Deutschland tastet sich in einen Krieg vor, in dem es nichts verloren hätte – und macht sich ohne Not zur Kriegspartei

Von Leonhard Schmitz

Wir werden uns den  28. April 2022 merken müssen. Denn es war ein historischer Tag. Eine Un-Zeitenwende. Deutschland tastet sich in einen Krieg vor, in dem es nichts verloren hätte – und macht sich ohne Not zur Kriegspartei.

Wenn in einer Demokratie ein Parlament mehrheitlich etwas abstimmt, so hat man uns guten und lupenreinen Demokraten gelehrt, dann ist die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Dann hat der Souverän gesprochen.

In den letzten Monaten wurde manche Mehrheitsentscheidung im Bundestag nur als Folge längst entschiedener Hinterzimmer-Vereinbarungen vollzogen. Der Bundestag hat abermals bestätigt, was abgemachte Sache war. Aber selbst wenn nicht: Hat der Souverän denn gesprochen?

Daran darf, daran muss man zweifeln in Zeiten wie diesen, in denen Abgeordnete weniger denn je auf die Belange, Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger blicken.

Mit dem 28.April haben Abgeordnete über die Zukunft dieses Landes so sehr entschieden, wie vielleicht nie zuvor in der Geschichte dieser Republik. Sie haben sich dazu entschlossen, sehenden Auges einen Krieg zu eskalieren, der vielleicht noch regional beschränkt ausgefochten worden wäre – und der jetzt das Zeug dazu hat, auf Teile des Kontinents überzuspringen. Schien die Angst vor einem Dritten Weltkrieg in den letzten Wochen vielleicht noch hier und da etwas überzogen: Nach diesem 28. April 2022 wäre es eher ein Wunder, wenn er nicht ausbricht.

Was glaubt ihr, wie sich ein Land im Krieg anfühlt?

Der russische Präsident hat Konsequenzen angekündigt. Wie die aussehen werden, können wir noch nicht genau sagen. Die feministische Außenministerin stellt indes klar, dass sie einen Atomkrieg nicht ausschließen könne. Auf Grundlage dieser potenziellen Gefahr einen Krieg auszurüsten, der nicht der Krieg der Bundesrepublik ist und der auch nicht der Krieg der Europäischen Union sein müsste, wenn man sich dazu entschlossen hätte, nicht ständig aus der Ferne zu zündeln, muss man als Anschlag auf die eigene Bevölkerung begreifen. Schaden vom deutschen Volk abzuwenden: War das nicht mal die Formel eines Eides?

Es müssen ja nicht gleich Atombomben sein. Was, wenn in einigen Tagen die Eisenbahnstrecken oder die Straßenabschnitte in Deutschland, Polen, Tschechien oder der Slowakei beschossen werden, um die Auslieferung des schweren Geräts und die Nachschublinien zu verhindern? Glaubt dann noch jemand, dass die endgültige Entfesselung zu verhindern ist?

Laut Umfrage der öffentlich-rechtlichen Staatssender in den letzten Tagen sei »die Mehrheit der Deutschen« angeblich für die Waffenlieferungen –die ARD meldete jedoch eine unentschiedene Stimmung. Ahnen die Befürworter, was das bedeuten kann? Bleiben sie auf Regierungskurs, wenn irgendein Kriegsherr, die Verteidigungsministerin etwa, quasidiktatorische Befugnisse erteilt bekommt? Wenn Urlaube gestrichen werden oder russische Freunde, Bekannte, Ehepartner ausgewiesen werden? Wenn Ressourcen knapper werden als sie es jetzt schon sind und Geld immer weniger Wert besitzt? Werden sie jubeln, wenn man Journalisten und Publizisten verbietet, defätistische Gedanken zu vermitteln? Wenn andere Meinung sanktioniert wird?

