Olympiaskandal! Eigentor des IOC: Eiskunstläuferin Walijewa und ihr Märchenopa

Kamila Walijewa und ihr Hund Lëva, ein Zwergspitz. Bild: Team Tutberidze Official, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

(www.conservo.blog

Von Peter Helmes

Kamila Walijewa und ihr Hund Lëva, ein Zwergspitz.
Bild: Team Tutberidze Official, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Sie darf weiter antreten – Über Sanktionen wird nach den Spielen beraten

Die Dopingvorwürfe gegen die 15-jährige russische Eiskunstläuferin Walijewa haben bei den Olympischen Winterspielen in Peking für ein breites Echo gesorgt. Der zeitliche Ablauf, aber auch die Rahmenbedingungen werfen Fragen auf, die den internationalen Sport noch über Monate beschäftigen werden.

Das Stockholmer Labor, das mit der Auswertung der Probe beauftragt worden war, ließ sich sechs Wochen Zeit, ehe das Resultat vorlag. Publik wurde es erst am 8. Februar, einen Tag nach dem Teamwettbewerb, in dem Walijewa Gold gewonnen hatte.

Neue Details im “Fall” Kamila Walijewa: Nach Informationen der “New York Times” seien in der Dopingprobe der 15 Jahre alten Eiskunstläuferin drei unterschiedliche Substanzen zur Behandlung von Herzproblemen entdeckt worden – eine verbotene und zwei erlaubte. Das gehe aus einem Dokument hervor, das dem CAS bei der Anhörung um die Starterlaubnis der Russin im Einzelwettbewerb der Winterspiele in Peking vorgelegt worden war.

Kaum jemand geht davon aus, daß Walijewa sich wissentlich mit dem Herzmittel gedopt hat. Im Fokus steht vielmehr ihr Umfeld. Aber auch das Nationale Olympische Komitee Russlands gerät natürlich wieder ins Zwielicht.

Der angebliche Grund ist der Großvater

Walijewa gewann nach dem Wirbel das Kurzprogramm am Dienstag und startet am Donnerstag als Favoritin in die Kür. Sie hatte vor den Richtern der ad-hoc-Kommission des Sportgerichtshofs argumentiert, ihre Probe auf das verbotene Mittel Trimetazidin sei durch ein Medikament ihres Großvaters kontaminiert worden. Das bestätigte der Schweizer Denis Oswald, Vorsitzender der IOC-Disziplinarkommission.

Laut “New York Times” habe Walijewas Großvater in einer Videobotschaft an die russischen Anti-Doping-Behörden der Rusada erklärt, er nehme das Medikament Trimetazidin, um “Attacken” zu behandeln. Russische Medien berichteten, Walijewa habe angeblich aus demselben Glas wie ihr Opa getrunken.

Ihre Mutter sagte, Walijewa nehme die Substanz Hypoxen gegen Herzrhythmusstörungen. Zudem tauchte in der Analyse L-Carnitin auf, das gegen Durchblutungsstörungen helfen kann. Die Kombination der drei Substanzen scheine “darauf abzuzielen, die Ausdauer zu erhöhen, Ermüdung zu reduzieren und eine effizientere Nutzung von Sauerstoff zu fördern”, sagte Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur Usada.

Für den Dopingexperten Fritz Sörgel sind die Erklärungen, wie es zu dem positiven Befund der Eiskunstläuferin gekommen sei, jedoch kaum haltbar:

Er hält die angeblich versehentliche Einnahme des Herzmittels Trimetazidin durch ein mit dem Opa gemeinsam genutztes Glas für eine Ausrede der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa:

“Die Menge für eine positive Dopingprobe kann nicht durch Speichel an einem Glasrand in den Körper gelangen”, sagte der Pharmakologe aus Heroldsberg bei Nürnberg am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Sörgel empfiehlt, nicht nur die B-Probe der 15 Jahre alten Team-Olympiasiegerin zu untersuchen, sondern auch die seitdem erfolgten negativen Tests.

“Man sollte das wissenschaftlich optimal machen. Die neuesten analytischen Methoden erhöhen die Nachweismöglichkeit im Vergleich zu denen in einem Dopinglabor um den Faktor fünf”, erklärte der Wissenschaftler. Falls sich die Angaben der Europameisterin aus Russland als nicht richtig erweisen sollten und sie das Mittel aus ihrem Trainingsumfeld erhalten hat, wäre das “ein krimineller Akt und rücksichtslos gegen einen jungen Menschen” (Sörgel).

Der Eislauf-Jungstar sei für die Theorie der Verunreinigung mit dem Medikament ihres Großvaters die einzige Zeugin. “Scheinbar wird alles versucht, nicht wieder Staatsdoping ins Spiel zu bringen”, sagte Sörgel. Russlands Olympia-Sperre wegen Dopingvertuschung und Datenmanipulationen läuft Ende des Jahres aus.

