Gott, Glaube, Christentum und Kirchen

Der Mainzer Dom (c) Maria Schneider

Von Hermes

Der Mainzer Dom (c) Maria Schneider

Ich finde in diesem Blog lebendige Diskussionen zu diesen lebenswichtigen Fragen, was mich sehr freut. Immerhin ist die erste Kategorie oben am Bildschirmrand „Christentum, Hoffnung und Transzendenz“. Nach ausführlicher Lektüre des Blogs würde ich gerne einige wenige Argumente beitragen zum Thema „Kirche in Deutschland“, eingebettet in wenige wichtige Bezüge.

Bei „Kirche in Deutschland“ scheinen nur wenige daran zu denken, was der Sinn einer Glaubensgemeinschaft ist: Die Botschaft Gottes in all ihren Formen lebendig zu gestalten, zu verkünden von der Sonntagspredigt bis zur individuellen Seelsorge, sie zu erklären, und dies in einer physischen Gemeinschaft mit Liturgie, Sakramenten und all den vielen kleinen Ritualen bis zum kleinsten Wegkreuz.

Bei Kirche denken viele an politische Fragen wie die allfälligen Skandälchen, Abtreibung und Pille, linksgrüne Perversionen von Bedford-Strohm und Käßfrau. Kaum jemand scheint von Gott, Bibel, Evangelium, Glauben und Wissen, reicher Tradition von Noah bis Bonhoeffer und Kolbe zu sprechen.

Mir scheint der Grund auf der Hand zu liegen: Im säkularen – atheistischen – 20. Jhdt. haben die Menschen und die Kirchen sich politisieren lassen. Extremstes Beispiel sind die „Staatskirchen“ des Hitler´schen Konkordats in Deutschland und Österreich. Wenn jemand wie ein Beamter bezahlt und behandelt wird und sich so fühlt, was erwarten Sie dann von ihm?

Natürlich benehmen sich die Mitarbeiter dieser Staatskirchen wie Beamte eines staatlichen Propagandaministeriums, wie die Kollegen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Die von Herrn Penner am 27. März ausgeführten Perversionen in diesem Falle der evangelisch-protestantischen Seite haben darin ihren Ursprung und Grund.

Nehmen wir zum Vergleich praktische Lebenserfahrung: Der Pfarrer einer leeren Kirche wird genauso nach Tarif bezahlt wie der einer vollen Kirche. Kann das gut sein? Befriedigte er die spirituellen Bedürfnisse seiner Gemeinde vom Neugeborenen bis zum gerade Versterbenden, wäre die Kirche voll und sein Säckel auch. Falls nicht, müßte er irgendwo Hecken schneiden, Autos reparieren oder ein Unternehmen gründen wie jeder andere anständige Mensch und die meisten in seiner Gemeinde. Diese ausgleichende Gerechtigkeit, die automatisch gute Priester hervorbringt, haben wir ausgehebelt in der Staatskirche.

In einem ähnlichen System, der Sowjetunion, kamen dabei immer die Deppen und die Tyrannen an die Macht. Die Pfarrer, die wir in der Kirche sehen, sind natürlich nur deren Mitläufer. (Meine ausdrückliche Unterstützung hiermit den löblichen Ausnahmen, von denen ich einige kenne.)

Besonders schlimm sind gerade in Deutschland diese Laien-Organisation von Maria 2.0 bis zu all den verbeamteten Theologie-Professoren und Religionslehrern, die Gottes Botschaft nicht einmal kennen bis auf die Bergpredigt vom Hörensagen und aus Steuergeldern anderer die Welt retten wollen, während ihre eigene Seele gerade auf dem Weg in Dantes untersten Höllenkreis ist.

Gebetsraum in Georgien. (c) Maria Schneider

In all ihrer narzißtischen Selbstbespiegelung ist den katholischen Fridays-For-Future-Kindsköpfen nicht klar, daß die katholische Weltkirche sie bemitleidet auf ihrem Weg in die Apostasie, als Anbeter ihrer Heiligen Rudi Dutschke und Joschka Fischer.

Praktische Lebenserfahrung wiederum sagt uns: In freiem Wettbewerb setzen sich die Guten durch, die Schlechten und Bösen müssen ihren Lebensunterhalt anders erwerben. Wer Autos schlecht repariert, geht pleite. Und gut so, sonst führen wir in unsicheren Autos und würden uns und andere gefährden. Wer seine Aufgabe als Priester, Seelsorger, spiritueller Kopf seines Sprengels schlecht erfüllt, erntet eine leere Kirche und keine Gaben seiner Schäfchen. Vielleicht kann er ja besser Autos reparieren, ich wünsche es ihm. Jedenfalls hat er als Fels Gottes, als Priester Besseren Raum zu schaffen.

Deswegen gibt es für Glauben und Kirchen in Deutschland nur einen Weg: Auflösung des allzu bequemen Konkordats mit Hitler und Abschaffung der Kirchensteuer.

