Die Bibel als Reise und Abenteuer

enberg-Bibel, Kongressbibliothek, Washington, D.C. (2002). Bild: Raul654, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Von Hermes

Gutenberg-Bibel, Kongressbibliothek, Washington, D.C. (2002). Bild: Raul654, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bey Gott, und Gott war das Wort. Das selbige war im Anfang bey Gott. Alle ding sind durch dasselbige gemacht, und on dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Liecht der Menschen, und das Liecht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis haben‘s nicht begriffen.

Wie soll man so etwas verstehen können? Ich konnte es nicht und begreife es auch jetzt nur in Bruchstücken.

Vor drei Jahren begann ich, die Bibel zu lesen. Luthers Bibel in ihrer Sprachgewalt. Warum? Bei der Geschichte der USA und ihrer Verfassung war ich über folgendes gestolpert: Die Gründerväter – sagen wir grob zehn ganz große, äußerst verschiedene Männer – lasen, dachten, diskutierten über ein halbes Jahrhundert, um diese jetzige Verfassung (mit Declaration of Independence, Federalist Papers und ersten Amendments) zustandezubringen. Sie importierten Kisten voller äußerst teurer alter Bücher aus Europa, die sie lasen, um einen Staat darauf aufzubauen. Und oh Wunder, es sind die alten Bekannten Aristoteles, Aquinas, Morus etc., die jeder kennt, der in der Weltgeschichte etwas Positives zu sagen hatte. Ihre Bibel kannten sie sowieso genau.

Irgendetwas muß dran sein an diesem größten und ältesten, meistgelesenen Buch der Weltgeschichte. Und zwar mehr als reine Glaubenssache. Ein Bonmot besagt, daß Philosophie nach Plato und Aristoteles im Wesentlichen ein Abarbeiten an ihnen sei. Ähnliches läßt sich mit Fug und Recht für die Bibel sagen.

Ich machte mich ans Werk. Monatelang kämpfte ich mit Genesis, Exodus und Johannesevangelium, weiter bin ich bis heute nicht. Nächtelang las ich allein die Schöpfungsgeschichte Satz für Satz, Wort für Wort, still und laut (auch poetisch ist es ein Wunderwerk). Mir dämmerte: Auch viel größere Geister als ich knacken die Bibel nicht alleine, sondern auf den Schultern von Maimonides und Aquinas, ich brauche Hilfe.

Parallel stieß ich auf Jordan Peterson und seine Bible Series. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. In den XVIII Vorträgen geht es kaum um die Bibel selber, sondern darum, wie sie aus ewigen Menschheitsmythen besteht. Er verankert sie in der wissenschaftlichen Realität der Anthropologie über uns als Primaten wie auch in den modernsten aktuellen Großstudien der Psychosoziologie über den Menschen. Bei jedem dieser Videos klickte ich vielfach zurück, verteilte es auf Tage, hörte alle mehrfach. Und las parallel meine Lutherbibel.

Später stieß ich auf Rabbi Dennis Prager´s Rational Bible. Der Mann ist kein echter Rabbi, hält aber wohl am Sabbat eine Rede in der Synagoge, und ganz unvermutete und Große der USA bezeichnen ihn als ihren Rabbi oder geistigen Führer (nicht erschauern bei diesem Wort, er führt halt).

Er begann das Studium der Torah an der Yeshiva und schreibt und spricht nun seit 50 Jahren darüber. Er ist weder orthodox noch liberal, ein völlig Eigenständiger und darin einer der führenden Intellektuellen der USA. Seine Mission ist, die Bibel nicht aus Glauben heraus zu verstehen, sondern aus der Vernunft heraus. Ich versuche es in meiner geistigen Schwäche heraus so zu formulieren: Wenn es ein Buch und einen Satz von Regeln bräuchte, ein Grundverständnis der Geworfenheit des Menschen in diese Welt: Wären dann nicht der Gott und der Mensch der Bibel eine rationale Lösung? Für die immanenten und transzendenten Fragen, für alle Sinne und den Verstand?

