AfD: “Selbstreinigung oder Selbstzerstörung?” – Im Sieg des Flügels liegt die Antwort!

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Michael van Laack

Selbstreinigung oder -zerstörung: Die alternativlosen Alternativen der AfD” überschrieb ich vor etwas mehr als drei Jahren (am 12.06.2019) einen Artikel, der eine hitzige Debatte weit über den Blog “Philosophia Perennis” hinaus auslöste.

Gestern hat die Partei sich für die Selbstzerstörung in Sinne zunehmender Unwählbarkeit und dem Abschneiden vom Zugang zu neuen Wählergruppen entschieden, denn der real immer noch existierende (wenn auch offizielle aufgelöste) Flügel hat bei den Wahlen zum Bundesvorstand einen Durchmarsch hingelegt und alle Schlüsselposten von den Sprechern über Schatzmeister, Schriftführer und sechs Beisitzer gewinnen können. In den meisten Fällen mit knapp über 50 %, hin und wieder auch etwas mehr.

Die Spaltung der Partei ist deutlicher geworden als je zuvor. Darüber hatte ich gestern bereits in einem Artikel berichtet, ebenso über die Konsequenzen, die Parteimitglieder der so genannten bürgerlichen Mitte daraus jetzt ziehen sollten, aber kaum ziehen werden.

Heute möchte ich etwas tiefer gehen: Was sind die Ursachen dieser Entwicklung, was leitet die “Sozialpatrioten”, was hat es ihnen ermöglicht, die Partei endgültig zu übernehmen?

Das Problem der Augenhöhe

Dass sich innerparteilich der Flügel nicht nur im Osten, wo er geboren wurde, so stark profilieren konnte, liegt vor allem am rhetorischen (wohlgemerkt nicht einem intellektuellen) Defizit der “Bürgerlichen”, die sich über Jahre hinweg bemühten, zum Flügel gewissermaßen als starke Gegenbewegung eine “Alternativen Mitte” zu etablieren; zudem an einer fehlenden gemeinsamen Strategie der nie wirklich gemeinsam schlagenden oder mit einer Stimme sprechenden Flügelgegner und am Ressourcenmangel.

Intellektuelle – wie gesagt – sahen wir hüben wie drüben. Aber kaum einer aus der Mitte hätte in einer Podiumsdiskussion z. B. gegen Kubitschek oder Lichtmesz bestanden. Auch nicht gegen Maximilian Krah (den ohne Gegenkandidaten frisch gewählten Beisitzer im Bundesvorstand), der zwar offiziell nie dem Flügel zuzurechnen war, ihn aber klug und leise eskortiert hat. Und das alles nicht wegen der schlechteren Argumente, sondern wegen des Unwillens oder der Unfähigkeit, Sachliches mit Populistischem klug zu vermischen und so die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. “Machtergreifung” (auch innerparteiliche) setzt nicht nur den Willen voraus es zu tun, sondern auch die Fähigkeit, den Einzelnen zu (er)greifen, ihn an sich zubinden, sich seiner (im Guten oder Schlechten) zu bemächtigen.

Diesen Willen und diese Fähigkeit hatte die mittlerweile zum Restwiderstand zusammengeschmolzene “bürgerliche Mitte” in der AfD nie. Auch nicht, als sie objektiv noch 50 % bis 60 % der Parteimitglieder mit ihren Bootschaften erreichen konnte. Skrupellose lassen sich nur mit Skrupellosigkeit besiegen. Wer das nicht will oder kann, MUSS unterliegen.

Die “Mitte” litt unter “Sprechblockaden”

Es fehlen in der Mitte solche, die mit Sprache zu spielen vermögen, die im Subtext doppelt so viel auszudrücken vermögen wie im gedruckten Wort, die mitreißen. Das weiß man in Schnellroda, das weiß der Rechtsanwalt im Europäischen Parlament, dass weiß Weidel und sogar Chrupalla hat es mittlerweile begriffen. Deshalb hatten und haben sie alle nie mehr als ein Achselzucken übrig, wenn sie die Bürgerlichen lesen und hören! Die wenigen, von denen sie dann aber doch vermuten, sie könnten offenbaren, was sie sind und sich ihnen erfolgreich entgegenstellen, lassen sie nach dem Moriarty-Prinzip systematisch diskreditieren oder milder durch Dritte „einhegen“.

