“Putin ist tot!” – Wäre die Kriegsgefahr in Europa dann gebannt?

Michael van Laack

Als Adolf Hitler sich im Berliner Bunker das Hirn aus dem Schädel blies bzw. nach nationalsozialistischer Lesart “in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend für Deutschland gefallen” war, löste diese Nachricht nicht bei jedermann Freude aus. Die Russen hätten ihn gern selbst öffentlichkeitswirksam ohne Prozess aufgeknüpft und die anderen Alliierten vor ein Gericht gestellt, um ihn vor allen Deutschen als das zu enttarnen, was er war: Ein Kriegsverbrecher und Völkermörder!

Zudem beeinflusste Hitlers Tod in keinster Weise mehr den Kriegsverlauf, denn die Messe war gelesen. Deutschland in Schutt und Asche, die Wehrmacht nur noch in wenigen Gebieten stark genug, um vielleicht drei Monate sinnlos weiterzukämpfen.

Hitlers tatsächliches und Putins mögliches Ende nicht vergleichbar

Wie anders würde sich die Situation mit Blick auf den Ukrainekrieg und weitere Bedrohungslagen für andere Staaten auf die Zukunft hin betrachtet im Fall von Putins Ableben darstellen? Eine Frage, deren dem jeweiligen Szenario angepassten Antworten selbstverständlich Spekulation bleiben müssen, bestenfalls Annäherung aufgrund bekannter Fakten darstellen können. Doch sie zu stellen und zu klären zu versuchen, erscheint mir aufgeheizten Nachrichtenlage dieser Tage keine nutzlose Beschäftigung zu sein.

Tot ist, aber die Frage des wie ist hier entscheidend

Denn es ist nicht ganz unwesentlich für politische und militärische Prozesse, auf welche Art und Weise sich der russische Präsident aus seinem weltlichen Reich in den russisch-orthodoxen Heldenhimmel verabschieden würde.

Der Idealfall wäre gewiss Selbstmord mit einem Abschiedsbrief, in dem Putin wortreich erklärt, nicht mehr mit der Schuld leben zu können, der russischen Föderation durch seinen sinnlosen Angriffskrieg ungeheure außenpolitische und wirtschaftliche Schäden zugefügt zu haben. Doch eher würde Olaf Scholz aus der SPD aus- und in die AfD eintreten, als dass dies geschieht. In diesem unwahrscheinlichen Fall hätten seine Nachfolger auf jeden Fall keine Legitimation mehr, den bestehenden Krieg weiterzuführen oder einen neuen casus belli zu suchen.

Putin todkrank? Propagandalüge oder Hoffnungsschimmer?

Im Fall des Todes durch eine Krankheit wäre für den weiteren Verlauf des Krieges und die strategische Ausrichtung entscheidend, ob es sich um einen plötzlichen Tod (z. B. Herzinfarkt) oder ein langwieriges und am Ende auch der russischen Öffentlichkeit bekanntwerdendes Leiden handelt. In diesen Tagen wird in den Medien viel über Putins Gesundheitszustand spekuliert.

Das scheint mir Teil der Strategie der russischen Propaganda zu sein, die durch Krebsgerüchte die Furcht der EU vor der Unberechenbarkeit des Präsidenten stärken will. Die Botschaft lautet: Wenn der Mann tatsächlich durch Krankheit dem Tod geweiht sein sollte, wird er eher zu einem Atomschlag bereit sein, falls er in welcher Form auch immer in Bedrängnis gerät oder sich auch nur bedrängt fühlt. Denn sein Leben endet ja ohnehin bald.

Bei Tod durch Krankheit kein Strategiewechseln oder Systemchange

Wie auch immer! Im Fall eines plötzlichen natürlichen Todes könnte ein kurzes Machtvakuum stehen, dass der inner circle aber rasch beseitigen könnte. Im Fall eines Dahinsiechens ohne Aussicht auf Heilung würde der Machtwechsel geordneter ablaufen. Auswirkungen auf Russlands globale Agenda und den Willen zur Schaffung von neuem Lebensraum im Westen aber hätte beides nicht.

Denn grundsätzlich gehen alle Vollmachten bei Rücktritt, Amtsunfähigkeit oder Tode eines russischen Präsidenten auf den Regierungsvorsitzenden über. Das ist zwar aktuell noch der als eher liberal geltende Michail Mišustin, aber der könnte sich nicht lange im Amt halten, zumal ohnehin in Russland nach spätestens drei Monaten die Neuwahl stattzufinden hat. Auch gibt es bereits Gerüchte, ihn aus dem Amt entfernen und durch einen Gefolgsmann Medvedevs zu ersetzen.

