„Ain Deutsch hymnus oder lobsang auff Weyhenacht“

Gelobet seystu Jhesu Christ in Walters Eyn geystlich Gesangk Buchleyn

Gelobet seist du, Jesu Christ

Von Dr. Juliana Bauer

Gelobet seystu Jhesu Christ in Walters Eyn geystlich Gesangk Buchleyn

Die frühesten weihnachtlichen Gesänge des deutschen Sprachraums stammen, wie ich bereits in meinem Beitrag über das Lied In dulci jubilo ausführte (Conservo 5.Dez. 2021), aus dem Mittelalter. Zu ihnen gehört auch der „Lobgesang auf Weihnachten“, der Choral Gelobet seist du Jesu Christ, der eng mit Martin Luther verbunden ist. Doch bevor ich darauf und damit auch auf die Geschichte dieses wunderbaren Weihnachtschorals eingehe, möchte ich auf ein geschichtsträchtiges Datum hinweisen, das sich am diesjährigen Weihnachtsfest zum 500ten Mal jährt.

500 Jahre evangelischer Gottesdienst

Am „Weihnachtstag“ des Jahres 1521 fand in der Wittenberger Schlosskircheder erste evangelische Gemeindegottesdienst statt (gemeint ist der 25.Dezember; vor der Reformation gab es je nach Herrschaftsgebiet bis zu fünf Weihnachtstage).

Dem Gottesdienst, an dem mehr als 2000 Gläubige teilnahmen, standen Andreas Bodenstein gen. Karlstadt und Justus Jonas d. Ä. vor; Luther weilte zu diesem Zeitpunkt noch zu seinem Schutz auf der Wartburg. Das Abendmahl wurde in beiderlei Gestalt gespendet, die lateinischen Gesänge wurden durch deutsche ersetzt. Drei Jahre später erschien der alte, ursprünglich einstrophige Hymnus Gelobet seist du Jesu Christ dichterisch von Martin Luther neugestaltet. Der Choral wurde im evangelischen Gottesdienst zum Hauptlied des ersten Weihnachtstages.

„Gelobet seist du Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist“
Die Herkunft des weihnachtlichen „Lobgesangs“

Das über einen langen Zeitraum aus einer einzigen Strophe bestehende Lied zählt zu den alten Weihnachtsgesängen, die vor der Reformationszeit entstanden. Demnach ist seine erste Strophe die älteste. Sie stammt wahrscheinlich aus den Jahren zwischen 1370 und 1380 und ist uns in einer Handschrift von 1380 aus dem Zisterzienserinnenkloster Medingen in Niedersachsen überliefert.

Die Strophe wurde wohl als eine Art Refrain zwischen den einzelnen Teilen der lateinischen Weihnachtssequenz Grates nunc omnes (Dank sagen wir alle) von der Christengemeinde in den Weihnachtsmessen gesungen. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts fügte man dem Lied bereits auf katholischer Seite, kurz vor dem Aufkommen des evangelischen Kirchengesangs, fünf weitere Strophen hinzu, die offenbar nicht weiter bekannt sind.

Luther, der zahlreiche lateinische Gesänge übersetzte oder sie durch Kontrafraktur, d.h. durch Textumdichtungen oder Neudichtungen dem einfachen Volk unter Beibehaltung der jeweils vertrauten Melodie erschloss, baute auch dieses Weihnachtslied aus und fügte der Ausgangsstrophe sechs neue Verse an. Das Lied wurde 1524 in Erfurt in der Sammlung „Eyn Enchiridion“, einem „Handbüchlein“, das eines der ersten protestantischen Gesangbücher darstellt, veröffentlicht. Ebenso 1524 wurde es auf einem Fliegenden Blatt unter dem Titel: Ain Deutsch hymnus oder lobsang auff Weyhenacht gedruckt und verbreitet. Von da an erschien der Choral in allen Wittenberger und Erfurter Gesangbüchern der Reformationszeit. Im so genannten evangelischen Liederkommentar von 1737 wurde es unter der Überschrift Ein Lobgesang von der Geburt Christi publiziert.

Die Botschaft des lutherischen Weihnachtschorals

Gelobet seystu, Jesu Christ,
Das du Mensch geboren bist
von einer Jungfrawen, das ist war
des frewet sich aller Engel schar
Kyrie eleison.

Originaltext der ersten, nicht-lutherischen Strophe

1) Gelobet seist du, Jesu Christ,
dass du Mensch geboren bist
von einer Jungfrau, das ist wahr;
des freuet sich der Engel Schar.
Kyrieleis.

