Der Kirchenrebell folgt gehorsam den konziliaren Beschlüssen zum Islam

Eine Stellungnahme zur Islam-Analyse von Hans Küng

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dr. Udo Hildenbrand

Diese Stellungnahme zur Islam-Analyse von Hans Küng lässt darauf schließen:

Der Kirchenrebell hat in seinem Islam-Engagement die nichtdogmatische Vorgaben des Konzils zum Islam offensichtlich als Dogma missverstanden (!) und dieses in seiner Lehre und in seinen Veröffentlichungen- entgegen seiner sonstigen Gewohnheit – auch gehorsamst (!) verkündet. Hans Küng als Prototyp des in Sachen Islam unkritischen christlichen Theologen, dem im Laufe der Jahre viele islamophile Jünger folgten?

Neu-Istanbul (ehem. Mannheim). Foto: Maria Schneider

Vorbemerkungen:

Vor Beginn dieser Ausführungen sei es erlaubt, einige persönliche Erinnerungen zu berichten. In den 70 er Jahren nahm ich als junger Priester über die Weihnachtszeit an einer Skifreizeit im österreichischen Lech am Arlberg teil. Bei der Konzelebration in der Mitternachtsmesse in Lech am Arlberg sah ich in der Weihnachtsgemeinde zwei weithin bekannte Theologieprofessoren aus Tübingen: Hans Küng und Norbert Greinacher. Begeistert sangen sie mit der Gemeinde das weltberühmte “Stille Nacht” mit seinen Bekenntnisrufen: ”Christ, der Retter, ist da! … Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund.” Sympathisch die anschließende kurze Begegnung in der Sakristei mit dem Austausch von Weihnachtswünschen.

Von den damaligen Tübinger Theologieprofessoren Küng und Ratzinger wusste ich während meiner Studienzeit eigentlich nur soviel: Beide galten als theologische Jungstars. Beide waren Periti (= Experten, Berater) beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Beide kamen – so wurde kolportiert – mit einem recht unterschiedlichen “fahrbaren Untersatz” zur Uni: Ratzinger per Fahrrad, Küng mit seinem Alfa Romeo. Beide sollten später zu den bedeutsamen christlichen Theologen des 20. Jahrhunderts zählen. Beide dürften mit ihren Schriften unzählige Menschen im Glauben gestärkt haben, auch weit über die Katholische Kirche hinaus. Dabei dürften den beiden recht divergierenden theologischen Schriftstellern mit einer Fülle von Publikationen jeweils auch ziemlich stark divergierende “Jüngerschaften” gefolgt sein.

Nicht Hans Küng, sondern sein nahezu gleichaltriger Tübinger Professorenkollege und späterer “Antipode” Joseph Ratzinger hat mir persönlich mit einem Buch in einer entscheidenden Situation im Jahr vor meiner Priesterweihe wertvolle Hilfe geleistet. Neben der Heiligen Schrift sollte mir Ratzingers “Einführung ins Christentum” – eine Interpretation der geistigen Grundlagen des Christentums anhand des Apostolischen Glaubensbekenntnisses – zum wichtigsten Buch meines Lebens werden. In den heftigen christologischen Diskussionen war es für mich 1968 wie ein Anker, das meinem schwankenden Glaubensboot Sicherheit gab, zugleich aber auch hilfreich-befreiende Argumente in den damaligen christologischen Auseinandersetzungen bot.

Jahre später hatte ich die Gelegenheit, mich bei Kardinal Ratzinger für sein für mich so kostbar gewordenes Buch persönlich zu bedanken. Auch die weiteren Veröffentlichungen des “Mozarts der Theologie” haben mich bis zum heutigen Tag begleitet.

Von Hans Küng, dem 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis durch den Vatikan entzogen wurde, habe ich nur ein einziges Buch intensiver gelesen: Der Islam. Geschichte, Gegenwart, Zukunft”, 3. Auflage, München, Zürich 2004 – und zwar im Zusammenhang mit der Erarbeitung meiner Artikel für das Buch “Freiheit und Islam. Fakten – Fragen – Forderungen”, Bad Schussenried 2016. Darin wird in zahlreichen Anmerkungen Bezug genommen auf die Islam-Analyse von Küng. Meine nachfolgende Darstellung mit einer nur kleinen Auswahl von Problemfeldern der Islam-Analyse in Küngs Islam-Buch basiert auf diesen Anmerkungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll darin eine Reihe von Aussagen insbesondere aus der oben genannten umfangreichen Veröffentlichung Küngs in sechs Abschnitten kritisch beleuchtet werden. Die Seitenangaben beziehen sich auf dieses Islam-Buch von Hans Küng.

I. Die Verharmlosung und Bewunderung der kriegerischen Expansionen und Invasionen des Islams

Kennzeichen der Ausbreitung des Islams sind von Anbeginn die vom Koran legitimierten, auch geforderten kriegerischen Expansionen und Invasionen gewaltigen Ausmaßes zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsordnung. Küng hinterfragt nicht diese blutigen Eroberungskriege mit ihren geschätzten 270 Millionen Toten im Laufe des Geschichte. Im Gegenteil! Offensichtlich bewundert er sie und spricht dabei von der “weiteren erstaunlichen Ausbreitung des muslimischen Herrschaftsbereiches, sowohl nach Osten wie nach Westen” (S. 275). Und: “Welch erstaunliche Entwicklung: Keine hundert Jahre nach dem Tod des Propheten erstreckt sich jetzt das arabische Reich buchstäblich von Indien bis Spanien, vom Himalaja im Osten bis zu den Pyrenäen im Westen” (S. 277). Beinahe hymnisch klingen die beiden rhetorischen Fragen des christlichen Theologen zu den islamischen Eroberungskriegen der “Religion des Sieges”:

Neu-Istanbul (ehem. Mannheim). Foto: MS

„Gibt es in der Geschichte der Religionen einen Siegeszug, der so schnell, so weitreichend und zugleich so nachhaltig und dauerhaft verlief wie der Siegeszug des Islam? Wohl kaum. Und verwundert es da, wenn bis heute alle Gefühle des Stolzes auf Seiten der Muslime in diesen … Erfahrungen der Frühzeit wurzeln? Der Islam ist ‘eine Religion des Sieges!’“ (S. 279).