Spätestens hier dürfte fast jeder Leser ausgestiegen sein. Was sollen diese ganzen Pfarrer, Professoren, Laien dann tun, wenn sie keine Staatsknete mehr bekommen. Ja, haben die denn alle ein Recht auf Hartz IV aus unserem Steuergeld? Nein, das haben sie nicht. In der Gemeinschaft freier Menschen muß jeder etwas leisten, wofür andere freiwillig zahlen. Alles andere ist Tyrannei und Sünde (heute Wohlfahrtsstaat genannt).

Deutsche mokieren sich gerne über den „Wildwuchs“ christlicher Kirchen von China bis Brasilien, von Amish bis zu Pfingstlern. Mit welchem Recht? Weil die deutschen Staatskirchen sie so tief überzeugen und sie in sie strömen zur Predigt? Die deutschen Kirchen sind Zombies – seelisch und intellektuell tot, der Körper zappelt noch durch die Gegend.

Deutsche haben nicht die geringste Ahnung von der Lebendigkeit der vielen Schäfchen der christlichen Kirchen der Welt, von leidenden in China bis zu Born-Again-Christians und Pfingstlern. Das historische Studium dieser Bewegungen, z.B. in den USA von Quakers und Methodisten bis zu einem ehemaligen Pornodarsteller, der seinen Weg zu Gott und in das Priestertum gefunden hat, ist ihnen völlig fremd.

Deswegen ist die deutsche Kirche wie auch der deutsche Staat zum Untergang verurteilt. Beide verstehen und kennen die Welt nicht und müssen weiter siechen bis zum großen Crash, der sie pulverisieren wird.

Ich möchte dies aber einbetten in eine größere Perspektive. Die deutschen Staatskirchen mit ihrer Kirchensteuer sind eine historische und geographische Anomalie, niemand sonst außer Hitler konnte die Kirchen kaufen und nirgendwo sonst ließen sie sich kaufen.

Das Bedürfnis, zu glauben, festen Grund zu spüren, den Fels zu spüren, auf den man sein Leben gründen kann, ist uns Menschen evolutionsbiologisch zugeteilt. In einer Welt, in der wir lebenslang um Erkenntnis und Sinn kämpfen, brauchen wir dies wie die Luft zum Atmen. Sobald also eine Religion, eine Kirche, wieder so glaubhaft wird, daß sie unsere Bedürfnisse vom Glauben bis zum Wissen, von der praktischen Lebensführung mit ihren Ritualen und Sakramenten, vom common sense bis zur Sinnlichkeit wieder erfüllt, wird sie wieder mit offenen Armen angenommen werden. Nicht der Glaube und die Religion haben also ein Problem, sondern die konkreten Kirchen gewisser Zeiten. Je schneller man Kirchen die Machtbasis entzieht, die Menschen nichts zu sagen haben, desto schneller werden neue Formen von Kirche entstehen können, die zum Ewigen und zum heutigen befriedigende Antworten haben.

In diesem Bedürfnis, zu glauben, haben sich nun seit Beginn des Homo verschiedene Ausprägungen entwickelt. Die frühesten können wir nur aus Anthropologie erraten. Aus uns schon nahen Zeiten haben wir die Venus von Willensdorf, Schamanismus und Psylos, Catal Hüyük und Schrumpfköpfe und unendlich vieles mehr. Im Wettbewerb der Religionen über die Jahrzehntausende kamen wir von Naturreligionen über Polytheismus zum einmaligen Monotheismus der Bibel.

Diese ist das älteste „richtige Buch“ der Welt, der Pentateuch ist eindeutig aus einem Guß (das großartige Gilgamesch-Epos darf man als Einleitung lesen). Seine Botschaft ist so überwältigend in sich geschlossen, daß der Streit nicht entschieden werden kann, ob und wie dieser Text direkt gottgegeben oder von Menschen niedergeschrieben ist (was unwichtig erscheint, er ist halt da). Es gibt also eine klare historische Entwicklung der Religionen und ihrer Ausprägungen, die leicht nachzulesen ist.

Das Weinrebenkreuz der Heiligen Nino in Georgien (c) Maria Schneider

Genauso gibt es eine kulturelle Dimension von Religionen. Denn Religionen sind keine platonischen reinen Ideen und Formen, sondern prägen Menschen und werden von Menschen geprägt. Sie haben eine Eigendynamik durch ihre Kernlehren, ein „Rückgrat“, und oszillieren in ihrem kulturellen Ausdruck zwischen diesem und den Kulturen, die sie annehmen. (Artus und Karl der Große, germanische Traditionen und Römische Republik, Cicero und Vasallentum stehen für solche Prozesse.)

Mir persönlich scheint, daß es auch einen Gradmesser für Religionen geben könnte im Sinne deswegen, wie gut sie grundsätzliche menschliche Bedürfnisse in menschliches Wohl umsetzen.

Wir sind bestimmt von Abenteuerlust und Bedarf nach Sicherheit, glauben und wissen wollen, Moral und Lüsten und so viel mehr. Welche Religion kann die conditio humana produktiv kanalisieren, so daß menschliches Handeln menschliche Grundbedürfnisse erfüllt und veredelt in Handeln zum Wohle anderer, der Gemeinschaft, von Mensch und Tier, Kultur und Natur?

