Fluch der Inkompetenz

Die "Ampel". Kaum in der Regierung, zeigt sich schon das Chaos und der Rost. Bild: Pixabay

Von DR.PHIL.MEHRENS

Die “Ampel”. Kaum in der Regierung, zeigt sich schon das Chaos und der Rost. Bild: Pixabay

So schnell hat sich noch keine Bundesregierung selbst zerlegt. Nach nur vier Monaten und dem Lauterbach-Debakel mit dem grundgesetzwidrigen Zwangsimpfungsgesetz steht das Kabinett Scholz vor einem Scherbenhaufen.

Normalerweise durchweht ein Hauch von Euphorie und Aufbruchsstimmung die Frühphase einer frisch ins Amt gewählten Regierung. Jedem Anfang wohnt schließlich ein Zauber inne. Die SPD-Regierung von Bundeskanzler Scholz jedoch durchweht schon jetzt der Leichengeruch von Ministern, die mit der bisher gezeigten Leistung nie im Leben eine ganze Legislaturperiode überleben können. Dem Anfang, den Scholz & Co. hingelegt haben, wohnt kein Zauber inne, sondern der Fluch der Inkompetenz. Mancher hat das kommen sehen: Komiker unkten schon im Dezember, es sei nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob hier ein neues Kabinett die politische Bühne betrete oder ein neues Kabarett. Was damals, zu Beginn der Ära Scholz, nach satirischer Überzeichnung klang, wirkt vier Monate später angesichts der desolaten Bilanz der neuen Regierung schon fast schmeichelhaft. Selbst das letzte Kabinett Merkel brauchte vier Jahre, um so viele Rücktrittskandidaten hervorzubringen wie die Ampel in nur vier Monaten.

Als größte Rohrkrepiererin im Amt galt noch vor einer Woche Christine Lambrecht, die Frau der 5.000 Helme, die zu ihrem neuen Arbeitsplatz kam wie die Jungfrau zum Kinde. Dass Lambrecht eine Haubitze von einem Ofenrohr unterscheiden kann, scheint als Qualifikationsnachweis ausreichend gewesen zu sein. Aus Kreisen der Bundeswehr wird kolportiert, dass die Verteidigungsministerin keinen rechten Zugang zur Welt hochrangiger Militärs findet, in der Tugenden kultiviert werden, die bei einer linken Parteikarriere eher im Weg stehen. Die Verzögerungen bei längst abgesegneten Waffenlieferungen an die Ukraine verraten eine Unsicherheit, die genau so zu erwarten war, in Krisenzeiten aber natürlich Gift sind für den Ruf Deutschlands in der Welt.

Gift für den Ruf von Familienministerin Anne Spiegel waren peinliche Textnachrichten aus ihrer Zeit als rheinland-pfälzische Umweltministerin, in denen es um das richtige “Wording” und ein von ihr gefürchtetes “Blame-Game” ging. Auf deutsch: “Wie überstehe ich den Nachweis meiner Unfähigkeit ohne Reputationsdelle?” Wir erinnern uns dunkel daran, dass ein österreichischer Bundeskanzler zurücktreten musste, nachdem ähnlich peinliche Kurzmitteilungen öffentlich geworden waren. Schon Spiegels exzentrische Wortwahl zeigt, welchem Milieu die grüne Spitzenpolitikerin entstammt: dem abgehobener urbaner Eliten, die wie früher die Betonköpfe der SED groß geworden sind in einer Echokammer mit eigenem Kaderjargon, einer Echokammer, die man sich am besten vorstellt als WG-Zimmer im Elfenbeinturm der neomarxistischen Weltrevolution, die Wände aufgehübscht mit Anarcho-Graffiti und Che-Guevara-Poster.

Damit dürfte auch die politische Sozialisation von Nancy Faeser adäquat beschrieben sein, Spiegels Kollegin im Innenressort, der Frau, die sich mit einem geschriebenen Molotow-Cocktail in einem  linksextremen Kampfblatt längst aus dem Amt gesprengt hätte, würde die bundesdeutsche Zivilgesellschaft noch über kritische Leitmedien verfügen statt über Hofberichterstatter.

