Wer im Glashaus sitzt …

(www.conservo.wordpress.com)

Von Inge Steinmetz II

Heute Nacht hatte ich diesen Traum: Ich befinde mich in einem Raum, der rundum verglast ist, also auch Decke und Boden. In diesem Glaskasten stehen ein Bett, ein Schrank, in dem Kleider und Schuhe untergebracht sind, ein gefüllter Kühlschrank und ein Schreibtisch, an dem ich außer arbeiten auch essen kann. Ich kann nach draußen schauen, sehe, dass alle anderen Menschen – soweit ich blicken kann – in den gleichen Glaskästen sitzen.

An einer der Wände hängt ein Plakat, auf dem erklärt wird, wofür diese Häuser entwickelt wurden. Erstens zur Sicherheit der Menschen, die drinnen leben. So hat der Staat die Möglichkeit einzugreifen, wenn im Glaskasten eine Straftat passiert. Zweitens wegen des Klimas, weil es Energie spart. Sonne kann rein aber keine Kälte. Komischerweise friere ich während ich das lese. Und drittens kann sich niemand mit einem gefährlichen Virus infizieren! Es folgt viel Eigenlob für jedes Rundumpaket, das mit dem Glashaus verbunden ist und einige Anweisungen, was strikt zu unterlassen ist, zum Schutz für die Allgemeinheit. Eine davon lautet: „Nicht mit Steinen werfen.“ Welche Steine, frage ich mich, denn ich sehe keine! Es gibt auch eine Tür, aber das ist so eine Art Drehtür, wie man sie aus Zoos kennt, wo man nur in eine Richtung gehen kann. Hier führt sie nur IN den Glaskasten, aber ist man mal drinnen, gibt es keine Möglichkeit mehr aus ihm zu entkommen. „Offene Grenzen nach innen, sichere nach außen“, geht mir durch den Kopf. Irgendwo habe ich mal so etwas gelesen.In meinem und all den anderen Glaskästen gibt es alles Lebensnotwendige, also natürlich auch einen Fernsehapparat, der mich mit der nötigen Grundversorgung an „Wissen“ beliefert. Wenn ich nicht arbeite, esse oder schlafe bleibt also die Möglichkeit die Flimmerkiste einzuschalten und – da es im Grundversorgungspaket II enthalten ist – schalte ich den Apparat ein: Ich höre Stimmen, die fordern: „Wir MÜSSEN dafür sorgen, dass es allen Menschen so gut geht wie uns“ , oder betonen sie es doch anders? „WIR müssen dafür sorgen, dass es allen Menschen so gut geht wie uns“? Mir kommt der Gedanke, wer in so einem Glashaus leben möchte? Dann „Wir MÜSSEN das Klima retten“ oder doch, „WIR müssen das Klima retten“? Bevor ich sehe, was WIR noch MÜSSEN schalte ich ins nächste Programm! Es geht darum, was man mit Kindern macht, die aufmucken! Schickt man sie mit „Du bist ein Schmuddelkind, mit dir möchte ich nichts zu tun haben“ in die rechte Ecke oder doch lieber in ein Umerziehungslager?! Ich klicke weiter: „WIR werden nicht die Steuern erhöhen“ oder heißt es „Wir WERDEN nicht die Steuern erhöhen“? Egal, denke ich, sowieso gelogen! Und im nächsten Programm, immer wieder die alte Leier: „WIR schaffen DAS“!

Ein Klingelton schreckt mich hoch. Nein, ich bekomme keinen Besuch – ich könnte mich ja mit irgendetwas anstecken und raus könnte er auch nicht wieder – es ist nur das tägliche Grundversorgungs-Paket I, das mir – mit allem, was ich brauche (das bestimme aber nicht ich!) – von einem Roboter zugestellt wird. Ich öffne es. Fertiggerichte aus Fleisch- und Milchersatz, ganz ohne Zucker (wird garantiert!), angereichert mit allen nötigen Vitaminen und Spurenelementen sind im Paket. Selbst kochen muss ich nicht, die Regierung weiß besser, was gut für meine Gesundheit ist! Trotzdem befinden sich Unmengen von Tabletten, Alkohol und Zigaretten in der Schachtel. Was ich mit dem ganzen Zeug soll, weiß ich nicht. Ich trinke ganz selten Alkohol, nehme wenn möglich keine Medikamente und Rauchen tue ich auch nicht, aber das Paket ist ja ein Rundumpaket, Grundversorgung für Jedermann (stammt aus dem „Bestes All-Inclusive-Gesetz“, das die Regierung letztens rausgebracht hat). Also ich bezahle auch für das, was ich nicht konsumiere, kann es aber – so steht es auf dem Plakat – nein, ich muss es dann als Sondermüll entsorgen, was mich eine Stange Geld kosten wird.

Einmal im Monat darf man einen Gutschein einlösen, bekommt etwas geliefert, was man sich SELBST aussuchen darf! Ich hatte mir ein Megaphon bestellt, um den anderen in ihren Glaskisten etwas laut zuzurufen! Ich packe das Sprachrohr aufgeregt aus, teste es sofort. Sie haben es auf Zimmerlautstärke reduziert, „Lärmschutz“ nennen sie das, zum Wohl der Allgemeinheit!

Inzwischen erinnert mich das Ganze an eine nicht endende Geschichte im Arbeiter- und Bauernstaat. Wer in dem Glashaus sitzt und arbeitet, der darf essen, schlafen und sein Gehirn berieseln lassen! ABER bitte Ruhe halten, sonst fliegen die Scherben! Gerade haben sie in einem der Programme verkündet, dass die Glaskästen kleiner werden sollen. Es sei nicht genug Wohnraum für alle da, man müsse Platz sparen. Ich überlege, auf was ich verzichten kann in dem engen Raum. Die Luft zum Atmen kommt mir immer dünner vor.

Fast hätte ich vergessen zu erzählen, dass auch eine Toilette aus Porzellan im Glashaus ist. Wie alles andere von allen Seiten einsehbar, könnte ja sein, dass ich mir dort das Leben nehmen will. Wie war das noch mal mit „Nicht mit Steinen werfen“? Hat da auch was von Porzellan gestanden?

(Original: https://www.facebook.com/groups/1667987820155779/permalink/2616584755296076/)

www.conservo.wordpress.com     23.05.2020
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