Taiwan, China, USA: Die Spannungen wachsen. Bleiben die USA hart?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes *)

Chinas Präsident pocht auf Wiedervereinigung mit Taiwan.

Chinas Präsident Xi Jinping pocht auf Wiedervereinigung mit Taiwan und drohte jüngst bei einer Staatsfeier zum Nationalfeiertag: Die Unabhängigkeit Taiwans sei „eine ernsthafte versteckte Gefahr“.

Xi Jinping hat nach den jüngsten militärischen Spannungen zwischen Peking und Taipeh seine Forderung nach einer „friedlichen“ Wiedervereinigung mit Taiwan bekräftigt. „Die vollständige Wiedervereinigung unseres Landes kann und wird verwirklicht werden“, sagte Xi anläßlich des 110. Jahrestags der chinesischen Revolution, die zum Sturz der Qing-Dynastie und zur Ausrufung der Republik geführt hatte. Der 10. Oktober ist zugleich der Nationalfeiertag Taiwans.

Ein Chinook-Helikopter amerikanischer Fertigung überfliegt die taiwanische Hauptstadt Taipeh mit einer riesigen Flagge des Inselstaats zum Nationaltag am 7. Oktober. (Photo Ritchie B. Tongo / EPA)

Taiwans Präsidentin hat zwar betont, daß sich ihr Land nicht beugen werde. Ihre Worte fielen allerdings weniger konfrontativ aus als zu früheren Anlässen. Grund dafür war wahrscheinlich die Rede von Chinas Staatschef Xi am Vortag. Darin sprach Xi nicht ein einziges Mal mehr von ‚militärischer Kraft‘. Seine immer wieder wiederholte Schlüsselaussage war vielmehr ‚friedliche Einigung‘. Das ist die versöhnlichere Formulierung, die Xis Vorgänger gerne verwendeten. Zu erklären ist die zurückhaltendere Wortwahl wohl mit der verbalen Entspannung im Konflikt zwischen Peking und Washington, die der Initiative von US-Präsident Biden zu verdanken ist. China wollte offenbar Entgegenkommen signalisieren.

Peking sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll.

Die freundliche Geste könnte täuschen; denn der Konflikt kocht  weiter. Die USA trainieren heimlich taiwanesische Soldaten. Droht eine Eskalation? Bislang wurde der Streit zwischen Peking und Taipeh vor allem verbal ausgetragen, aber er könnte sehr wohl in eine militärische Auseinandersetzung münden, in die auch die USA hineingezogen werden würden.

„Die Unabhängigkeit Taiwans ist das größte Hindernis für die Wiedervereinigung des Mutterlandes und eine ernsthafte versteckte Gefahr“, sagte Xi. Er warnte vor einer ausländischen Einflußnahme: „Die Taiwan-Frage ist eine rein innere Angelegenheit Chinas, die keine Einmischung von außen zuläßt.“ Um dies zu unterstreichen, hat Peking fünf Tage lang ununterbrochen Flugzeuge in Taiwans Luftverteidigungszone geschickt – 56 Jets allein an einem Tag – und damit den Druck auf Taiwan erhöht, begleitet von einem Krieg der Worte.

(Einschub: Vor rund 70 Jahren waren die nationalchinesischen Kuomintang-Truppen nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten auf die Insel geflüchtet. Die bei der Revolution 1911 nach dem Sturz der Qing-Dynastie gegründete Republik China besteht seither weiter auf Taiwan, das sich offiziell auch so nennt. Beide Seiten begingen am Sonntag den 110. Jahrestag der Revolution von 1911. Einschub Ende)

China reklamiert Taiwan in jeder Weise für sich und fragt daher auch niemanden um Erlaubnis. Das aber könnte Krieg bedeuten, mit Taiwan, aber möglicherweise auch mit den USA. Aber niemand weiß derzeit, ob Washington hart bleibt. Bisher war klar, daß die USA nicht zuschauen werden, sollte das demokratische Taiwan von dem immer autoritärer werdenden oder gar totalitären China verschluckt werden. Die Entwicklung ist beunruhigend: Präsident Xi setzt auf eine aggressive Außenpolitik, die den nationalistischen Populismus im Inneren widerspiegelt.