Mit dieser kaum verheimlichten Bewunderungshaltung übernimmt Küng exakt die Einstellung der muslimischen Welt, die in den erfolgreichen kriegerischen Eroberungen des Islams den göttlichen Beweis der Wahrheit ihrer Religion sieht. E. v. Grunebaum sieht diesen Zusammenhang im Blick auf die kriegerischen Erfolge Mohammeds, die als Bestätigung der Wahrheit seiner Lehre von gläubigen Muslimen erkannt werden.:

 „Dem gläubigen Muslim will Auftreten und Aufstieg seiner Religion als ein Wunder erscheinen; der überwältigende Erfolg der Sendung des Propheten ist ihm die schlagende Bekräftigung ihrer Wahrheit.“

Während Hans Küng die rasanten und erfolgreichen Eroberungskriege des Islams bewundert, steht er mit einem lapidaren Satz wie völlig gleichgültig dem Verschwinden des Christentums in Nordafrika gegenüber: “Und in einem längeren Prozess nach diesen Eroberungen ist schließlich auch das Christentum Nordafrikas verschwunden” (S. 279).

II. Die “Goldene Regel” der Gegenseitigkeit: Kein ethisches Prinzip im Islam

Die “Goldene Regel“ im Wortlaut eines gereimten Sprichwortes: „Was du nicht willst, das man dir tut , das füg auch keinem anderen zu“ ist ein Grundsatz der praktischen Ethik mit Universalcharakter. Dieser Grundsatz, nach dem sich Menschen – unabhängig von ihrer Rasse, ihrem Geschlecht und ihrer Religionszugehörigkeit – gegenseitig so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollen, ist bereits im Alten und Neuen Testament sowie auch in Texten anderer Kulturkreise aus dem 7. Jahrhundert vor Christus bekannt. Die “Goldene Regel“ wurde zu einer grundlegenden Norm christlicher Ethik und spiegelt sich auch in Kants Kategorischem Imperativ. Als universale Lebensregel der Gegenseitigkeit wird die „Goldene Regel“ auch zum immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit gezählt.

Die konsequente Befolgung der ”Goldenen Regel“, das konsequente Handeln nach dem Prinzip der Wechsel- und der Gegenseitigkeit im Sozialverhalten durch alle Religionen und Weltanschauungen – unter striktem Ausschluss religiös-missionarischer oder polit-ideologischer Zwangsbekehrungsversuche – könnte entscheidend zum tatsächlichen Frieden und zur Toleranz unter den Menschen und Völkern beitragen.

Unter der Überschrift “Gemeinsame ethische Werte und universale menschliche Werte” nimmt Küng Bezug auf sein Projekt “Weltethos” und erwähnt dabei dreimal die “Goldene Regel”, verbunden mit der nicht belegten Behauptung, sie sei ”in allen religiösen und humanistischen Traditionen” verwurzelt. Zugleich bezeichnet er sie als “ersten großen gemeinsamen Wert der Menschheit” (S. 778, vgl. auch in vorliegender Dastellung Absch. VI).

Der Islam wird in diesem Kontext von ihm nicht ausdrücklich erwähnt. Zweifelsfrei schließt er ihn aber mit ein, da er von “allen religiösen …Traditionen” spricht. Mit folgendem Zitat will er sodann belegen, dass auch in der Sunna die “Goldene Regel” überliefert ist: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht“ (S. 780). Dass diese Aussage – ganz dem islamischen Selbstverständlich entsprechend – ausschließlich innerislamisch zu verstehen und auf die muslimischen Glaubensbrüder beschränkt ist, wird von Küng offensichtlich ideologiebedingt geflissentlich übersehen.

Die “Goldene Regel” als ein auf alle Menschen, nicht nur auf Muslime bezogener Grundsatz der praktischen Ethik ist im Koran weder inhaltlich noch formal nachzuweisen. Im Gegensatz zu Schriften andere Kulturkreise legt der Koran also keine Version dieser Regel vor. Im Gegenteil. Der Islam formuliert mit unübersehbarer Deutlichkeit seine Überlegenheit gegenüber den Andersdenkenden/-glaubenden bzw.den sogenannten Ungläubigen. Männer und Frauen, „Schutzbefohlene“ bzw. „Ungläubige“haben einen sehr unterschiedlichen ethischen und rechtlichen Status, bis hin zur Sklaverei. Alle diese Arten von Unterschiedlichkeit stehen im klaren Widerspruch zur „Goldenen Regel“. Dadurch kann der Koran in ethischer Hinsicht sogar definiert werden als ein Gegenentwurf zur „Goldenen Regel“. Auch die islamische Geschichte ist bis zum heutigen Tag keineswegs eine Geschichte der “Goldenen Regel”. Für Küng haben diese Fakten offensichtlich keine Bedeutung, stehen sie doch im Widerspruch zu seiner Weltethos-Ideologie.

III. Die Kreuzzugsbewegung und eine hanebüchene Fehleinschätzung der islamischen Geschichte

Im Kontext seiner 2,5-seitigen Ausführungen zu den Kreuzzügen (1095-1291) bezeichnet Hans Küng die Geschichte des Islams als “glorreiche Geschichte” (S. 383, vgl. auch S. 708f.). Die Geschichte einer Religion, die von ihren Anfängen an als eine blutige Geschichte zu brandmarken ist, ungeniert als eine “glorreiche“ zu bezeichnen, ist nicht zu fassen. Eine hanebüchenere Fehleinschätzung und Missinterpretation der islamischen Geschichte ist wohl kaum denkbar. Man meint, eine islamische Propagandastimme zu hören! Oder ist das nicht anderes als Anbiederei pur an die Religion Mohammeds?

Im Kontext der Kreuzzugsthematik verliert Küng kein einziges Wort zu den blutigen Raub-, Eroberungs- und Versklavungskriegen der Muslime, die der Kreuzzugsbewegung jahrhundertelang vorausgingen und auch noch jahrhundertelang folgten. Von der Zeit Mohammeds an bis zum Beginn der Kreuzzüge wurde insgesamt über die Hälfte der zuvor von Christen besiedelten Territorien erobert und islamisiert, „äußerlich gesehen für die Christenheit eine Niederlage von welthistorischer Tragweite.“ (S.277). Was heißt hier ”äußerlich gesehen”? Was würde “innerlich gesehen” bedeuten?