Mal mit Schmeicheleien, mal mit verschleierten Drohungen. Der Bauernschläue und vor allem der Disziplin innerhalb der Bewegung (nicht im Außenverhältnis), der Sammlungsfähigkeit und dem unbedingten Willen, die Partei zu übernehmen, hatten Lucke, Petri und nicht einmal Meuthen wirklich etwas Effektives entgegenzusetzen. Allerdings muss man diesen Dreien auch eine gewisse Arglosigkeit gepaart mit Beratungsresistenz attestieren.

Das entscheidende Problem: Die fehlende Strategie der “Bürgerlichen”

Hinter vorgehaltener Hand hörte ich über viele Jahre immer wieder von Mandatsträgern der AfD: „Der Flügel ist in der Minderheit. Machen sie sich keine Sorgen. Die werden wir einhegen. Wir fangen ja schon an. Schauen sie nur auf die Parteiausschlussverfahren. So, und nun lassen sie uns über Erfreulicheres reden…“.

Das entscheidende Problem: Die bürgerliche Mitte hatte keine Strategie, was auch und meiner Ansicht nach sogar hauptsächlich darin begründet liegt, dass kein eigenes philosophisches Fundament vorhanden war (und bis jetzt nicht ist) und auch deshalb der Wille zur Macht fehlt! Die Bürgerlichen schwimmen (oft einsam nebeneinander) in einem riesengroßen und unübersichtlichen Sammelbecken aller Anständige, der Non-Nationalkonservativen und derer, die zwar den Zerstörungskurs der Altparteien beenden wollen, aber keinerlei Konzept besitzen, wie denn Macht (so man denn irgendwann auf demokratischem Weg legitimiert würde, sie auszuüben) gestaltet werden soll Es fehlt jegliches Zukunftskonzept.

Höcke, Gauland, Brandner, Kubitschek besaßen schon früh eine “Idee”, eine “Vision”, ein Konzept für die Partei und für Deutschland. Das machte sie für Menschen wie Chrupalla, Weidel oder auch Krah so anziehend. Denn diese drei gehören zu jenem Typ Mensch, für den nach außen zur Schau stellbarer persönlicher Erfolg das Lebenselixier bildet.

Deshalb treibt es Menschen wie sie schier in den Wahnsinn, von solchen umgeben zu sein, bei denen dieses Konzept und somit auch der Wille zur Macht fehlt, die keinerlei politik-theoretischen oder philosophischen Unterbau haben, die ihre Reden mit Schlagworten bestreiten, vielleicht sogar noch Visionen haben, aber keine Strategie. Parteikollegen also, für die das angenehme Einrichten in der ewigen Opposition das höchste Ziel zu sein scheint.

Doch was ist nun der philosophische Unterbau jener, die seit gestern den Bundesvorstand der AfD vollständig kontrollieren?

Julius Evola – Die „Konservative Revolution“

Einer der Hauptpfeiler der (noch) subnationalen Sezessions-Bewegung um Götz Kubitschek ist Julius Evola. In zahlreichen Kolumnen auf der Netzseite der Sezession oder auch in solchen der gleichnamigen Zeitschrift wird seiner positiv gedacht. Besonders gefällt, dass Evola unverdächtig erscheint, weil er sich vom Faschismus abgewendet habe. Faktisch aber sind die Schnittmengen bei ihm groß, in Kernaussagen geht er auch über den italienischen Faschismus und den Nationalsozialismus hinaus.

