer Luftballon, der zu einem Totalkollaps führen kann. Es wäre ein globales Chaos mit Jahrzehnten mit Konflikten.

Es würde sich wieder das „Recht der Stärkeren“ durchsetzen.

Es ist erstaunlich, dass die deutsche Öffentlichkeit wenig über dieses gefährliche Unternehmen erfährt – wie vor Jahren bei den VN- und EU-Migrationsabkommen. Die Medien, die mit Sicherheit über den laufenden Prozess informiert sind, schweigen sehr laut.

Es ist schwer vorstellbar, dass die drei Weltmächte USA, China und Indien an ihrer Vormachtstellung Einbußen akzeptieren.

Die Hauptreligionen – wie besonders der Islam – werden ihre Selbstständigkeit behaupten wollen.

Wie kann verhindert werden, dass eine kleine Gruppe von „Superreichen“ die „Weltregierung“ mit gefügigen Funktionären bildet – unterstützt von Organisationen wie die VN, die WHO, die EU, die OECD, dem IWF, die bereits heute „den great reset“ – in Deutsch „ Großer Neustart“ – politisch und finanziell unterstützen?

Es ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt, wie stark das Vorhaben bereits heute ist. Der permanente Stab umfasst über 800 Mitarbeiter, die auf viele Büros – wie z.B. Genf, New York und Peking – verteilt sind. Das Weltwirtschaftsforum vereint weltweit rd. 1000 führende Firmen – wie z.B. Volkswagen und Bertelsmann – mit Spenden und regelmäßigen Beiträgen an das WEF. Es sind die Fangarme einer Riesenkrake, die den Globus umspannen.

„Neue Weltregierung“ ist eine harmlose Formel.

Es kann unterstellt werden, dass de facto „Weltherrschaft“ das eigentliche Ziel ist.

Profitieren werden auch die NGOs, die weltweit vernetzt sind – ohne jede demokratische Legitimation.

  • Die Menschen, die in diesem Umfeld leben müssen, bilden auch durch den Austausch der Menschen eine amorphe Masse – ohne Mittelschicht, die leicht zu manipulieren ist – eine Versklavung der Menschheit.
  • Das Individuum hat ausgedient.
  • Die schwer erkämpfte Demokratie wird verschwinden.
  • Es überlebt der totale Unrechtsstaat – mit Gewaltanwendung und Korruption.

Auch Deutschland hat viel zu verlieren. Es hat daher den Anspruch, vor Ende des Jahres 2020 durch eine Regierungserklärung über Fakten und Hintergründe informiert zu werden, um eine breite nationale Diskussion anzustoßen. . Rien ne va plus.

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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.
www.conservo.wordpress.com   23.11.2020
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Conservo-Redaktion