Völlig fremd sind Küng offensichtlich auch etwa folgende schlichte, aber grundlegende Fragen zur islamischen Eroberung und Unterdrückung in Nordafrika, Südeuropa und im Vorderen Orient, ebenso in Asien:

Wer war denn eigentlich zuerst da, z. B. im Heiligen Land, in Nordafrika, in Spanien? Wer ist später hinzugekommen? Juden? Christen? Muslime? Mit welcher Berechtigung, mit welchen Mitteln und Methoden gingen die später Hinzugekommenen gegen die Ansässigen vor? Sollten diejenigen, die zuerst da waren, die verschiedenen Formen des Unrechts, der Drangsalierung der Gewalt und der Unfreiheit einfach wehrlos akzeptieren, die von jenen praktiziert wurden, die hinzukamen? Ist es berechtigt und zu rechtfertigen, durch Kreuzzüge und Rückeroberungen zu versuchen, den früheren Rechtszustand, der durch muslimische kriegerische Gewalt beendet wurde, wiederherzustellen?

Vor dem Hintergrund massiver Anschuldigungen könnten auch folgende Fragen gestellt werden: Sind da wirklich Zehntausende wildgewordener, barbarischer Abendländer grundlos und ungefragtin ein kultiviertes, friedliches und tolerantes Land des Orients eingefallen, um es mit unvergleichbarer Brutalität niederzumachen, zu berauben und überdies den Eroberten auch noch den christlichen Glauben aufzuzwingen? Die geschichtliche Wirklichkeit zeigt ein recht differenziertes Bild.

Als Theologe hinterfragt Küng auch nicht die Basistexte des Islams, Koran und Sunna, mit ihren zahlreichen Aufforderungen zum Töten und zum Kampf mit den Waffen, aus denen deutlich wird, dass diesem Kampf im Namen des Islams keinerlei Absage erteilt wird. Ebenso befragt er nicht das islamische Konzept, das hinter den jahrhundertelangen Eroberungskriegen des Islams steht und sich in zahlreichen Koranversen spiegelt: „Aus euch soll eine Gemeinschaft (von Leuten) werden, die … gebieten, was recht ist, und verbieten, was verwerflich ist“ (Koranvers 3,104; vgl. 9,71 u.a.m.).

In diesen Passagen über die Kreuzzüge stellt Küng zwar eine Reihe von (wiederum nur kirchenkritischen) “Fragen zur Kreuzzugsmentalität” der Christen (S. 383), über die ursprünglichen Motive aber und die möglichen Legitimationsgründe der Christen, die zur Kreuzzugsbewegung führten, gibt er keinerlei Hinweise. Das “Projekt der Re-Christianisierung” (Bassam Tibi) zählte jedenfalls nicht dazu. So übersieht Küng etwa folgende Motive und Gründe:

  1. Der Schutz der in ihrer Existenz bedrohten orientalischen Christen.
  • Die Solidarität der abendländischen Christenheit mit dem vom Islam bedrängten byzantinischen Kaiserreich und den orientalischen Kirchen, die durch byzantinische Kaiser die westliche Kirche um Beistand baten.
  • Die legitime Selbstverteidigung der Christen zum Schutz ihrer Freiheit, Kultur und Identität gegenüber den aggressiven Eroberungsfeldzügen islamischer Völker seit dem 7. Jahrhundert und den seither andauernden Repressionen.
  • Das Absichern und Offenhalten der Pilgerwege aus Europa ins Heilige Land hinsichtlich der Überfälle und Raubzüge der Muslime auf friedliche Pilgergruppen.
  • Die Befreiung Jerusalems von der islamischen Herrschaft nach der erneuten Eroberung, diesmal durch die islamisch-türkischen Seldschuken im Jahre 1071, und damit verbunden der Schutz der christlichen Stätten im Heiligen Land vor deren Schändungen und der weiteren Zerstörungswut von Muslimen.
  • Das ausdrücklich formulierte Ziel des Papstes: Die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der lateinischen mit der byzantinischen Kirche nach dem Schisma 1054.
  • Der Schutz des christlichen Europas vor islamischer Bedrohung und Herrschaft vom Südwesten (Spanien), Süden (Italien) und Südosten (Byzanz) her.

Die Kreuzzugsbewegung war eine not-wehrende, aber auch eine not-wendige und zugleich eine not-volle Reaktion auf die jahrhundertelang vorausgegangenen islamischen Aggressionen, Expansionen und Invasionen. Dabei ist ausdrücklich festzuhalten: Auch berechtigte Verteidigungskriege bewahren nicht vor Versagen und vor Schuld, die sich Einzelne oder auch viele Beteiligte im Zuge der Umstände und Handlungen auflasten.

Alle diese verschiedenartigen Aspekte scheinen Küng bei seinen Aussagen zu den Kreuzzügen nicht in den Blick gekommen zu sein.

Schulklasse in Frankfurt / Main. Indigine Deutsche sind nicht mehr zu erkennen.. Foto: Maria Schneider

IV. Sultan Saladin: Dichtung gegen historische Wahrheit

Der ägyptische Sultan Saladin wurde zu seiner Zeit (1137-1193) von Muslimen als „Zweiter Joseph von Ägypten“ gefeiert. In Europa wurde er als der bekannteste islamische Herrscher dargestellt. Dabei wird er auf bizarre Weise idealisiert und mit Bewunderung stilisiert als der „edle Heide“, als „Freiheitsheld“ bzw. als „der Größte” aller Helden der muslimischen Welt“, zugleich als der Vorkämpfer der Aufklärung. In romantischer Verklärung war auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. von Sultan Saladin fasziniert. Wiederum ohne kritische Bemerkung verweist Küng auf den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein (1938-2006), der ebenfalls in Saladin eines seiner Vorbilder sah (vgl. S. 545).

Romantisierend hat vor allem G. E. Lessing (1729-1781) in seinem Stück “Nathan der Weise“ Saladin das literarische Denkmal des vorbildhaft toleranten islamischen Herrschers gesetzt, auch zum Vorbild für jeden Christen (vgl. S. 39). Von Friedrich Schiller wurde der zum Mythos erhobene Saladin allerdings viel skeptischer und zurückhaltender beurteilt.

