Ärztin verlor Job, sie verstand Gesetz zu wörtlich

  • Corona ist nicht nur ein Virus, sondern ein deutscher Spaltpilz
  • Darf man das IfSGesetz auch „Ermächtigungsgesetz“ nennen?

Von Albrecht Künstle

Es geschah im Land über dem, einem Werbeslogan gemäß, die Sonne lacht – Südbaden. Aber jetzt könnte ganz Deutschland über Südbaden lachen – oder sich die Augen reiben? Eine praktizierende Ärztin aus Lahr stimmte nicht in den Chor ihres Berufsstandes mit ein, das aufgetretene Covid-19-Virus sei einer verheerenden Massenerkrankung mit zwingend tödlichem Ausgang, ähnlich wie die Pest, gleichzusetzen. Sie beruhigte ihre Patienten in der Praxis und die Menschen außerhalb. Und jeden Samstag gab sie als Veranstalterin auf einem städtischen Platz allen die Möglichkeit, unter dem „Auge des Gesetzes“ zu sagen, was diese in der schlimmen Corona-Zeit bewegte.

Die Teilnehmer waren froh, andere Leute zu sehen und sogar mit ihnen sprechen zu dürfen, weil das in Gaststätten und zu Hause kaum mehr möglich war. Die Ärztin ließ aber nicht nur andere sprechen, sondern tat es auch selbst. Und so blieb es nicht aus, dass sie die Verschärfung desInfektionsschutzgesetzes IfSG ein Ermächtigungsgesetz nannte – auch in einer Zeitungsanzeige, die von noch mehr Leuten gelesen wurde als auf den Zusammenkünften waren. „Das geht natürlich gar nicht“ hat die Staatsmacht von Merkel gelernt. Für die Medien vor Ort ein gefundenes Fressen.

Über die Ärztin wurde zwar kein Berufsverbot verhängt, aber ihr wurde vom Kretsch-Land Baden-Württemberg gekündigt. Denn sie war auch Polizeiärztin in Teilzeit bei der örtlichen Polizeihochschule. Mit der Verwendung des Begriffs „Ermächtigungsgesetz“ zog sich die Ärztin den geballten Zorn der Presse und der Staatsmacht zu. Sie erhielt die Kündigung, weil sie mit diesem Wort den heutigen Gesetzgeber mit dem Dritten Reich gleichgesetzt habe. Die Ärztin erhob Klage gegen die Kündigung und begehrte ihre Weiterbeschäftigung. Beides wurde abgeschmettert, weshalb sie Berufung beim Landesarbeitsgericht Freiburg einlegte. Doch auch diese wurde von der 10. Kammer zurückgewiesen (bis zum Rentenbeginn war ich bei der 11. Kammer). Revision ließ das Gericht nicht zu!

Dieses Fehlurteil zeigt, wie die Rechtswissenschaft immer mehr politisiert wurde. In meiner Ausbildung galt noch der geflügelte Lehrsatz „Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Dieser Grundsatz, beim Verfassen eines Urteils in die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu schauen, wurde offensichtlich sträflich verletzt. Denn die Einordnung des Begriffs „Ermächtigungsgesetz“ und seiner Diktion wurde von den Richtern exakt ins Gegenteil verkehrt. Lesen und staunen Sie selbst:

Am 24.03.1933 beschloss der Reichstag kein „Ermächtigungsgesetz“, denn jenes Mach(t)werk, das die noch demokratische Reichsverfassung änderte, hieß Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich. Mit ihm wurde beschlossen, dass Gesetze durch die Reichsregierung geändert werden können, nicht mehr durch das gewählte Parlament, den Reichstag,. Das Wort Ermächtigung kam in jenem Gesetz an keiner Stelle vor. Ähnliche Gesetze wurden schon in der Weimarer Republik verabschiedet und angewendet. Bemerkenswert und stellvertretend, dass z.B. dieser fünfseitige Kommentar aus jüngerer Zeit den Begriff „Ermächtigungsgesetz“ 46 mal verwendet – obwohl er im Urtext gar nicht vorkommt.

Dagegen verwendet das umstrittene Infektionsschutzgesetz IfSG die Begriffe „ermächtigt“ und „Ermächtigung“ 70 (siebzig) mal! Die Begriffe „Verpflichtung“ 50 mal, „Anordnung“ 39 mal, „Verbot“ 34 mal, „Untersagung“ 12 mal – „erlaubt“ null mal. Rekordhalter des Reglementierungs-Wortschatzes sind also die Ermächtigungen im IfSG. Und dieses Werk soll nicht so genannt werden dürfen, wie es dem Regelungszweck entspricht? Dass uns die Legislative bei ihrem Wirken Rätsel aufgibt, ist nicht neu. Aber nun auch die Judikative? Mein Glaube an die Rechtsprechung hat mit diesem Urteil schwer gelitten.

Wenn sich schon Richter nicht bewusst sind, was sich in den unterschiedlichen Gesetzen versteckt oder auch nicht, wie soll dann der einfache Bürger wissen, was er sagen darf und was nicht. Sind wir eigentlich schon wieder so weit, überlegen zu müssen was wir sagen? Dass nicht jeder tun und lassen darf was er oder sie will ist in Ordnung. Aber wenn das Wort Ermächtigungsgesetz auf den Index gestellt wird, ist es nicht mehr weit bis auch das Denken reglementiert und abgestraft wird. Dient das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ (Infektionsschutzgesetz – IfSG) etwa gar nicht seinem erklärten Zweck, sondern der Bekämpfung von Menschen, die nicht der gesetzten „Norm“ der Herrschenden entspricht?

Wäre ich von dem Urteil betroffen, würde ich Nichtzulassungsbeschwerde erheben in der Hoffnung, dass Bundesarbeitsrichter das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (sog. Ermächtigungsgesetz) und das Infektionsschutzgesetz (faktisches Ermächtigungsgesetz) – es ermächtigt Minister und Behörden, was eigentlich den Parlamenten zusteht – besser kennen und beurteilen können als die Freiburger Richter. Und die zum Ergebnis kommen, dass diese Ärztin wohl kaum das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus verharmlosen und die Bundes- und Landesregierungen der Naziherrschaft gleichstellen wollte.

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