2) Des ewgen Vaters einig Kind
jetzt man in der Krippe findt;
in unser armes Fleisch und Blut
verkleidet sich das ewig Gut.
Kyrieleis.

3) Den aller Welt Kreis nie beschloss,
der liegt in Marien Schoß;
er ist ein Kindlein worden klein,
der alle Ding erhält allein.
Kyrieleis.

4) Das ewig Licht geht da herein,
gibt der Welt ein neuen Schein;
es leucht wohl mitten in der Nacht
und uns des Lichtes Kinder macht.
Kyrieleis.

5) Der Sohn des Vaters, Gott von Art,
ein Gast in der Welt hier ward
und führt uns aus dem Jammertal,
macht uns zu Erben in seim Saal.
Kyrieleis.

6) Er ist auf Erden kommen arm,
dass er unser sich erbarm
und in dem Himmel mache reich
und seinen lieben Engeln gleich.
Kyrieleis.

7) Das hat er alles uns getan,
sein groß Lieb zu zeigen an.
Des freu sich alle Christenheit

und dank ihm des in Ewigkeit.
Kyrieleis.

Choral von Martin Luther, 1524

Wir glauben …
… an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:

Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.

Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.

Auszug aus dem Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel, IV.Jh.

Luther wollte, wie auch in anderen seiner Weihnachtslieder (so z.B. Vom Himmel hoch, da komm ich her), dem Volk die Frohbotschaft der Geburt Jesu verständlich machen. Der in der ersten Strophe genannte, dem mittelalterlichen Menschen wichtige Aspekt der Jungfrauengeburt, die ein Zeichen von Jesu Göttlichkeit darstellt und die Aussage des Glaubensbekenntnisses von Nicäa-Konstantinopel (IV. Jh.) aufnimmt, sowie die Teilhabe der Engelscharen an seiner Geburt (vgl. auch die mittelalterliche Malerei), führt Martin Luther in den folgenden, von ihm gedichteten Versen weiter aus.

Insbesondere seine Strophen 2 und 3 wie auch Zeile 1 von Strophe 5, „der Sohn des Vaters, Gott von Art“, greifen inhaltlich auf das nicäische Bekenntnis zurück, doch führt er den Gläubigen bildhaft, ja ausdrucksstark die Menschwerdung Gottes vor Augen: „in unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ewig Gut.“ Und in „immer neuen Bildern … entfaltet er den Kontrast zwischen der Allmacht des ewigen Gottessohnes und der Kleinheit und Armut des Kindes, in dem dieser Mensch wurde…“ (Wikipedia). Der Kontrast von göttlich bzw. himmlisch und irdisch, von ewig und vergänglich, von Licht und Finsternis durchzieht die gesamten Strophen. In der mittleren Zeile von Vers 4 und damit in der Mitte des Chorals steht die Aussage „es (das ewige Licht=Gott) leucht‘ wohl mitten in der Nacht“ und verweist somit auf die Zeitenwende, welche die Geburt des Gottessohnes bewirkte und darauf, dass diese aus uns „des Lichtes Kinder macht.“

Von besonderer Bedeutung sind Strophe 5 und 7. In ersterer thematisiert Luther den Heilsgedanken, den Erlösungsgedanken für die Menschheit, der in der Geburt Jesu liegt: „macht uns zu Erben in sei‘m Saal“, wohingegen er in Strophe 7, nochmals ausgehend von der Armut des Gottessohnes, die uns erlösungsbedürftigen Menschen himmlischen Reichtum verheiße (Vers 6), uns die umfassende Liebe Gottes als Hauptbotschaft vor Augen stellt. Mit den Strophen 6 und 7 nimmt er unmissverständlich eine Botschaft des hl. Paulus auf, die dieser seiner Gemeinde in Korinth verkündete: „Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor. 8,9).

Ein kurzer Blick auf die Verbreitung des Chorals

Der Text von Luthers Choral wurde nicht nur in die Gesangbücher der evangelischen Kirchen aufgenommen, er setzte sich auch in den katholischen Gesangbüchern durch.

Als Orgelchoral erschien er im Orgelbüchlein von Johann Sebastian Bach, unter dem BWV 604. Wahrscheinlich komponierte er ihn 1714 als Choralpräludium, welches hier zu hören ist: Gelobest seiest Du, Jesu Christ.

Auch schuf Bach über den Choral eine Kantate. Er komponierte sie 1724 in Leipzig für den Ersten Weihnachtstag, den 25. Dezember 1724. Gelobet seist du, Jesu Christ ist im BWV 91 zu finden. Zehn Jahre später führte er das Weihnachtsoratorium auf; in zwei Sätzen enthält auch dieses Strophen des Chorals.

Kantate „Gelobet seist du Jesu Christ“