Küng bestätigt diesen Saladin-Kult erneut ohne kritische Anmerkung: Saladin werde “auch in Europa respektiert” und gelte “als Vorbild eines ritterlichen Menschen” (S. 37). Zwar verhalten, stimmt er dennoch in den Chor der Saladinbewunderer ein: Er sieht in ihm das Vorbild des “aufgeklärten Muslim” und bezeichnet ihn zugleich als bedeutend (vgl. S. 39). Zugleich schwärmt er davon, dass es Saladin durch “eine kluge Politik und überlegene militärische Strategie” im Jahre 1187 gelungen sei,”das Königreich Jerusalem zu zerschlagen” (S. 385).

Bei dieser Redeweise vom Zerschlagen Jerusalems muss man sich vorstellen: Jerusalem war nach damaligem (christlichen) Verständnis das spirituelle Zentrum der Christenheit, ja “der Nabel der Welt”, ähnlich wie Mekka für die Muslime: Jetzt ist es den Heiden ausgeliefert. Und der christliche Theologe Küng äußert sich wie beifallklatschend und zugleich empathielos so: Es ist gelungen, zu zerschlagen!

Dass dieser angeblich so aufgeklärte und bedeutsame Sultan Saldin einen der größten islamischen Mystiker hinrichten ließ, wird zwar auch von Küng erwähnt, jedoch gleichsam nur “so nebenher” und in einem Klammersatz (vgl. S. 473). Gefangene Kreuzfahrer ließ Saladin nicht etwa aus Großmut nicht töten, sondern um sie zurückzubehalten „als Trumpf in etwaigen Verhandlungen.“ Zum historischen Hintergrund von Lessings „Nathan der Weise“ stellt die türkischstämmige Soziologin und Publizistin Necla Kelek nüchtern fest:

“Saladin im Stück …hat nichts von dem, was wir von dem Herrscher als historische Gestalt wissen. Saladin ließ die Tempelritter unbarmherzig hinrichten. Dass er einen von vielleicht Tausenden überleben ließ, erscheint im Stück als Güte und Toleranz – ein dramaturgischer Kniff, der nur funktioniert, wenn man die historischen Tatsachen ausblendet.”

Der so berühmte, glorifizierte Sultan Saladin ist somit als berüchtigter islamischer Gewaltherrscher entlarvt, der „tötete, um dem Islam Leben zu geben.“ Der ihm vom Kalifen in Bagdad verliehene Ehrentitel „Schwert des Islam“ wird ihm und seinem Leben unter seinen vielen Ehrentiteln wohl am ehesten gerecht. Denn sein Leben veranschaulicht, „dass seine Handlungsweise den Geboten und Verboten des Koran entsprach” (H. Möhring) Für Küng scheint jedenfalls die Gestalt des historischen „Dschihad-Saladin” nicht so wichtig wie jene des erdichteten „Lessing-Saladins“.

Wir haben keinen anderen großen Referenztext in der deutschen Literatur, wenn es um das Verhältnis von Juden, Christen und Muslimen geht” (S. 39).

Ideologie und Dichtung ersetzen offensichtlich historische Wahrheit und Realität – nicht nur bei Küng.

V. Verschweigen der misslungene Franziskanermission mit Todesfolgen

Erst im 13. Jahrhundert- über 100 Jahre nach dem ersten Kreuzzug –begannen Franziskanermönche mit der Mission unter Muslimen in jenen Gebieten, die von den Kreuzfahrern besetzt worden waren. Allerdings blieb dieser Versuch weitgehend erfolglos, letztlich unter anderem auch das Bemühen des heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226).

Gewiss hatte der ”Mann aus Assisi”- “ohne Kenntnis des Islam” (S. 36) – das große Glück, im ägyptischen Damiette einem ihm persönlich wohlgesonnenen Sultan al Malik al-Kamil zu begegnen. Von dieser Begegnung im Jahre 1219 berichtet auch Küng (ebd.) mit dem kirchenkritischen Hinweis, “dass das Unternehmen des heiligen Franziskus das genaue Gegenteil jeglicher Kreuzesmystik“ war (ebd., 37).

Doch jeder, der in Sachen Islam auch nur einigermaßen informiert ist, wird in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Was wäre wohl passiert, hätte Franziskus von seinen Missionierungsplänen in Ägypten nicht umgehend Abstand genommen? Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre sein Los das Gefängnis oder gar der Märtyrertod gewesen. In diesem Zusammenhang ist auffallend: Während Küng die Kenntnislosigkeit des heiligen Franziskus bzgl. Islam kommentarlos hinnimmt bzw. nur indirekt auf das “Risiko der Martyriums” verweist (S. 36), moniert er das Desinteresse des heiligen Thomas von Aquin “für den Koran oder Gespräche mit Muslimen” (S.37).

Nach seinem gescheiterten Missionsversuch konnte Franz von Assisi unversehrt seine Heimreise antreten. Andere Franziskaner mussten ihre Zuwendung zu Muslimen mit dem Tod bezahlen. So wurden etwa ein Jahr nach dem oben erwähnten Aufenthalt des heiligen Franziskus in Ägypten (1219) fünf Franziskaner von Muslimen in Marokko grausam ermordet. Es sind die ersten Märtyrer des Franziskanerordens.

Einige Jahr später sollte der islambegeisterte Katalane Raimundus Lullus (1232-1316) das gleiche Schicksal erleiden. Er war Franziskanerterziar. Als Philosoph, Theologe und Mystiker bewunderte er jahrzehntelang den Islam, verbunden mit einer außergewöhnlichen Toleranz gegenüber dieser Religion. Beide Religionen, Christentum und Islam, wollte er miteinander versöhnen. Doch am Ende seines Lebens resignierte er, weil er die Ausweglosigkeit seines Vorhabens erkannt hat. Von Muslimen gesteinigt, wurde er später von Papst Pius IX. als Märtyrer seliggesprochen. Im Blick auf seine enttäuschte Liebe zum Islam kann der selige Raimundus Lullus mit Recht auch als tragische Symbolfigur der fundamentalen Unvereinbarkeit beider Kulturen“ (H.-P. Raddatz,Orientalist) bezeichnet werden.

