Lieber Rot und tot: Merz fährt Deutschland rücksichtslos vor die Brandmauer!

Heinrich Mattei*

Äußerungen von Politikern in Wahlkampfzeiten darf man nicht zu ernst nehmen. Das ist eine Binsenweisheit. Ich habe dies leidvoll erfahren, nachdem ich mich bei der Bundestagswahl 2009 zum letzten Mal dazu hatte hinreißen lassen, meine Stimme der FDP zu geben.

Wochenlang hatte deren damaliger Vorsitzender und Spitzenkandidat Guido Westerwelle (R.I.P.) zuvor gebetsmühlenartig verkündet, die FDP werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der nicht ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem vorsehe.

Das ist doch mal eine glasklare Ansage, dachte ich mir, dahinter kann er nicht zurück, und votierte am Wahltag für die FDP. Wie ich dachten offenkundig viele Wähler, denn die FDP erreichte bei der Bundestagswahl 2009 sage und schreibe 14,6%.

Versprochen, gebrochen!

Zum Abschluss der darauffolgenden Koalitionsverhandlungen saß Westerwelle neben Horst Seehofer und Angela Merkel in einer Pressekonferenz und ließ uns gut gelaunt u. a. wissen, dass Seehofer und er sich nun duzen würden.

Fassungslos saß ich vor dem Fernseher und fragte mich „Und was ist nun mit dem einfacheren, niedrigeren und gerechteren Steuersystem?“ Es gab danach keines, nicht mal einen Einstieg in ein solches. Es gab lediglich eine Steuererleichterung für Hoteliers, die nach meiner Erinnerung vor allem auf das Konto der CSU ging, die etwas für die diesbezügliche Klientel im Grenzgebiet zu Österreich tun wollte, dessen Hoteliers etwas günstigere Bedingungen hatten. Wie ich dachten augenscheinlich wiederum viele andere Wähler, denn die FDP legte bei der darauffolgenden Bundestagswahl mit 4,8 % einen beispiellosen Absturz hin und flog aus dem Bundestag.

Wird Merz den Einsturz der Brandmauer zulassen?

Nun könnte man mit Blick auf die aktuelle Lage auch etwas Positives darin sehen, dass selbst glasklare Aussagen von Spitzenpolitikern vor einer Bundestagswahl nach derselben keine Bedeutung mehr haben.

Es könnte ja sein, dass sich dann auch ein Friedrich Merz snicht mehr an seine „Niemals-mit-der-AfD-Schwüre“ erinnert und endlich die unsägliche Brandmauer niederreißt. Dies wäre aus Sicht der Unionsparteien eine kluge Entscheidung, denn CDU/CSU haben sich durch das Verschanzen hinter der Brandmauer in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von SPD und Grünen begeben. Letztere verstehen sich bestens darauf, diese hemmungslos auszunutzen. Deshalb kann – selbst wenn man unterstellt, dass in den Unionsparteien noch so etwas wie ein konservativ-liberaler Kern vorhanden ist – dieser in einer Zusammenarbeit mit SPD und Grünen nicht zur Geltung kommen.

Die Nazikeule ist zerbrochen

Indes haben sich CDU und CSU ein Niederreißen der Brandmauer selbst so gut wie unmöglich gemacht. Das ist die Crux. – Seit Gründung der AfD im Jahr 2013 haben sie diese im Gleichklang mit den anderen Altparteien und den Hauptstrommedien verteufelt. Zunächst stand hier vermutlich die Überlegung Pate, man müssen und könne die AfD genauso wieder loswerden wie in den 80igern und 90igern die Republikaner, wenn man sie nur lange genug wahlweise als populistisch, rechtsradikal oder rechtsextrem brandmarke. Dabei machte man die Rechnung allerdings ohne das Internet und vor allem ohne die sozialen Netzwerke, welche es zu den besten Zeiten der Republikaner noch nicht gab. Und so kam es anders. Statt in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden wurde die AfD immer stärker. In Kürze wird sie bereits zum dritten Mal in Folge in den Bundestag einziehen und das voraussichtlich mit Rekordergebnis.

Ein zweiter Denkfehler bei CDU und CSU hat sich inzwischen manifestiert. Merz, Seehofer, Söder, Kretschmer und Co. glaubten, sie könnten von der Union zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen bzw. zur Union zurückzwingen, wenn sie nur konsequent genug jede Zusammenarbeit mit ihr ausschlössen. Denn diese müssten dann ja wieder CDU/CSU wählen, wenn ihre Stimme nicht ohne Wirkung sein solle. Sie müssten doch einsehen, dass unter diesen Umständen eine Stimme für die Union sinnvoller sei, weil die Union dann in Koalitionsverhandlungen stärker dastehe und mehr konservative bzw. konservativ-liberale Politik durchsetzen könne.

Die Union ist nur im Wahlkampf konservativ

Dabei übersehen die Unionsstrategen jedoch, dass zur AfD abgewanderte ehemalige Unionswähler der CDU/CSU schlicht nicht mehr abnehmen, ernsthaft für die Umsetzung entsprechender Positionen einzutreten. Viel zu oft sind sie von den Unionsparteien betrogen worden. Viel zu oft mussten sie erleben, wie diese vor Wahlen konservative bis rechte Positionen in die Öffentlichkeit hinausposaunten, um dann nach den Wahlen umgehend links abzubiegen. Viele heutige AfD-Wähler haben schon lange vor Gründung der AfD die Unionsparteien nicht mehr aus Überzeugung gewählt, sondern nur noch, weil sie sich in Ermangelung eine Alternative dazu gezwungen sahen. Sie lassen sich heute nicht zurückzwingen. Dies gilt umso mehr als das heutige Spitzenpersonal der Unionsparteien mit einem Franz-Josef Strauß und dessen knallharten und furchtlosen Ansagen in Richtung der linken Parteien rein gar nichts mehr gemein hat.

Die Mitte ist rot und wird immer roter

Der dritte Fehler der Unionsparteien dürfte schlicht das Festhalten an dem altbundesrepublikanischen Dogma sein, dass sich rechts von ihr keine Partei etablieren dürfe. Sie waren aufgrund mangelnder Selbstreflexion nicht fähig zu erkennen, dass diesem Grundsatz wegen ihres eigenen Rückens immer weiter nach links inzwischen das Fundament, die innere Berechtigung fehlte. Zu groß war die Repräsentationslücke längst geworden, welche CDU/CSU im nationalkonservativen und christkonservativen sowie im konservativ-liberalen Wählerspektrum geschaffen hatten.

Es dürften hauptsächlich diese drei Fehlannahmen sein, welche die CDU/CSU dazu verleitet haben, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD in einer Entschlossenheit und Heftigkeit auszuschließen, dass sie jetzt nicht mehr dahinter zurück kann, ohne auf der anderen Seite ihres potenziellen Wählerspektrums auch noch völlig an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Die Unionsparteien haben sich in puncto AfD in einer Klarheit und Eindeutigkeit verrannt, dass es einen Weg aus der Sackgasse heraus schlicht nicht gibt. Sie stecken selbstverschuldet in der Falle, in einer Sackgasse, aus der es für sie augenscheinlich keinen Ausweg gibt.

Die Rechnung für die Brandmauer zahlen Volk und Land!

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* Dies ist ein Pseudonym. Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt. Aus nachvollziehbaren Gründen möchte er nicht öffentlich in Erscheinung treten.

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