Die USA sind der wichtigste Verbündete Taiwans und wären von einem kriegerischen Konflikt zwischen der chinesischen Supermacht und der rebellischen Insel sofort betroffen. China ist ein immer mächtigerer Global Player, der unter Xi Jinping in einen Ultranationalismus verfallen ist und eine neoimperialistische Außenpolitik betreibt. China hat bereits die Autonomie Hongkongs rücksichtslos zerstört. Kein Wunder, daß diese Sorge auch die Taiwanesen umtreibt.

Die USA und China haben sich inzwischen auf ein virtuelles Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping geeinigt, das noch in diesem Jahr stattfinden soll. Wahrscheinlich haben auch die seit Tagen andauernden chinesischen Drohaktionen die USA dazu bewegt, sich auf das Gespräch einzulassen. Die beiden Staaten wollen das Gipfeltreffen nicht als Zeichen eines Kurswechsels oder Kompromisses verstanden wissen. Möglicherweise treffen sie sich deshalb zunächst rein virtuell und wollen nicht an ein und demselben Tisch sitzen.

Taiwan hat den rotchinesischen Aufruf zu einer „Wiedervereinigung“ deutlich zurückgewiesen. Die demokratische Inselrepublik sei ein „souveränes und unabhängiges Land und nicht Teil der Volksrepublik China“, sagte der Sprecher von Präsidentin Tsai Ing-wen in Taipeh. „Die Zukunft des Landes liegt in den Händen des taiwanischen Volkes.“

Präsident Xi Jinping unterstrich hingegen Chinas Entschlossenheit. Er erklärte, daß die Wiedervereinigung Taiwans mit China im Interesse beider Völker sei und realisiert werden wird. Taiwan reagierte mit der Veröffentlichung eines patriotischen Videos seiner Luftwaffe und der Aussage, daß nur die Taiwaner selbst über ihre Zukunft entscheiden werden. Präsidentin Tsai Ing-Wen bekräftigte, daß sich China keine Illusionen machen solle. Das taiwanesische Volk werde sich dem Druck nicht beugen. Sie bot zugleich Gespräche auf Augenhöhe an – wohl wissend, daß dies auf taube Ohren in Peking stoßen wird. Aber Gespräche sind tatsächlich der einzige Ausweg aus dem China-Taiwan-Streit.

Taiwan wird im Konflikt zwischen China und Amerika zunehmend zum Spielball

Dieser neue Kalte Krieg könnte die Welt in eine Katastrophe führen. Es ist noch nicht lange her, daß die ganze Welt zusehen konnte, wie Washington das afghanische Volk und die Verbündeten fallen ließ. Das gibt Zweifel daran zu glauben, daß die USA nicht auch Taiwan im Stich lassen werden. Taipeh muß deshalb eigenständig und umsichtig handeln. Peking zu provozieren und sich dabei auf Amerika zu verlassen, wäre ein falscher und sehr riskanter Weg.

USA trainieren heimlich taiwanesische Soldaten

Die militärischen Spannungen zwischen Peking und Taipeh hatten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Peking sieht Taiwan, das sich 1949 von China abgespalten hatte, als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Gewalt.

Aber immerhin, die USA sind der wichtigste Verbündete Taiwans und haben ihre Waffenlieferungen in den vergangenen Jahren verstärkt. US-Kriegsschiffe durchqueren im Zuge militärischer Übungen immer wieder die Straße von Taiwan, was zu Verärgerung in China führt.

Was das Feuer schürte: Das amerikanische „Wall Street Journal“ hatte am 7. Oktober eine angeblich geheime amerikanische Truppenpräsenz in Taiwan enthüllt, die angesichts der erhöhten Spannungen zwischen den USA und China sofort ein globales Echo auslöste. Laut der Zeitung sind mindestens zwei Dutzend Angehörige von Spezialeinheiten und ein Kontingent von Marineinfanteristen damit beschäftigt, die taiwanischen Streitkräfte beim Aufbau ihrer Verteidigungsbereitschaft zu unterstützen. Peking reagierte, wie immer, wenn es um Taiwan geht, mit schrillen Tönen und warf den Amerikanern indirekt vor, mit dem Feuer zu spielen und Frieden und Stabilität zu bedrohen.