Küng erwähnt drei Reisen von Raimundus Lullus nach Nordafrika, nicht ohne dabei erneut einen Seitenhieb auf die Kirche zu unterlassen: Lullus habe sich im Dialog mit den Muslimen “weniger auf kirchliche Dokumente als auf Vernunftgründe gestützt” (S. 37). Dabei zeigt er nicht auf, welcher Art diese kirchlichen Dokumente waren. Mit ziemlicher Gewissheit hatten sie für Küng ja auch weniger mit Vernunft zu tun. Jedenfalls bestätigt er, dass der Philosoph ebenfalls keinen Erfolg hatte: “Zweimal deportiert, wird Lullus auf der dritten Reise derart gesteinigt, dass er auf der Heimfahrt stirbt” (ebd.). Mit dieser Formulierung vermeidet Küng offensichtlich, die Muslime als zweimalige Deporteure und sowie auch als Steiniger des einst islamophilen Franziskanertertiars ausdrücklich zu benennen. Im Register des Islambuches von Küng fehlt übrigens unter dem Namen Raimundus Lullus die Seite 37 mit den letztgenannten Informationen. Nur eine Formalie?

VI. Vorgetäuschte gemeinsame “ethische Standards und universale menschliche Werte”

Das Projekt „Weltethos“ soll nach den Vorstellungen seines Initiators Hans Küng ein gemeinsames Ethos aller Weltreligionen mit verbindenden und verbindlichen Normen, Werten und Zielen konzipieren. Küng glaubt, dass es eine Reihe von Werten und Standards gibt, “die sich in allen großen religiösen und philosophischen Traditionen finden, auch im heiligen Buch der Muslime, dem Koran …” (S. 779) Sie sollen das Zusammenleben der Menschen “auf diesem Globus” durch ein “gemeinsames Ethos” (S. 778) “begründen, bestätigen und bekräftigen” (ebd.).

Dabei nimmt Küng die Feststellung eines indischen Islamgelehrten gern entgegen und hält sie für bare Münze, dass nämlich “die Erklärung vom Weltethos ganz in Übereinstimmung mit dem Geist des Islam steht” (S. 779). Von einem muslimischen Gelehrten aus Indien lässt sich Küng bestätigen, dass sein Projekt Weltethos mit “dem Geist des Islam” übereinstimmt. Irgendwelche Begründungen für diese – wie Küng selbst schreibt – “lapidare Schlussfolgerung” (ebd.) des indischen Muslimgelehrten werden von Küng nicht genannt.

Unterführung Hauptbahnhof Neu-Istanbul (ehem. Mannheim). Foto: MS

Dann aber spricht er selbst von ”vier elementaren ethischen Verpflichtungen” (ebd.), die auch im Koran begründet seien. Das lässt aufhorchen. Küngs ethische Vorstellungen sind korankompatibel? Das macht einen Islam-Informierten im Blick auf das Projekt Weltethos zunächst einmal skeptisch. Seine kurzen Begründungen können hier nur eher stichwortartig, z. T. auch in Form von Zitaten beantwortet werden. Alle eher fragmentarischen Küng-Aussagen stehen auf den Seiten 779f. seines Islam-Buches. Die Gegenposition (= “Dagegen”) lässt sich bei den vier folgenden Abschnitten von der skeptischen Frage leiten, die auf die vier Überschriften bezogen ist: “Wirklich ganz in Übereinstimmung mit dem Geist des Islams?”

“Eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor dem Leben

Küng: “´Nicht töten´, foltern, quälen, verletzen

Dagegen: Die Fülle von Gewaltaussagen und Tötungsaufrufen im angeblich ewig gültigen Koran, in der islamischen Doktrin, auch in der Lebensgeschichte Mohammeds und in der Gewaltgeschichte des Islamssprechen eine gänzlich andere Sprache. Mit seinem universalistischen, totalitären Anspruch der auch gewaltsamen Weltbeherrschungerklärt der Islam der gesamten nichtmuslimischen Welt permanent den Dschihad. Der Islam ist also keineswegs eine friedfertige und tolerante, sondern eine gewaltlegitimierende Religion.

Küng: Im Koran stünde, “dass die Tötung eines unschuldigen Menschen der Tötung der gesamten Menschheit gleichkomme”.

Dagegen: Um die Friefertigkeit des Islams zu beweisen, wird von Muslimen allzu gern der AphorismusWer einen Menschen tötet, tötet die ganze Welt” als Koranzitat ausgegeben und zitiert. Diese Aussage steht so nicht in Sure 5,32. Sie ist ein Zitatenmix. Es gibt kein ausdrückliches und generelles Tötungsverbot für Muslime, wie hier von Küng insinuiert. Die Nachfolgesure 5,33 ist ein eindeutiger Aufruf zum religiös begründeten Töten.

Küng: In Hadithen: Der Prophet war “um die Tiere und die Natur besorgt”.

Dagegen: Hunde und Schweine gelten im Islam als unrein. ”Wer Andersgläubige und Andersdenkende zu Tieren macht, ebnet den Weg für Terror und Mord” (H. Abdel-Samad, Autor). Hier werden von Küng permanent und bestenfalls Halbwahrheiten serviert.

“Eine Kultur der Solidarität und einer gerechten Wirtschaftsordnung

Küng: “Handle gerecht und fair”.

Dagegen: Handeln nach dieser Devise ist nicht einmal innerislamisch selbstverständlich, siehe Beziehung Mann-Frau sowie die Behandlung von Nichtmuslimen.

Küng: Solidarität: Der Koran verlange, Überschüsse mit Armen zu teilen, die obligarorische Sozialabgabe sei “sogar einer der fünf Pfeiler des Islam”.

Dagegen: Mit der Armensteuer (Zakat) wurde/wird auch der “Heilige Krieg” mitfinanziert. Alle Aussagen zur Solidarität haben bestenfalls innerislamische Relevanz. Nichtmuslime werden in die muslimische Solidarität nicht einbezogen.

Küng: ”Eine ungerechte Gesellschaftsordung kann keine islamische Ordnung sein.”

