Corona bald vor den Arbeitsgerichten?

– Müssen Richter einige Landesfürsten zurückpfeifen?
– Fiktiver Ablauf einer kommenden Gerichtsverhandlung

Bild: Pixabay

Von Albrecht Künstle*

Die „Experten“ und ihre willfährigen Politiker haben versagt. Die Impfen-impfen-impfen-Strategie und die These der Herdenimmunität haben sich in der Praxis nicht bestätigt. Auch ohne vorhandenen Impfstoff war die Lage vor einem Jahr besser als jetzt, obwohl die Herde so ziemlich alles mit sich machen ließ. Ich wusste es zwar als medizinischer Laie auch nicht besser, maßte mir das aber auch nicht an, wie es unsere „Spitzenpolitiker“ tun. Aber sie lernen anscheinend nichts dazu. Wenn „vollständig geimpft“ nicht zum gewünschten Erfolg führte, dann müsse eben noch vollständiger geimpft werden. OK, vielleicht hilft es diesmal, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wer noch nicht „verimpft“ ist, solle nun zwangsgeimpft werden – jedenfalls in Gesundheitsberufen. Denn die Kommentatoren in den Sendeanstalten und Zeitungshäusern behaupten, die „Impfverweigerer“ hätten die jetzige Situation zu verantworten. Der Chefredakteur der Badischen Zeitung Politik hetzt sogar, „Die Mehrheit hat ihn (den Zustand) einer Minderheit der Unbelehrbaren zu verdanken“. Wenn das keine Volksverhetzung ist – aber die Medien dürfen das. Und die Politik hängt ihr Denken in den Wind und handelt entsprechend der Gehirnwäsche durch die Meinungsmacher. Nehmen wir nun als Beispiel einen Fall aus meiner Verwandtschaft. Eine Krankenschwester wartet auf die Zulassung eines bestimmten, nicht gen-basierten Impfstoffs.

Der Krankenhausträger glaubt, dieser Krankenschwester kündigen zu müssen, weil der Gesetzgeber die Impfung nur mit marktüblichen Spritzen vorschreibt, weshalb sie noch keinen Stich hat. Der Arbeitgeber ist fair und ermahnte die Beschäftigte, sich schnellstens impfen zu lassen, ansonsten eine Kündigung erfolgen müsse, bzw. ein Rücktritt vom Arbeitsvertag, weil die Beschäftigte die vereinbarte Arbeitsleistung nicht erbringen dürfe. Der Gesetzgeber erlaube das nicht mehr ohne Anti-Corona-Spritze. Der Arbeitgeber wird sich vermutlich auf § 313 BGB Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Hier ein Kommentar zur Rolle von Corona im zivilen Vertragsrecht, was aber auch im Arbeitsverhältnis einschlägig ist. Ebenso auf § 314 BGB Kündigung aus wichtigem Grund und § 323 BGB Rücktritt vom Arbeitsvertrag sind relevant. Ein anderer Arbeitsplatz kann der Arbeitgeber nicht anbieten, obwohl die Krankenhäuser ersticken in Dokumentations- und Verwaltungspflichten.

Dieser und viele andere Fälle werden vor den Arbeitsgerichten landen. Deshalb wird hier nun eine fiktive Verhandlung durchgespielt:

Der Anwalt der Klägerin würde bestreiten, dass seine Mandantin eine besondere Gefahr für andere Beschäftigte und Patienten darstelle. Die Klägerin werde pflichtgemäß täglich (negativ) getestet und trage die gleiche Schutzkleidung wie andere. Sie könne andere noch weniger anstecken, als es die Geimpften des Hauses tun, die weniger streng oder überhaupt nicht getestet würden. Auch die Patienten würden vor der Aufnahme getestet und infizierten sich, wenn überhaupt, mit Krankenhauskeimen, kaum mit Corona. Schon gar nicht durch regelmäßig getestete Ungeimpfte wie die Mandantin.

Weiter: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin jemand anstecke, sei quantitativ geringer als die Ansteckungswahrscheinlichkeit durch die 80 Prozent geimpfter Kolleginnen und Kollegen, die genauso potenzielle Virenträger wie sie sein könnten. Durch den nicht reglementierten 2G-Zutritt zu Sport, Kultur, Gaststätten, Festen und vielem mehr, kam und komme es zu Ansteckungen innerhalb der Gruppe der Geimpften. Die Nichtgeimpften würden nach den 2G-Veranstaltungen dann von denjenigen Teilnehmern angesteckt, die sich dort infiziert haben könnten.