Die Volksrep. China hatte angesichts der heimlichen Ausbildung von Truppen in Taiwan durch US-Spezialkräfte vor einem „schweren Schaden“ für die Beziehungen zu den USA gewarnt. Nach Angaben aus dem Pentagon trainiert aber nur „ein Kontingent von etwa 20 US-Soldaten“ seit mehreren Monaten taiwanische Armee- und Marineangehörige.

Die „Financial Times“ zitierte ihrerseits einen ehemaligen Pentagon-Beamten aus der Zeit der Regierung Trump mit den Worten, die amerikanische Präsenz sei eine Routineangelegenheit und in keiner Weise außerordentlich. Sie stehe meist im Zusammenhang mit amerikanischen Waffenlieferungen.

Das würde bedeuten, daß die Taiwaner vor allem im Umgang mit Waffensystemen amerikanischer Herkunft instruiert würden. Später tauchten auch noch Bilder aus Taiwan auf, die belegten, daß solche Instruktoren offensichtlich schon seit vielen Jahren auf der Insel tätig sind und mit taiwanischen Uniformierten zusammenarbeiten. Allerdings ist unklar, ob es sich bei den Beratern um ehemalige amerikanische Militärangehörige handelt, wie es in einer Bildlegende angedeutet wird, oder ob sich auch aktive Soldaten darunter befinden.

Tatsache ist natürlich, daß die amerikanischen Streitkräfte ein weltumspannendes Unternehmen sind, mit vielen offiziellen und einer unbekannten Anzahl inoffizieller Vertretungen. Die USA haben zwar kein Verteidigungsbündnis mit dem Inselstaat, den China zu seinem Staatsgebiet zählt. Aber sie sind rechtlich durch die Taiwan Relations Act aus dem Jahr 1979 verpflichtet, Taipeh dabei zu helfen, sich selber zu verteidigen.

Taiwan will Verteidigung ausbauen

Nun will die Präsidentin der Inselrepublik, Tsai Ing-wen, Maßnahmen ergreifen: Niemand solle Taiwan zwingen können. Taiwan will deshalb die Verteidigung ausbauen. Die Präsidentin beschrieb die Beziehungen zu China als so kompliziert wie nie zuvor in den vergangenen sieben Jahrzehnten.

„Es sollte absolut keinerlei Illusionen geben, daß sich das taiwanische Volk Druck beugen wird”, sagte Tsai Ing-wen in einer Rede zum Nationalfeiertag (10.10.) in Taipeh. Die Inselrepublik werde ihre Verteidigung ausbauen, um sicherzustellen, daß niemand Taiwan zwingen könne, den Weg zu nehmen, den Peking vorzeichne. Dieser biete „weder ein freies und demokratisches Leben, noch Souveränität“ für die 23 Millionen Taiwaner. Die Präsidentin reagierte damit auf den Aufruf Xi Jinpings, sich der kommunistischen Volksrepublik anzuschließen.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping drohte jedoch weiter: „Die vollständige Wiedervereinigung unseres Landes wird und kann verwirklicht werden.“ Eine Vereinigung mit „friedlichen Mitteln“ diene am besten der Nation. Er warnte aber, daß eine Abspaltung Taiwans „ein böses Ende“ nehmen werde.

Nicht ganz hilflos

Daß es häufig eher um Säbelrasseln denn um Kräftemessen geht, zeigt die Spannung zwischen der VR China und Australien:

Vergangenes Jahr noch hat der Herausgeber der von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierten Global Times geschrieben, daß Australien nichts weiter sei als ein Kaugummi, der an Chinas Schuhsohle klebe und für den man mal einen Stein finden müsse, um ihn abzureiben. Inzwischen aber zeichnet sich ab, daß Australien gegenüber Peking doch nicht so machtlos ist. Australien hat eine führende Rolle eingenommen in einer neuen Allianz, die sich als Reaktion auf Xis Aggression gebildet hat. Das heißt natürlich nicht, daß Xi nachgeben – wohl aber, daß er einen größeren Stein brauchen wird.

Es wird heißer in der Region!

Verwendete Quellen: Nachrichtenagentur AFP, Reuters, eigene Recherchen

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*) Der Autor war 10 Jahre lang Stv. Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft auf Taiwan.

www.conservo.wordpress.com     13.10.2021

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