Dagegen: In der islamischen Gesellschaftordnung haben die Mitglieder des Gemeinwesens keineswegs die gleichen Rechte und Pflichten. Alle Rechte und Freiheiten unterliegen der islamischen Scharia. Jede islamische Ordnung ist somit von Ungerechtigkeit geprägt.

“Eine Kultur der Toleranz und des Lebens der Wahrhaftigkeit

Alte, restinidgene Deutsche am Bahnhofsvorplatz Mainz. Foto: MS

Küng:Sprich und handle wahrhaftig – ´Nicht lügen´, täuschen, fälschen, manipulieren! Die Ethik des Koran ist wesentlich auf Wahrheitstreue gegründet”

Dagegen: a) Toleranz: Weil der Islam die Wesensmerkmale der Gegenseitigkeit und Wechselseitigkeit (Reziprozität) der Menschen in ihrem sozialen Verhalten in einem universalen Sinne nicht kennt, ist er mit Recht als von Natur aus intolerant zu bezeichnen.

b) Wahrhaftigkeit: Im Islam istTaqiyya” möglich = das zweckdienliche Lügen, Verleugnen, Verstellen, Betrügen, Verschleiern, Verheimlichen, auch das arglistige Täuschen, Heucheln usw. aus persönlichen, religiösen sowie auch aus politstrategischen oder wirtschaftlichen Absichten und Erwägungen. Zur legitimierten Taqiyya im Islam der Muslimführer N. Safavi:

„Es heißt: Du sollst nicht lügen! Dienen wir allerdings dem Willen Allahs, so gilt ein anderes Prinzip. Er lehrt uns zu lügen, auf dass wir uns in heiklen Situationen retten und unsere Feinde verwirren. Sollten wir ehrlich bleiben auf Kosten einer Niederlage und einer Gefahr für den Glauben? Wir sagen NEIN“.

Eine Kultur der Gleichheit und der Partnerschaft von Mann und Frau” –

Küng: ”Im Prinzip gibt der Koran Frauen und Männern den gleichen Status”.

Dagegen: Zitat a: “Die arabische Gesellschaft ist von der Gleichberechtigung der Geschlechter weiter entfernt als die Sonne vom Mond”. (Karen Krüger, Redakteurin).

Zitat b: “Der Leitgedanke der Ungleichheit ist tief im Islam verwurzelt und fest in der Scharia- Gesetzgebung verankert” (S. James, Autorin).

Zitat c: “Nach klassischer islamischer Rechtsauffassung ist eine Gleichberechtigung von Andersgläubigen ausgeschlossen … Liberale Muslime, die für Gleichberechtigung eintreten, werden von Islamisten, aber auch von sehr konservativen Muslimen als ´Abgefallene´ verunglimpft” (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte)

Die islamische Rede von der gleichen Würde, von der Gleichheit und der Gleichwertigkeit ausnahmslos aller Menschen in der Gesamtheit der Rechte und Verantwortungsbereiche ist de facto als inexistent zu betrachten. Im Islam sind die verschiedenen Formen von Apartheid angelegt und werden auch praktiziert: Geschlechter-Apartheid, Religions-Apartheid, Menschheits-Apartheid.

Zur Veranschaulichung des Umgangs von Hans Küng mit Anfragen zum Islam an dieser Stelle noch folgende Episode. Sie entspricht wohl nicht ganz den selbstgesetzten Maßstäben seines wirklichkeitsfremden Weltethos-Projektes und wirft vor allem auch ein sonderbares Licht auf seine Koraninterpretationen:

Hans Küng, dem auch Relativismus und Religionsvermischung vorgeworfen wird, sagte in einer Fernsehsendung, dass Gott uns so nahe sei wie die Halsschlagader – wie es bei den Muslimen heiße. Nach der Sendung wurde er von einem Zuschauer – einer dem Verfasser bekannten Person – schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass es bei den Koranversen 50,16 ff. nicht um eine innige Zuwendung Allahs zu den Menschen gehe, sondern im Blick auf das Endgericht um eine lückenlose Kontrolle und Aufzeichnung aller Regungen des Menschen. Der Koraninterpret habe die Koranstelle falsch interpretiert. Küng teilte dem Schreiber per Mail mit, er erhalte so viele Zuschriften, dass er nicht auf alle Zuschriften antworten könne.

VII. RESÜMEE

  1. Die Überschrift zu dieser Stellungnahme “ Der Kirchenrebell folgt gehorsam den konziliaren Beschlüssen zum Islam” will signalisieren: Der als Papst- und Dogmenkritiker bekannte Schweizer Theologieprofessor Hans Küng, der seit Jahrzehnten zur intellektuellen Avantgarde zählt, hat in erstaunlichem Gehorsam die islambezogenen Leitlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1065) befolgt, auf dem er als “theologischer Jungstar” zum beratenden Experten berufen wurde. So auch die Leitlinie von Nostra Aetate, Nr. 3, die in Sachen Islam zur Vermeidung der Erinnerungskultur und zur Einführung der Vergessenheitskultur aufruft.

Nach dieser Leitlinie müssten die Christen und Muslime mit ihrer gegenseitig belasteten Geschichte bemüht sein, „das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen …“. In diesem Falle wird also keine Erinnerungskultur gefordert nach der Devise „Nie wieder“,was in anderen Fällen in der Regel jedoch mit großem Nachdruck und auch mit Recht geschieht. Wird hier der im Islam üblichen Verdrängungs- und Vergessenheitskultur das Wort geredet?

Doch niemals darf es dazu kommen, dass die Vergessenheitskulturdie Erinnerungskultur verdrängt, auch nicht im Islam. Der christliche Glaube lebt geradezu von der Erinnerungskultur. So ereignet sich das biblische “Heute ist diesem Hause Heil widerfahren …” (Lukas 19,9) immer auch im je aktuellen Heute. Gleicherweise gilt: Wer Versagen und Schuld der Vergangenheit leugnet, verdrängt und vergißt, läuft Gefahr, dass sich in der Gegenwart oder in der Zukunft genau diese Schuld, genau dieses Versagen wiederholt.

