Palmsonntag: Der Esel symbolisiert das Judentum, das Jungtier das Heidentum

Palsonntag

Michael van Laack

In vielen Kirchen ist es seit manchem Jahr zur unseligen “Tradition” geworden, sich der Öffentlichkeit am Palmsonntag nicht mehr zu zeigen und stattdessen ein oder zweimal im Kreis durch die Kirche zu laufen. Dort, wo sonst ein kleiner Umgang (z. B. um den Straßenblock der jeweiligen Kirche oder auch nur um das Kirchengelände) stattfand, verzichten Gemeinden immer häufiger darauf.

Das ist allerdings keine Folge der Coronajahre. Diese Praxis sahen wir schon deutlich vor diesen unseligen Jahren. Ein Trauerspiel, das zwar gut zur aktuellen Verunsicherung des Klerus und der mittlerweile ganzjährigen Passion der Kirche samt ihrem immer mehr verdunstenden Selbst- und Sendungsbewusstsein passt, aber definitiv nicht zum Motiv des Palmsonntags.

Angleichung an die Welt ist das Gebot der Stunde!

An dem Tag, den wir heute Palmsonntag nennen, ist Christus in dem Wissen, dass er bald dort verraten, gefangen, gegeißelt und um unserer Erlösung Willen den Kreuzestod sterben werde, nach Jerusalem eingezogen. Auf einem Esel statt einem Pferd. Die große Mehrheit jubelte ihm dennoch zu, manch einer wir ihn verlacht haben und eine kleine Schar (der Hohe rat) fürchtete seine wachsende Beliebtheit, die in weltliche Macht münden könnte.

Wie auch immer: Sich wie Christus dem Spott der Welt aussetzen oder den Mächtigen in Politik, Medien und Gesellschaft ins Angesicht widerstehen? Nein, das will die Mehrheit der Bischöfe und Priester nicht mehr. Folglich wollen es auch immer weniger „einfache“ Gläubige in ihren Wirkungsbereichen (Familie, Freunde, Arbeitsplatz, Parteien, Vereine). Bei einem Rollenspiel würden sie sich eher im Hohen Rat sehen als bei den Aposteln und Jüngern. Konformität ist die neue Tugend der deutschen Katholiken.

Die Strahlkraft der Kirche schwindet, deshalb braucht es viele kleine Flammen

Und nein, man kann die Zeit auch nicht einfach zurückdrehen und sollte keinesfalls für sein persönliches (Glaubens-)Leben das Jahr 1950 oder gar 1875 zu erschaffen versuchen. In einer virtuellen historischen Lebenswirklichkeit, die die Entwicklung der Gesellschaft mit ihren wenigen positiven und zahlreichen negativen Folgen ausblendet, kann man weder evangelisieren noch Seelen retten, nicht einmal die eigene.

Wir müssen mit unseren bescheidenden Mitteln die aus christlicher Sicht negativen Folgen der gesellschaftlichen Entwicklungen zu mildern suchen. Um sie beseitigen zu können, fehlt der Kirche und somit auch den Gläubigen aktuell die Kraft und die notwendigen Werkzeuge, nicht nur in Deutschland.

Dies muss einer anderen Generation überlassen werden oder bis zum Tag der Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag warten. Aber auch abmildern wird nur gelingen, wenn wir die Ursachen des jeweiligen Übels erkennen und uns nicht mit dem Wissen zufriedengeben, dieses oder jenes Verhalten sei Sünde. Denn auch der Mediziner kann nur dann ein wirksames Arzneimittel “erfinden”, wenn er Ursache und Mechanismen der Krankheit kennt wie auch die Wirkung der einzelnen Zutaten und deren Zusammenspiel.

Es gilt, die Schwachen zu stärken, ohne sie darin zu bestärken, ihre Schwächen nicht als Schwächen, sondern als für sie individuell Gutes zu betrachten. Also kein “ich will so bleiben, wie ich bin!” “Du darfst, denn Gott liebt alle Deine Sünden und Fehler!”