Man könnte paraphrasieren: Nehmen wir die Lebenswerke der wichtigsten Atheisten des 20. Jhdt, Dawkins, Hitchens und Harris. Ist nicht die Bibel genau das, wonach sie in ihrer Hilflosigkeit suchen?

Für mich waren und sind die Bibel und diese zwei Großen das, was Amerikaner „life-changer“ nennen.

Die Mosaiksteinchen des Lebens von Wissenschaften und Weltreligionen, von Gefühlen und Verstand, von Wirtschaft und Politik bis Geschichte, vom Leben und Sterben haben nach langer Suche alle ihren Platz gefunden. Ohne dies Buch und diese beiden hätte ich das vor meinem Tod nicht geschafft.

Ironischerweise sagt auch der Bischof von Los Angeles Barron, daß niemand dem Christentum in den letzten Jahren mehr Menschen zugefügt hat als der Jude Prager und der skeptische Atheist Peterson. Nicht weil es Hirnlose sind, die Christentum cooler finden als Yoga und Quinoa, sondern weil sie etwas wieder verstanden haben, was noch vor 100 Jahren die meisten irgendwie wußten und/oder glaubten. Nachdem sich gerade im letzten Jahrzehnt das nihilistische, materialistische Credo des nationalen Wohlfahrtsstaats täglich live demaskiert.

Die einen stürmen nach „vorne“ und suchen händeringend nach einer neuen Ideologie als Variante der jetzigen wie nach Omicron statt Delta. Die anderen unterziehen die Stützen der größten, produktivsten und heilversprechenden Zivilisation der Weltgeschichte – der unsrigen – einer Prüfung. Schwierig, weil diese uns so fern erscheint nach einem Jahrhundert der Verzerrung und Lüge in allen Bereichen des menschlichen Daseins.

Ich persönlich weiß, daß ich bereits zu alt bin, um dieses große Buch jemals zu verstehen. Aber jeder Satz und jede Minute mit ihm ist pure Lebensfreude und Erkenntnis.

Man kann Reisen unternehmen nach Mallorca und Rotorua, Abenteuer erleben bei Bungee und Survival Training mit Preppies. André Heller sagte, die wahren Abenteuer finden im Kopf statt. Irgendjemand sagte, guter Sex findet im Kopf statt. Die Bibel findet nicht nur im Kopf statt. Sie umfaßt und gestaltet das gesamte menschliche Erleben mit allen Sinnen und allen Verstandeskräften.

Es sollte uns zu denken geben, daß die wahrscheinlich von Trump angeführte kommende Renaissance der USA auf den Schultern von Männern wie Peterson und Prager ruht. Was haben Deutsche derzeit aufzubieten?

Will ich hiermit missionieren? Ich bin ein Lonely Wolf, jeder ist seines Glückes Schmied und ist für sich und seine Nächsten verantwortlich, mir also letztendlich wurscht, wenn er nicht zu meinen Nächsten gehört. Ich beschreibe nur mein eigenes Erleben und bin ganz sicher kein Mitglied einer der verirrten Staatskirchen. Glaube, Religion und Kirchengemeinschaft sind sehr verschiedene Dinge. Ich werbe nur gegen Tabus und für tiefes Leben und Erleben in diesem kurzen einzigen Leben, das uns von Gott geschenkt ist und das rasend schnell vorübergeht. Übervoll und gähnend leer sein kann. Füllen müssen wir es selber. Wer sich nicht mit den Alten beschäftigt, fängt von vorne an wie ein Neanderthaler-Baby.

In meinem beruflichen Leben habe ich immer bemüht, Effizienz und Effektivität zu verbinden: Was Du tust, tue es so gut, wie Du kannst. Vor allem aber: Tue das Richtige.