Was er „Rassegedanken als Anti-Universalismus“ nennt, ist Götz Kubitschek das „Recht auf Ungleichheit“, an dem er wie Sellner das ganze ethnopluralistische Konstrukt hängt, dass in der NS-Rassenlehre wurzelt. Zudem denkt Evola die „Konservative Revolution“ frei von christlichen Moralvorstellungen. Kubitschek und seine Entourage wissen das selbstverständlich, verknüpfen aber immer wieder gern Evolas Revolutions-Begriff mit der Restauration des christlichen Abendlandes. Nicht aus Überzeugung. Das ist kluge Zielgruppen-Ansprache. Nicht von ungefähr sehen wir bei den römisch-katholischen Traditionalisten überdurchschnittlich viele Schnellroda-Fans.

Alexander Dugin – Ein neurechter Russe als Leitstern der Anti-Liberalen

Ihm huldigt man bei den Idealrechten, weil er den Liberalismus grundlegend ablehnt und zudem den westlichen Demokratien Kulturrassismus vorwirft. Dies kommt Kubitschek sehr entgegen, der immer wieder die Ideologie des Islams und seine intoleranten Strukturen verteidigt. Ebenso seinen Autoren, die schon häufig dem Tragen des Kopftuchs, dem Verzicht auf Schweinefleisch und der Kinderehe das Wort geredet haben.

Dugin war es auch, der den vom Politikwissenschaftler Joseph Nye eingeführten Begriff der „Soft Power“ in die „Neue Rechte“ eingeführt hat. Soft Power hat das Ziel, andere Akteure dazu zu bewegen, denselben politischen Willen zu entwickeln und folglich dieselben Ziele zu verfolgen, ohne dass man Bestechung oder Druckmittel einsetzen müsse. Die Strategie: Das Gemeinsame betonen, das Trennenden verschweigen, so dass am Ende alle glauben, für eine „Gemeinsame Sache“ zu kämpfen, z.B. die „Konservative Revolution“ oder „eine neue deutsche Republik“.

Gezielte Begriffsverwirrung. So holt man sich Weggefährten auf Zeit. Sobald diese entdecken, dass die gemeinsame Sache doch gar keine ist, weil die Unterschiedlichkeit der Ziele anhand notwendiger Zwischenentscheidungen (Restauration des christlichen Abendlands/antiliberale religionsneutrale Republik) offenbar werden, werden sie abgeschaltet. Dies soll spätestens geschehen, wenn die Macht ergriffen ist.

Weidel auf Kuschelkurs mit Neofaschisten – Die anderen werden ihr folgen!

Für die geistigen Vordenker der AfD ist vor allem der Flügel ein Transmissionsriemen, um die eigene Agenda und Ideologie ins Herz der deutschen Politik – nach Berlin – zu treiben, ohne selbst je als Parteimitglied oder in anderer öffentlicher Funktion in Parteinähe in Erscheinung treten zu müssen. Die graue Eminenz der Partei, die es nicht einmal nötig hat, sich mit AfD-Blau zu lackieren, um gemeinsam mit ihr eine anders gefärbte Republik zu formen.

Ein gewaltiges Ziel, aber machbar, da im Deutschland 2022 kaum jemand mehr wagen kann, eine Prognose der politischen Entwicklung über diese Legislatur hinaus zu formulieren. Friede Freude, Eierkuchen! Keine Berührungsängste mit jenen, deren Organisation auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei stehen. Alice Weidel geht mutig neue Wege, heißt es: Neue Wege? Nein, sie geht ihren Weg; egoistisch, ohne Rücksicht darauf, welche Signale ihre Auftritte in die kritisch beobachtende Öffentlichkeit – auch Wähler genannt – senden. Alice Weidel sucht die Nähe zu Gegnern der Demokratie, Gegnern der Republik. Auf Kuschelkurs mit Neofaschisten. So wird man Sprecherin der Alternative für Deutschland, so zerstört man die Zukunftsfähigkeit einer Partei.

Die AfD hat sich entschieden.

Sie wählt die Selbstzerstörung!

Flieht, Ihr Narren!

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