Jedenfalls war beim Konzil jene biblische Mahnung, sich der Vergangenheit und ihren Auseinandersetzungen mit dem Islam zu erinnern, offenbar unerwünscht: „Frag deinen Vater, er wird es dir erzählen, frag die Alten, sie werden es dir sagen“ (Deuteronomium 32,7). Mit Hinweisen auf schwerwiegende theologische und ethische Schwächen und Probleme der Religion Mohammeds, die der der Dynamik des christlich-muslimischen Dialogs vermeintlich entgegenstehen, wurde in Kontext der Islamthematik vom Konzil offensichtlich zur Haltung des Vergessens, des Übersehens und Ausblendens z.B. geschichtlicher Fakten aufgerufen.

Die hier vorgelegte Stellungnahme zur Islam-Analyse von Hans Küng lässt darauf schließen:

Der Kirchenrebell hat in seinem Islam-Engagement diese nichtdogmatische Vorgabe des Konzils zum Islam offensichtlich als Dogma missverstanden (!) und dieses in seiner Lehre und in seinen Veröffentlichungen – entgegen seiner sonstigen Gewohnheit – auch konsequent und gehorsamst (!) verkündet. Ist die Frage berechtigt: Hans Küng als Prototyp des in Sachen Islam unkritischen christlichen Theologen, dem im Laufe der Jahre viele islamophile Jünger folgten?

2. Aus den sechs hier ausgewählten Themenfeldern können aus Küngs Analysen und Darstellungen folgende Vorwürfe entnommen werden:

– Einseitige Positionierung zulasten der Katholischen Kirche

– Empathielosigkeit

– Gleichgültigkeit gegenüber dem Christentum

– Übernahme von muslimischen Verhaltensweisen

– Fehleinschätzungen – Unstimmigkeiten

– Halbwahrheiten

– Ausblenden der Realität

– Verharmlosen

– Mangelndes Hinterfragen

– Ignorieren von Fakten

– Kritikloses Hinnehmen

– Ideologiebedingtes Beurteilen und Argumentieren

– Ideologiebedingte Falschaussagen

– Realitätsferne

– „Umschleichen“ unangenehmer Themen

– Idealisierung

– Übernahme muslimischer Argumentation

– Anbiederung an den Islam

– Bewunderung und mehr als fragwürdige Glorifizierung des Islams.

Bahnhofsvorplatz Höchst. Foto: Maria Schneider

Nach Michael Rhonheimer SJ, Theologieprofessor und Autor, der sich mit dem Islam intensiv beschäftigt, kann die Islam-Sicht Küngs mit den Stichworten umschrieben werden: Unterschätzen, Banalisieren, Ausklammern, Hohnsprechen.

Küng formuliert folgenden Selbstanspruch eines christlichen Theologen bzgl. Islam: „Auch wenn man als christlicher Theologe entschieden das Zerrbild des Islam bekämpft, so heißt das noch lange nicht, dass man einem Idealbild des Islam zu huldigen hätte“ (S. 43). Genau das aber tut Küng nach Ausweis dieser Darstellung. Indem er nämlich dem Islam wie blind huldigt, sich bzgl. dieser Religion als Realitätsverweigerer zeigt, zeichnet er zugleich auf seine Weise ein Zerrbild des real existierenden Islams.

3. So ist man gelegentlich beinahe sprachlos über die banalen, unstimmigen, realitätsfernen und schnell widerlegbaren Erklärungsversuche des weltbekannten Theologen Hans Küng, gar schockiert, wenn man etwa seine voluminöse und zugleich geschichtsverfälschenden Aussage von der “glorreichen Geschichte des Islam” liest, die in Wirklichkeit von Anfang an eine Geschichte voller Gewalt und blutiger Kriege ist. Mit dieser Aussage lässt sich auch exemplarisch aufzeigen die “maßlos einseitige Sicht Küngs auf sämtliche relevanten Themen der Theologie” (Jürgen Henkel).

Man fragt sich z. B auch: Wo sind die von Küng aufgezeigten kulturellen Werte als universale, also nicht auf Muslime beschränkte Werte im Koran selbst belegbar und vor allem auch in der heutigen islamischen Lebensrealität nachweisbar? Wird hier von Küng nicht ein Phantom-Islam, ein Islam im „Land Utopia“ gezeichnet, der aber auch rein gar nichts zu tun hat mit dem real existierenden Islam in seinen unterschiedlichen Ausprägungen? Bei nicht wenigen Erklärungs-Passagen meldete sich beim Verfasser dieser Stellungnahme unüberhörbar der Begriff “Taqiyya” im Hinterkopf. Manchmal meint er auch, eine islamische Propagandastimme zu vernehmen mit ihren Parolen und Argumenten. Hat er dabei womöglich eine kirchenfreundliche Aussage Küngs überlesen?

Der evangelische Pfarrer und Dechant Dr. Dr. Wolfgang Wünsch schrieb eine seiner beiden Doktorarbeit über die küngsche Theologie der Weltreligionen. Dazu Jürgen Henkel : “Wünsch führt Küng nüchtern als einen Autor vor, der alle Religionen lobt, außer seinen eigenen, deren Bekenntnis er relativiert und deren Traditionen, Lehre und System er ablehnt.”

4. Der Verfasser dieser Stellungnahme erhebt natürlich keineswegs den Anspruch, darin das umfangreiche Werk von Hans Küng “Der Islam” umfassend analysiert zu haben. Die sechs hier aufgezeigten Themenbereiche aber dürften die daraus gewonnen Erkenntnisse jedoch keineswegs in Frage stellen.

VIIL. Mitgelauscht an der Himmelspforte: Eine Schlussgeschichte

Die Jahre sind ins Land gezogen. Papst Benedikt klopft zaghaft an der Himmelspforte. Es dauert etwas, bis sich das schwere Tor knarrend bewegt. Endlich. Ganz langsam, beinahe feierlich öffnet sich die schön geschmückte Pforte. O Schreck! Nicht wie erwartet, steht der Himmelspförtner Petrus, sein erster Papstkollege vor ihm, sondern Hans Küng, ehemals Professorenkollege aus Tübingen. Beide sind mehr als überrascht, begrüßen sich jedoch mit offenen Armen so brüderlich, als ob es in früheren Zeiten zwischen ihnen nie Probleme und  mit dem kirchlichen Lehramt auch keine jahrelangen Auseinandersetzungen gegeben hätte.