In diesem Sinne könnte man leicht die verbleibenden großen Glaubenssysteme untersuchen. Vom Hinduismus und Buddhismus über Konfuzianismus und Daoismus bis zu Schamanismus bis zu den drei „Religionen des Buches“, also Judentum, Christentum und Islam.

Niemand käme dabei umhin, anzuerkennen, daß sich im Christen- und Judentum die großen Gaben für die Menschheit entwickelt haben. Von Platos Logik bis zum Kapitalismus, von Wissenschaft bis Mystik, von Verdoppelung der Dauer menschlichen Lebens bis zu unfaßbarem heutigem Wohlstand, von der jederzeitigen kostenlosen Verfügbarkeit praktisch allen Wissens der Menschheitsgeschichte bis zum Flug zu Mond und bald Mars. Diese Erfolgsgeschichte ist welthistorisch beispiellos. Sie ist kulturelle Frucht des Christentums, mit weit überproportionalem Beitrag des Judentums im Verhältnis zur Bevölkerungszahl.

Welthistorisch gesehen war der ganz große Sprung das 19. Jhdt.: Freier Kapitalismus, Wissenschaft in den Händen privater Forscher und Gelehrter, Unternehmergeist und Wissensdurst führten zu einer Explosion des Wohlstands, die sich im 20. Jhdt. ausbreitete. Christlicher Glaube war genauso selbstverständlich wie wissenschaftliche Überprüfung physischer Tatbestände auf Kausalitäten hin, die ganz Großen wie Newton und Einstein zeigen dies leicht.

Um 1910 bis 1920 übernahm der Staat und bekämpft seitdem mit Steuergeldern seiner Bürger Kapitalismus und Glaube, Religion und Familie, Privatbesitz und Eigenverantwortung in Glauben an und Verantwortung vor Gott (wie von Marx und Lenin, Lukásc und Gramsci gefordert). Seitdem bekämpft „der Westen“ seine Wurzeln, die ihn großgemacht haben. Deswegen geht er vor die Hunde. Corona und Klima sind nur verschiedene Symptome der gleichen Krankheit.

Genauso abgehalftert sind die deutschen Kirchen. Die sind verloren, egal wie lange die Zombies noch rumwackeln. Wie bei den europäischen Staaten ist es nur eine Frage der Zeit.

Menschlicher Tatendrang und das Bedürfnis zu glauben sind uns gegeben und bleiben. Da freie Menschen und freie Märkte der natürliche Zustand sind, zu dem alles strebt, und der Mensch glauben will und damit immer zu einer Religion streben wird, die alle seine Bedürfnisse erfüllt und auf für menschliche Gemeinschaft produktive Weise kanalisiert, werden auch diese Zustände irgendwann wieder herrschen.

Dies wird allerdings in Europa einige Generationen dauern. Bis dahin steuert alles auf eine Welle von Krisen hin, die alle im gleichen Moment überschwappen werden. Das Endspiel von Davos wird nicht schön, viele werden leiden und sterben.

Wieskirche (c) Pixabay

Danach wird auch christlicher Glaube in Europa wieder eine große Rolle spielen. Die Staatskirchen Deutschlands wird man dann als Verirrung sehen, die ihren eigenen spirituellen und wirtschaftlichen Untergang beschleunigt hat.

Ich glaube fest, daß der Kölner Dom, unsere herrlichen bayrischen Barockkirchen und die Marienkirche in Danzig dann wieder bersten vor Gläubigen. Und diese grauenhafte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche entweder anständig hergerichtet oder abgerissen oder neu gebaut wird. Wie alle Kirchenbauten des 20. Jhdt. und alle Plattenbauten ist sie unwürdig und peinlich.

In diesem Sinne:

Glauben müssen wir, wir können nicht anders. Ob an Gott oder den Staat. Wählen wir weise.

Gott können wir uns aussuchen. Vom biblischen Gott bis zu Buddha und Allah. Wählen wir weise.

Christentum ist eine Option, historisch die erfolgreichste. Andere stehen zur Wahl. Weise wählen …

Kirchen und Sekten gibt es wie Sand am Meer. Wählen wir weise …

Sola scriptura klingt gut: Unverfälscht durch Macht und Wort. Meine persönliche Erfahrung ist, daß die Kommentare der Jahrtausende von Paulus bis Prager benötige, um sola scriptura überhaupt zu verstehen. Ich gehe ja auch nicht unvorbereitet in einen Marathonlauf.

Im Anfang war das Wort … Und logos schließt Benennung, Bezeichnung, Urteil, Logik, Durchdenken und Erfassen und unendlich viel mehr ein. Die Welt ist nicht nur „einfach so, wie sie ist“. Wir selber erschaffen sie jeden Tag mit durch unser Denken und Handeln. Die Bibel lehrt uns, dies auf der Grundlage der Zehn Gebote täglich zu tun.

Dies zu tun, ist sehr erfüllend im Einssein mit Gott und der von ihm geschaffenen Welt.