Walijewas Anwälte hätten “Gründe präsentiert, die Zweifel an ihrer Schuld” hinterließen, teilte Denis Oswald, der Vorsitzende der Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Komitees, am Dienstag in Peking mit. Dies sei Teil der Verteidigung Walijewas im Eilverfahren des Internationalen Sportgerichtshofs Cas über ihre Zulassung zum Damen-Einzel gewesen (Quelle: Olympia 2022: Dopingexperte widerspricht unter Verdacht stehender Walijewa (t-online.de).

Der Dopingfall Kamila Walijewa legt gleich mehrere Problemfelder des olympischen Sports offen. So steht Russland, dem staatlich gesteuertes Doping und dessen Vertuschung nachgewiesen wurden, ohnedies schon unter besonderer Beobachtung. Es scheint, daß sich acht Jahre nach dem aufsehenerregenden Skandal um Staatsdoping in Russland die Geschichte zu wiederholen.

Die russische Doping-Agentur Rusada hob ungeniert Walijewas Suspendierung auf; das IOC, die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada und der Eislauf-Weltverband ISU waren dagegen in Berufung gegangen, verloren aber vor dem CAS.

Der begründete sein Urteil mit dem Alter Walijewas, die als unter 16-Jährige als schutzbedürftig gelte. Zudem habe sie durch die Verzögerung in der Auswertung der Probe keine Chance gehabt, juristisch angemessen auf eine Suspendierung zu reagieren. Ein Ausschlußvon den Spielen in Peking hätte Walijewa “irreparablen Schaden” zugefügt, sagten die CAS-Richter. Ob und welche Sanktionen der Europameisterin drohen, entscheidet sich erst in einem weiteren Verfahren nach den Spielen, bei denen sie damit unter Vorbehalt läuft.

Und dann kommt heraus, daß die 15-jährige Eiskunstläuferin im Dezember in ihrer Heimat positiv getestet worden war – und dennoch einen Freibrief erhielt, um in Peking starten zu können. Das Internationale Olympische Komitee legt in der Frage, wie mit Russland umzugehen ist, einen Eiertanz hin.

Daß all das auf dem Rücken eines Kindes ausgetragen wird, scheint völlig nebensächlich. Dabei wäre eine Diskussion darüber, was an Belastung, an Medikamenten und auch an Erfolg der Sport jungen Menschen zumuten kann und soll, längst überfällig. Doch darum schert sich das IOC keinen Deut.

Eigentor für den Sport

Niemand, der mit Russlands langer und beschämender Dopingbilanz bei den Olympischen Spielen vertraut ist, sollte von dem Fall überrascht sein. Letztlich war die gegen Russland verhängte Olympia-Sperre, die im Dezember dieses Jahres ausläuft, eine Farce. Sie hat offensichtlich nicht dazu beigetragen, weitere russische Betrügereien zu verhindern.

Der Fall unterstreicht, daß der Eiskunstlauf – in dem es seit langem immer wieder Vorwürfe über die Einnahme von Medikamenten zur Gewichtsreduzierung und von Pubertätsblockern gibt – ein brutaler Sport ist, der die Athleten oft über gesunde Grenzen hinaus treibt. Die globalen Sportinstitutionen dürfen nicht zulassen, daß das Regime von Wladimir Putin erneut mit minimalen Konsequenzen davonkommt.

Die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS, die unter Dopingverdacht stehende russische Eiskunstläuferin Walijewa nun doch im Einzelwettbewerb der Olympischen Spiele starten zu lassen, ist insbesondere eine Niederlage für das IOC, den Anti-Doping-Kampf und den gesamten Sport. Die 15-jährige Walijewa mißt sich mit Erwachsenen, daher sollten für sie auch die gleichen Regeln gelten, auch beim Doping. Was für ein Eigentor für den Sport!

Bezeichnend ist die Reaktion aus Moskau: Der dort erscheinende „SPORT-EXPRESS“ tönt wie auf Bestellung: „Das ist ein großer Sieg für Russland vor Gericht: Walijewa darf am Einzelwettbewerb teilnehmen. Daß sie von einer Siegerehrung ausgeschlossen werden soll, ist aber eine Schande für das IOC.“

Mitverantwortlich ist der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Bach. Seit er  im Herbst 2013 IOC-Präsident wurde, werden die Olympischen Spiele permanent vom russischen Staatsdoping überschattet. Und das ist auch mit die Schuld von Bach und seines IOC. Gegenüber der großen Sportnation Russland ist der Deutsche stets zu mild und zu rücksichtsvoll gewesen.

www.conservo.blog     16.02.2022