Die behauptete Annahme, dass die 20 Prozent erwachsene Nichtgeimpfte wie die Klägerin eine Infektionsgefahr für das Krankenhaus und die Umwelt darstellten, sei geringer als sie der Quote von einem Fünftel entspreche. Das Freizeitverhalten von Ungeimpften und der Klägerin sei bereits so stark eingeschränkt, dass sie nur noch arbeiten, einkaufen und daheim sein könnten. Die Klägerin halte trotzdem ihre Arbeitsleistung nicht zurück, sagt der Anwalt, obwohl entsprechend einer Wahrscheinlichkeitsrechnung die meisten der Coronapatienten durch Geimpfte angesteckt würden. Ohne die Arglosigkeit der Geimpften gäbe es weniger als die Hälfte Coronapatienten und keinen Pflegenotstand im Krankenhaus.

Die Verfügung des Gesetzgebers und entsprechenden Anordnung des Krankenhauses, dass die Klägerin nur geimpft arbeiten dürfe, sei eine willkürliche und sittenwidrige Vorschrift, die rechtsunwirksam sei. Sie sei weder mit dem Verursacherprinzip, noch mit dem Gleichbehandlungsgebot, noch mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, würde der Anwalt der Klägerin abschließend vortragen.

Die fast sprachlose Beklagtenanwältin würde wohl in der Sache kaum gegen den schlüssigen Sachvortrag des Klägeranwalts ankommen und sich hierauf beschränken: Hier sitze ich, ich kann nicht anders als entgegenzuhalten, der Gesetzgeber lasse dem Arbeitgeber keine andere Wahl als die Trennung vom ungeimpften Pflegepersonal. Die Frage sei lediglich, ob überhaupt eine förmliche Kündigung erforderlich sei und nicht schon alleine aufgrund des BGB der Arbeitsvertrag als aufgehoben gelte. Eine verhaltensbedingte Kündigung komme nicht infrage, weil die Krankenschwester sich dienstlich nichts habe zuschulden kommen lassen.

Der Arbeitgeber bedauere das alles, weil er mit der Krankenschwester zufrieden sei und nicht wisse, wie er sie ersetzten könne. Ein Vergleich, die Krankenschwester bis zur Impfung bezahlt freizustellen und sich das Gehalt wie bei Quarantäne und Kurzarbeit ersetzen zu lassen, werde wegen Aussichtslosigkeit nicht weiterverfolgt. Politiker stünden erfahrungsgemäß nicht für das gerade was sie tun.

Die Arbeitsrichter hätten in der Vorbesprechung die Auffassung vertreten, die Sache sei eigentlich klar sei und zögen sich zur Beratung zurück. Und kämen zum Ergebnis, egal, wie wir entscheiden, die Anwälte würden Sprungrevision beantragen. Oder spätesten in der nächsten Instanz würde ein Vorlagebeschluss an den EuGH erwirkt werden. „Möge der Kelch an uns vorübergehen, den die Laienspielschar Landesregierung an uns weitergereicht hat“, würden sie wohl denken. Das Gericht würde den Gerichtssaal wieder betreten und die Meinung vertreten, dass eigentlich beide Seiten Recht hätten. Der Jurastudent im Zuhörerraum würde einen (unerlaubten) Zwischenruf machen, „Sie können doch nicht beiden Recht geben!“ Auf eine Rüge verzichtend würde der Vorsitzende Richter antworten; „Und Sie haben ebenfalls Recht“.

Das Schöne an einer Gerichtsverhandlung ist, dass kein Medienvertreter schulmeisterlich solche Sachvorträge verhindern kann, allenfalls anschließend sinnentstellt darüber berichten. Und je nach Ausgang des Verfahrens das Gericht loben oder in der Luft zerreißen, wie es gute Unsitte unter den Besserwissern ist. „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“, lautet eine Redewendung. Seien wir gespannt, ob sich unsere Corona-Herrschaften der Gerichtsbarkeit aussetzen werden, oder sich von rationalen Argumenten wie hier überzeugen lassen.

Belassen es die Normgeber bei der Fokussierung auf die paar Ungeimpften als neue Sündenböcke, lässt sich die Epidemie mit Sicherheit nicht erfolgreich bekämpfen, allenfalls die Personalnot im Gesundheitsbereich verschärfen. Diese gehören eigentlich vor Gericht gestellt!

*Der Autor war von jungen Jahren an mit dem Arbeits- und Sozialrecht befasst. Zuerst als Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, später als Rechtssekretär, ehrenamtlicher Arbeitsrichter, zuletzt als Landesarbeitsrichter. Mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben war dieses Amt aufzugeben – die Kompetenz als Arbeitsrechtler blieb.

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