Die Alternativen nach Putin: Kontinuität oder Verschärfung

Medvedev, der Putin als russischer Präsident sowohl nachfolgte als vorausging und Verteidigungsminister Schoigu galten längere Zeit als aussichtsreiche Kandidaten im Fall des Ausfalls Putin. Doch der eine hat klar signalisiert, keine Ambitionen mehr zu haben, der andere ist im Zuge der Misserfolge zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine in Putins innerem Kreis in Ungnade gefallen. als aussichtsreiche Kandidaten werden aktuell Alexander Bortnikow, der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und Regionalgouverneur Aleksej Djumin gehandelt, der 2014 hauptverantwortlich die Besetzung der Krim organisiert hat. Beide sind wie Putin Dugin-Apostel und würden die Westpolitik Putins in allen Bereichen eins zu eins fortführen. Ob beide allerdings den nötigen Rückhalt im Militär hätten, bleibt fraglich.

Auch die meisten anderen als Nachfolger gehandelten Politiker oder Militärs liegen auf jener strategischen Linie gegenüber der NATO, die Putin im November letzten Jahres in seinen “Vorschlägen” skizziert hat: Rückzug des westlichen Verteidigungsbündnisses auf die Grenzen von 1992 und Neutralität der später aufgenommenen Nationen. Der Tod Putins würde also den Konflikt nicht beenden, im schlimmsten Fall sogar verschärfen.

Das Attentat – Eine Option mit unabsehbaren Folgen

Nicht außer Acht lassen dürfen wir allerdings das Szenario “Tod durch Attentat”. Hier käme es sehr darauf an, ob Interessengruppe zweifelsfrei für das Attentat verantwortlich gemacht werden könnten oder sich dummerweise gar dazu bekennen würden. Könnte westlichen Geheimdiensten das Attentat unzweifelhaft nachgewiesen werden, würde der Krieg sofort eskalieren. In welcher Dimension, lässt sich kaum einschätzen.

Da aber die NATO- und EU-Staaten Putin und sich selbst fast täglich versichern, nichts tun zu wollen, dass eine Eskalation wahrscheinlicher macht, können wir diese Möglichkeit getrost vergessen. – Für den Fall, das nicht zweifelfrei belegt werden könnte, wer für das Attentat verantwortlich ist, würde die Tonlage gegenüber dem Westen definitiv deutlich rauer und die aufrüstungsspirale sich beschleunigen.

False Flag – Das unwahrscheinlichste Szenario

Selbstverständlich gäbe es die Möglichkeit, die Ermordung Putins durch interessierte russische und ausländische Kreise als False Flag zu gestalten. Das wäre aber zum einem extrem aufwendig (an den russischen Präsidenten kommt kaum jemand heran) und dürfte andererseits ausschließlich für einen Personenkreis innerhalb oder außerhalb Russlands von Interesse sein, dem an einem atomaren Konflikt gelegen wäre, der globale Auswirkungen zeitigen würde. Im inner circle Putins, in China, den USA oder GB sehe ich aktuell keine attentatsfähigen Interessengruppen, die ein solches Ziel verfolgen.

Verschwörung zum Mord aus den eigenen Reihen

Die gefährlichste Situation dürfte allerdings entstehen, wenn sich Teile der politischen Führung, der Dienste und des Militärs gegen Putin verschwören, ihn töten oder auch nur gegen ihn putschen. Wenn dieser Putsch so schlecht vorbereitet wäre, wie vor einigen Jahren jener gegen Erdogan, würde der russische Präsident gnadenlos nach Stalins Vorbild Rache üben und sein Hass auf den Westen – den er im Hintergrund als eigentlichen Putschisten betrachten würde – könnte ins Unermessliche wachsen.

Sollte der Putsch fürs erste gelingen, Putin tot oder in Haft sein (Asyl in einem Drittstaat würden die neuen Herren niemals zustimmen), wäre die Gefahr eines Bürgerkriegs in der russischen Föderation und auf einige ehemalige Sowjetrepubliken übergreifend sehr groß. Es könnte regional (da Russland sehr groß ist, hat Region dort eine andere Dimension als z. B. in Deutschland) zur Treueverweigerung gegenüber dem neuen Regime kommen und eine nicht unerhebliche Zahl von Militäreinheiten den Oberbefehlshabern den Gehorsam verweigern. Wirklich gefährlich würde das Ganze durch die Atomwaffen im Land, die im schlimmsten Fall innerrussisch zur Anwendung kommen oder von irgendwelchen Psychopathen in Richtung USA und Europa geschossen werden könnten.

Der Mensch denkt, Gott lenkt!

So… Jetzt aber BREAK! Genug des “Könnte“ und “Würde“. denn es ist Gott sei Dank anders und soll auch so bleiben. Zweifellos: Putin muss weg, aber sein Abgang muss sich so weich wie möglich gestalten. Bis dahin müssen wir ihn weiter bekämpfen dürfen uns aber nicht der falschen Hoffnung hingeben, ohne ihn würde alles besser. Das haben manche bei Merkel auch gedacht und wurden eines Besseren 8oder Schlechteren) belehrt. wer glaubt nach Putin käme die Demokratie westlicher Prägung nach Russland, der glaubt auch, dass Deutschland das Klima der Welt retten kann oder die AfD in einem Jahrzehnt stärkste Kraft im Deutschen Bundestag wird. Irgendwann wird Putin wie jeder Mensch sterben. Gott allein kennt den Zeitpunkt. Und er hat ihn zweifelfrei richtig gewählt.

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