Küng: (mit einem langgezogen-freundlichen schwyzerdütschen) Grüezi, mein lieber Joseph!

Ratzinger: (verhaltener, mit einem wohlklingenden bayrischen) Servus, Grüß Gott, mein lieber Hans!

Alle Verärgerung, alles Bedrücktsein, jegliche Disharmonie, auch die massiven theologischen Dissenzenen sind wie weggeflogen, wie vergessen. Sie sind im Himmelsglück. Nur etwas schüchtern und unsicher, noch leicht geblendet schaut Benedikt in die lichtvollen Himmelsgefilde. So hab´ ich mir das ungefähr vorgestellt und in meinen Büchern beschrieben – aber es ist noch unvergleichlich schöner und prachtvoller, dachte er für einen Augenblick.

Küng: Mein lieber Joseph, du kommst aber ziemlich spät hier oben an.

Ratzinger: Ja, lieber Hans, Du warst mit deinem flotten Alfa Romeo halt schneller hier oben als ich mit meinem klapprigen Fahrrad. Du erinnerst Dich, damals in Tübingen …

Küng: Du weißt ja, lieber Joseph, ich war auch nicht gleich hier oben. Das Fegefeuer hat mir noch ziemlich lange und auch schwer zu schaffen gemacht. Die Sache mit der Moral-Enzyklika “Humanae vitae”, auch mit der Gottessohnschaft und der Jungfrauengeburt, ebenso mit der päpstlichen Unfehlbarkeit und dem Frauenpriestertum bis hin zur leidigen Angelegenheit mit dem Islam … Die haben mich dafür ganz schön schwitzen lassen. Deswegen bin ich noch gar nicht solange hier oben im Himmel.

Ratzinger: Vergessen wir´s doch einfach, lieber Hans. Heute verstehst du ja auch, dass mein Nachfolger dir am Ende deines irdischen Lebens nicht einfach sagen konnte: Deiner Verdienste wegen nehmen wir alle Sanktionen zurück und rehabilitieren dich. Da haben ja auch deine zahlreichen persönlichen Briefe und Büchersendungen an meinen Nachfolger, Papst Franziskus, nichts genutzt.

Als ehemaliger Panzergeneral der Glaubenskongregation muss ich Dir aber in aller Deutlichkeit sagen: Du hättest da unten vor deinem Abschied aus der Welt ehrlich und reuevoll erklären müssen: Alles Leugnen der kirchlichen Dogmen nehm´ ich zurück. Du weißt ja, mein Lieber, erst dann wäre deine Rehabilitierung  vernunftgemäß und zugleich auch kirchenrechtlich möglich gewesen. Und das Vernünftige und Rationale waren für dich doch immer ganz wichtig gewesen.

Eine Rehabilitierung ohne Widerruf aber hätte deine mehr als erheblichen Irrtümer seitens der Kirche ja nur noch bestätigt. Und die Kirche hätte sich dadurch selbst in Frage gestellt. Doch vor deinem Heimgang in die Ewigkeit muss bei dir, lieber Hans, ja noch etwas ganz Entscheidendes passiert sein, dass du jetzt hier oben sein darfst.

Küng: Ja, ja, lieber Joseph, das stimmt alles und du hast – wie fast immer – recht. Doch stell´ dir vor: Meine großartige Idee eines weltumspannenden Ethos, mein Plan von der einen großen Gemeinschaft aller Menschen, ist von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit bedenkenlos übernommen worden. Sie nennen es hier oben bloß etwas anders: „Ewige Glückseligkeit“.

Aber komm doch bitte rein. Tritt ein durch die Himmelspforte und du wirst es gleich erleben: Alle Himmelsbewohner – weiblich, männlich und aus aller Herren Länder – leben hier in vollkommener Harmonie, im unbegrenzten Glück und im nie endenden Frieden zusammen. Sie sind in Gott und in seiner Liebe für immer verbunden. Und das Beste ist: Mein vielfach bewundertes und auch bewundernswertes Projekt Weltethos ist wenigstens hier oben im Himmel verwirklicht. Siehst du, lieber Joseph, ich hab´ mich also doch nicht ganz so arg geirrt. Besser geht´s nicht. Ist das nicht prima? Und wir beide sind hier oben im Himmel dabei. Gott sei Dank.

Ratzinger: Bevor wir miteinander reingehen, lieber Hans, noch eine letzte Frage. Im Augenblick vertrittst du ja als Himmelspförtner den heiligen Petrus, meinen hochverehrten Vorgänger im päpstlichen Amt. Wärst du nicht selbst auch gern Papst geworden wie ich?

Küng: Selbstverständlich hätte ich bei meinen Fähigkeiten und bei meiner gehobenen Herkunft aus dem Bildungsbürgertum auch Papst werden können. Ja, mein lieber Josef, auch als Wissenschaftler, dessen Bücher immerhin in 30 Sprachen übersetzt wurden, sowie bei meinen mehr als ein Dutzend Ehrendoktortiteln wäre ich für das Papstamt zweifellos geeignet gewesen. Ich wollte aber nicht. Du fragst: Warum? Ich wäre dann nicht mehr unfehlbar gewesen.

IX. Zum Heimgang von Hans Küng

Mit vielen gläubigen Menschen wünscht der “Mithörer an der Himmelspforte” dem heimgegangenen Theologieprofessor Hans Küng, dass er in der himmlischen Herrlichkeit nun erfahren darf, was er in jenem Weihnachtslied in seinem langen Leben so oft – auch einst in Lech am Arlberg – gesungen hat: “Christ der Retter ist da – durch ihn ist auch meine ´rettende Stund´ gekommen”. Ebenso, dass er im Chor der Vollendeten anbetend einstimmen kann in die Worte des Tedeum, des Großen Lobgesangs der Kirche, die er wohl viele Male insbesondere im priesterlichen Breviergebet Jesus an Christus, Gottes eingeborenen Sohn, gerichtet hat: “Du bist des Vaters allewiger Sohn. Du hast der Jungfrau Schoß nicht verschmäht … Du hast denen, die glauben die Reiche der Himmel aufgetan”.

R.I.P.

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*) Dr. Udo Hildenbrand ist katholischer Theologe (Priester) und Publizist

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