Was glauben die Befürworter eigentlich, wie sich ein Land im Krieg anfühlt? Haben wir nicht immer wieder betont, dass vom deutschen Boden nie wieder Krieg ausgehen soll? Klar, man hört sie unken: Aber der Krieg ging ja vom russischen Boden aus – wir helfen nur, wir haben nicht angefangen. Rechtfertigt das, einen Stellvertreter- und Vasallenkrieg anzufachen, der das ganze Land in einen Abgrund zu ziehen vermag? Wenn man durch eigenes Handeln (oder eben Unterlassen) einen Weltkrieg verhindern kann, dann tut man das. Mag das vielleicht auch unmoralisch anderen gegenüber sein: Eine Erde, die zu brennen droht, rechtfertigt auch Unmoral.

Es gibt keine richtige Seite

In den letzten Jahren wurde viel von den vermeintlichen Nazis gesprochen, die es in den Bundestag geschafft haben. Gemeint war damit natürlich die AfD. Dass es eben jene Partei ist, die jetzt zusammen mit den letzten Resten der Linken gegen die Eskalation stimmte, sagt viel über den Rechtsruck im Lande aus. Es ist ein völlig anderer Rechtsruck als alle, die diese Republik je erlebt hat. Die letzten Rücke dieser Art standen auch dazu; als die NPD in den Sechzigern erstarkte, machten die Protagonisten dieser Partei niemanden weiß, sie seien gar nicht rechts. Der aktuelle Rechtsruck tarnt sich, verbirgt sich hinter einer vermeintlich linken Attitüde. Er gibt sich als Linksruck aus, steht aber in der Tradition unser Groß- und Urgroßeltern.

Vielen im Lande geht es nicht um Krieg oder Frieden. Es geht ihnen um recht haben, um prüden Moralismus, darum auf der richtigen Seite stehen zu wollen. Aber wenn diese Haltung in einen Krieg mündet, wenn sie dazu geeignet ist, das Unglück der Welt in einem Grade zu verschärfen, dass Millionen von Schicksalen völlig aus der Bahn geworfen werden, dann steht am Ende keiner auf der richtigen Seite. Haben uns Tausende Sonntagsreden nicht gelehrt, dass im Krieg nie jemand richtig steht?

Üben wir uns im falschen Appeasement, weil wir einen Frieden wollen, der ukrainische Menschen – übrigens auch russische Menschen – in den Tod schickt? Aber was ist falsch daran, wenn man diesem Leiden nicht noch mehr, noch viel mehr weitere Leiden folgen lassen will? Utilitarismus ist nicht immer angebracht. Aber hier, wenn es um die maximal mögliche Vereitelung vom Leid geht, kann man doch gar nicht anders. Das ist nicht Appeasement: Das ist Vernunft.

Mit dem 28. April 2022 ist endgültig klar, dass der Mensch, ja noch nicht mal ein ganzes Volk, wird es auch noch so oft daran erinnert, nicht aus der Geschichte lernen kann. Alles was wir beteuert haben, dieses nie wieder Krieg, nie wieder Totalitarismus, nie wieder blind in so ein Szenario tappen: Alles umsonst, alles vergeblich –  die Lehren der Geschichte verblasst. Das sich ausgerechnet die grünen Enkelinnen und Enkel des besonders wachsamen Bürgertums hervortun, diesen Kontinent in die Hölle zu schicken, macht nur deutlich, was für eine unsägliche Mogelpackung man den Wählerinnen und Wähler als progressiv, anständig und weitsichtig verkauft hat. Nach Stand der Dinge: Ein tödlicher Irrtum!

Die Politiker/innen, die heute glauben, in echten Entscheidungspositionen zu sitzen, obwohl sie lediglich Sockenpuppen der Amerikaner sind, gehören einer Generation an, die in „gut bürgerlichen“ bis gehobenen Kreisen wohlbehütet und mit Computern und Spielkonsolen groß geworden ist, die  ein völlig verqueres Abbild der Wirklichkeit vermittelt hat.

Leonhard Schmitz. Bürgerjournalist