Jedem das Seine, doch dem “Kampf gegen rechts” das Meiste. Das Motto der Feldjäger muss weg!

Michael van Laack

Schon lange keine negativen Schlagzeilen über die Bundeswehr mehr gelesen? OK, mit Ausnahme jener über Materialengpässe, den Zustand der Verteidigungsfähigkeit und dem Agieren bzw. Nichtagieren der Bundesverteidigungsministerin? Das muss sich ändern, dachte sich wohl die Frau Ministerin und einige ihrer hochrangigen Ministerialbeamten.

Denn leider gibt es aktuell kaum neue Nazi-Skandale. Kein Unteroffizier, der mit ein paar Hanseln den Sturz der Regierung plant oder in seinem “Führerhauptquartier gestohlene Waffen aus Bundeswehbeständen hortet; kein Rekrut, der auf einem öffentlichen Platz mit Reichskriegsflagge über den Schultern die ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes intoniert.. Nicht einmal ein Offizier, der sich als Unterstützer Höckes outet.

Wo bleibt der nächste Bundeswehrskandal? Ah, schau mal… ich hab’ ihn gefunden!

Doch wenn man lang genug sucht, findet man auch etwas. Notfalls auch ein dreimal aufgewärmtes oder schon gegessenes Thema. Deshalb wird nun geprüft, ob der von Feldjägern und Militärpolizei im Abzeichen lesbare lateinische Ausspruch “Suum cuique” weiterhin auf den Uniformen prangen darf. Denn immerhin – gut, dass das 77 Jahre nach Kriegende wieder einmal jemandem aufgefallen ist – lautet die deutsche Übersetzung “Jedem das Seine” und prangte am Tor einiger Konzentrationslager.

Blöd nur, dass die Nazis nicht die Urheber der Phrase sind, sondern wohl einer der bekanntesten griechischen Philosophen. In seinem Meisterwerk “Politeia” führt Platon aus, dass Gerechtigkeit dann möglich ist, wenn jeder “das Seine tut und nicht vielerlei Dinge treibt”. Konzentriere Dich auf Dich und Deine Angelegenheiten, schau nicht auf die anderen. Misch Dich nicht ein, lass sie gewähren und ihren Lebensweg selbst gestalten. Eigentlich eine gute Idee, oder?

Sprache entwickelt sich, Bedeutungen wandeln sich

Aristoteles entwickelte die Bedeutung dann in eine etwas andere Richtung, die später von den Römern (insbesondere Cicero) eher im juristischen Sinn verstanden wurde. Zwar geht es auch ihm immer noch um Gerechtigkeit, aber eher im sozialen und wirtschaftlichen Sinn. Entscheidend sei, so Cicero “einem jedem das Seine zukommen zu lassen sowie die Verlässlichkeit vertraglicher Abmachungen“. In der Zeit der Aufklärung ging es fast nur noch um materiellen Besitz. “Jedem das Seine” begründete die Eigentumstheorie.

Die Bedeutung, welche die auch später die Nazis in Buchenwald und anderen Konzentrationslagern dem Motto zuschrieben, ist jene Friedrichs I. von Preußen. Er interpretierte in “Suum cuique” “Jedem so, wie er es verdient!” Allerdings hatte er dabei nicht das Modell von herrenrasse und Untermenschen im Sinn, sondern Leistungen im militärischen und wirtschaftlichen Bereich und einen untadeligen Lebenswandel. Deshalb war dieser Sinnspruch für Friedrich auch eng verknüpft mit “Jeder ist seines Glückes Schmied.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte Deutschland keine Geschichte

Unsere geliebte Bundesverteidigungsministerin sieht all das nicht. Sie schaut nur auf das aus ihrer Sicht scheinbare Ende der Interpretationsgeschichte der Phrase. Sie beruft sich auf den Traditionserlass der Bundeswehr, der in seiner aktuellen Fassung auch den Passus “Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig.” enthält.

Nun könnte man die Ministerin und ihre Mitarbeiter eigentlich rasch mit dem Hinweis darauf beruhigen, dass “Suum cuique” schon auf vielen Fahnen und militärischen Abzeichen stand und das Motto vieler – auch nicht militärischer Vereinigungen war, die es allesamt nicht im Sinn der Nationalsozialisten missbraucht haben.

Aber darum geht es den anständigen und aufrechten Antifaschisten in Bundesregierung und bunter Zivilgesellschaft selbstverständlich nicht. Denn ihr historisches Verständnis tendiert gegen Null. Aus ihrer Sicht beginnt deutsche Geschichte (und so auch die der Welt) 1914, wird dann von 1919 bis 1932 kurz unterbrochen, um sich ab 1933 neu zu entfalten.

Für die feldjäger brechen mal wieder harte Tage an

Deshalb würde es aus meiner Sicht nicht viel Sinn machen, wenn ausgewiesene (militär-)Historiker, Staatswissenschaftler oder gar Philosophen Frau Lambrecht zu erklären versuchten, was es mit der Sache auf sich hat. Das Motto muss weg, denn es ist voll rassistisch und damit Nazi. Fast so schlimm wie Negerkuss oder Zigeunerschnitzel auf dem selben Bild.

Leid tun mir nur die Feldjäger und die Militärpolizei. Denn von deren Führungen dürfte zwecks Karrieresicherung auch nicht allzu viel an Gegenargumenten kommen. und so wird sich mancher Feldjäger in den nächsten Wochen bis zur Entscheidung vom bunten Teil des Familienumfelds und Freundeskreises anhören müssen, ob er eigentlich wisse, dass er einer Einheit angehört, die voll in der Tradition der Antisemiten stünde. Entweder bis zur im Sinne Lambrechts positiven Entscheidung oder aber bis zu dem Tag, an dem das Thema einmal mehr in der Schublade verschwindet, um w erneut herausgeholt zu werden, wenn den Nazijägern die Themen ausgehen.

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