Aus Altem Neues schöpfen (oder es einfach nur wiederentdecken)

Doch ich schweife vom Palmsonntag ab. Deshalb hier einige Gedanken eines meiner Lieblings-Liturgen aus seiner weitaus längeren Abhandlung zum Palmsonntag. zu finden in: Dom Prosper Guéranger, Das Kirchenjahr, Band 6 – Die Passions- und die Charwoche, Mainz, 1877 – dieses 15-bändige Werk wurde zwischen 1872 und 1902 nur ein einziges Mal ins Deutsche übersetzt und erfuhr bis 1904 Neuauflagen einzelner Bände.

Deshalb ist es selbstverständlich heute nur noch antiquarisch zu erreichen. Vollständig sehr selten und oft zu knapp vierstelligen Beträgen, in Einzelbänden häufig in schlechter Qualität und dennoch mittelhohen Preisen. – Hier nun ein kurzer Auszug:

Der Esel symbolisiert das Judentum, das Jungtier das Heidentum

„Freue Dich hoch, du Tochter Sions! Juble, du Tochter Jerusalems! Siehe, Dein König kommt zu Dir gerecht und als Heiland; er ist arm und reitet auf einer Eselin, auf dem jungen Füllen einer Eselin.“ (Sach 9, 9). Da Jesus sah, dass die Stunde der Erfüllung dieser Prophezeiung gekommen, sandte er zwei Jünger ab und befahl ihnen, eine Eselin und deren Füllen, dass sie in einiger Entfernung finden würden, ihm vorzuführen. Der Heiland war zu dieser Zeit bereits in Bethphage auf dem Ölberg angekommen. Die beiden Jünger beeilten sich, den Auftrag ihres Meisters auszuführen und alsbald stand die Eselin samt dem Füllen für Jesus bereit.

Die heiligen Väter haben uns den Schlüssel zu den Geheimnissen dieser beiden Tiere gegeben. Die Eselin stellt das jüdische Volk da, welches bereits seit Langem unter dem Joch des Gesetzes stand; das Füllen, auf welchem nach dem Evangelium noch kein Mensch gesessen hatte (Mk 11, 2), bedeutet das Heidentum, welches bis dahin noch niemand gebändigt hatte. Das Loos beider wird sich in wenigen Tagen entscheiden. Weil es den Messias zurückgestoßen, wird das jüdische Volk preisgegeben und an seiner Stelle nimmt Gott die Nationen an Kindesstatt an, welche jetzt zwar noch wild sind, dann aber an ihn glauben und seinen Willen befolgen werden.

Als König zog er ein, als König starb er!

So wollte Gott, der die Herzen der Menschen wie Wasserbäche lenkt, seinem Sohn einen Triumph in derselben Stadt bereiten, die wenige Tage darauf mit wildem Geschrei das Blut des göttlichen Messias fordert. Dieser Tag war ein Augenblick der Herrlichkeit für Jesus, und die heilige Kirche will, dass wir alljährlich das Gedächtnis dieses Triumphes des Gottmenschen erneuern. Zur Zeit der Geburt des Emmanuel sahen wir die Weisen tief aus dem Morgenlande kommen, wie sie in Jerusalem nach dem König der Juden suchten und forschten, denn sie wollten ihm ihre Huldigungen und ihre Gaben darbringen. Heute ist es Jerusalem selbst, das sich wie ein Mann erhebt, um vor ihm her zu ziehen.

Beide Tatsachen beziehen sich auf denselben Zweck, sie sollten die königliche Würde Jesu Christi anerkennen; die erstere vonseiten der Heiden, die zweite vonseiten der Juden; die erstere zur Zeit seiner Geburt, die zweite unmittelbar vor seinem Tode. Christus war geborener König, er war bis zu seinem Tode König. Bevor er in den Tod ging, musste seine königliche Würde von Juden und Heiden anerkannt werden – und als er am Kreuz hing, ließ der Vertreter der höchsten irdischen Gewalt in Jerusalem über seinem Haupt die Inschrift anbringen: Jesus von Nazareth, König der Juden. Und so starb er auch als König.

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