Ungewohnt unsouverän auch Annalena Baerbock, die neue Außenministerin, die bei offiziellen Stellungnahmen an vorgefertigten Textblöcken aus dem Außenamt klebt wie TV-Moderatoren am Teleprompter, um sich keinen Lapsus zu erlauben, und der in freier Rede vor Reportermikrophonen Verhaspler unterlaufen, die man von ihr in ihrer Rolle als Oppositionspolitikerin so nicht kannte. Manche erinnert die rhetorisch stolpernde Außenministerin bereits an den glücklosen CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger.

Heißester Rücktrittskandidat ist nach dem Abstimmungsdebakel vom 7. April aber natürlich Karl Lauterbach. Viele hatten im Anschluss an seinen Amtsantritt als Gesundheitsminister erwartet, er werde sich wegen der Ansprüche, die die Leitung eines Bundesministeriums an ihn stellt, zum seriösen Politiker wandeln, der keine Zeit mehr hat für Talkshow-PR in eigener Sache. Heute wissen sie es besser: Die Dauerpräsenz des rührigen Ressortleiters nahm eher noch zu. Nicht durch solides Arbeiten im Ministerium hoffte er sein Herzensprojekt, die grundgesetzwidrige Impfpflicht, durchzusetzen, sondern durch Agitprop-Methoden unter Zuhilfenahme willfähriger Leitmedien. Immerhin ergaben sich daraus für den Zuschauer jede Menge weiterer Gelegenheiten, Symptome für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung des Ministers zu sammeln. Im März war Lauterbach sogar der skurrile Held einer sogenannten Doku-Soap: Für “Konfrontation” (ARD-Mediathek) hatte Lauterbach dem Spiegel-Journalisten Markus Feldenkirchen Einblicke in sein Privatleben und sein Pingpong-Talent gewährt. Der Film zeigt einen Gesundheitsapostel zwischen Wahn und Wirklichkeit. Dass dem Mediziner einige wesentliche Charakterzüge fehlen, die für einen hohen Regierungsposten zweckdienlich sind, war innerhalb der politischen Szene schon vor seinem überraschenden Vorrücken auf ein Ministeramt bekannt. Nur ein essenzieller Mangel an emotionaler Intelligenz erklärt einen Aussetzer wie die Annullierung einer mühsam zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Quarantäneregelung per Talkshow-Auftritt. Mit dem Scheitern der von ihm mit maximalem Aufwand propagierten Impfpflicht ist Lauterbach irreversibel beschädigt.

Das umstrittene Gesetz hat sich auf ähnlich desaströse Weise verselbständigt wie der Besen in Goethes Zauberlehrling. Nachdem der Vorschlag in der Welt war, wurde man ihn nicht mehr los. Das Ding entwickelte Eigenleben, fing an zu wüten, war nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. Scholz’ Denkfehler: Er glaubte das Rezept seiner Vorgängerin – Machtkonsolidierung durch Populismus – kopieren zu können, ohne über die Mehrheitsverhältnisse einer Groko zu verfügen. Die Impfpflicht sollte kommen, weil Umfragen im Volk Zustimmung signalisierten. Die Fantasie des Kanzlers scheint nicht ausgereicht zu haben, um sich vorzustellen, dass die opportunistische Merkel-CDU, der er seine Macht verdankt, sich rückstandsfrei in Luft aufgelöst hat. Hoffte er, dass ein renitenter Rest die von Friedrich Merz angeführte Palastrevolte versteckt im Uhrenkasten überlebt hat, um am 7. April wie Kai aus der Kiste zu springen und die guten alten Groko-Zeiten wieder aufleben zu lassen?

Scholz und Lauterbach verzockten sich, weil die Christdemokraten verblüffend schnell in eine effiziente Oppositionsrolle hineingewachsen sind. Die Ablehnung der Ampel-Vorlage zur Impfpflicht ist vor allem das Verdienst des neuen Unionsfraktionschefs, der die Chance, die neue Regierung ganz, ganz alt aussehen zu lassen, mit kühlem taktischen Geschick genutzt hat, ohne Impfbefürworter zu verprellen.

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