Hass ist gerechtfertigt, wenn er sich gegen ein Übel richtet!

Michael van Laack

Berechtigterweise wird vor Hass gewarnt. Denn der Hass auf einen Menschen, weil man seine politischen Ansichten nicht teilt, ihm sein Glück (materiellen Wohlstand, gelungene Beziehung, Kinder) missgönnt oder einfach seine Präsenz aus verschiedensten Gründen nicht erträgt, ist vollkommen ungerechtfertigt und in sich selbst ein Übel. Hetze wird aus jenem Hass geboren und ist deshalb ebenfalls zu verurteilen.

Der Hass auf Menschen wegen bestimmter köperlicher Merkmale, auf andere Lebewesen oder gar auf Gegenstände bleibt hier unbetrachtet; denn in solchen Fällen ist eher ein Psychotherapeut gefragt.

Hass bezieht sich pimär auf das Übel und erst dann auf seinen Träger

Aber man kann auch aus einem anderen Grund hassen: Weil von einer oder mehrere Personen und den Akten die sie setzen, objektiein Übel für alle oder doch zumindest für ein erweitertes Umfeld ausgeht. So ist z. B. der Hass auf Pädophile kein Hass, der sich exklusiv und primär gegen die Personen richtet, sondern zunächst gegen das Übel an sich. Selbstverständlich kann dieser Hass auch in falsche Kanäle geraten, die Gebote außer Acht lassen und den Hassenden am Ende selbst zum Straftäter machen; wenn er z. B. den Pädophilen, der seine Tochter missbraucht hat, aus niedrigen Beweggründen töten würde.

Deshalb ist Hass nur dann zu verurteilen, wenn er sich – vom Übel oder der Person, die Wurzel dieses Übels ist – loslöst und um der eigenen Befriedigung oder Selbstbestätigung willen hasst; aber auch dann, wenn er etwas hasst, das objektiv kein Übel darstellt.

Thomas von Aquin kann das besser erklären

Das war wohl nix… Ich merke schon, Thomas kann diesen Sachverhalt viel besser erklären als ich mit meinen eigentümlichen, schwachen und vermutlich gar missverständlichen Hilfskonstrukten. Deshalb lasse ich ihn nun zu Wort kommen und gebe (der neuen Rechtschreibung behutsam angepasst) hier den ersten Artikel aus der Quaestio 29 seiner Summa theologica wieder. Zitiert nach “Die katholische Wahrheit oder die theologische Summa des Thomas von Aquin, deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider”. 12 Bände (hier zitiert aus Band 2 – 1887) Verlagsanstalt von G. J. Manz, Regensburg 1886-1892.

Meine Hand stört, aber sonst wäre das Buch umgekippt…

Dieses nicht nur die vollständige Übersetzung sondern auch eine Auslegung enthaltende Werk befindet sich im theologischen Handapparat meiner bescheidenen Bibliothek, ist antiquarisch allerdings leider kaum mehr erreichbar. Erfreulicherweise allerdings online zu finden. Ob das Werk dort vollständig zur Verfügung steht, habe ich nicht überprüft.

Noch ein kurzer Hinweis zum Aufbau jedes Artikels der Summa: Zuerst zählt Thomas immer Gründe auf, die scheinbar gegen seine Annahme sprechen, dann legt er seine Auffassung dar und führt diese in einem dritten Schritt an Beispielen, Argumenten fremder Autoren oder erweiterten Konklusionen näher aus.

Doch nun zu Thomas und seinen Gedanken:

Gegenstand des Hasses ist das Übel

a) Das Gegenteil hat Folgendes für sich:

I. Was ist, das ist – insoweit es Sein – hat gut. Wäre also der Gegenstand des Hasses etwas Böses, so würde er niemals irgendeine Sache sein, sondern höchstens ein Mangel, der dem betreffenden Dinge anhaftet. Dies aber ist erfahrungsgemäß falsch.

II. Das Böse hassen ist gut; weshalb 2. Malt. 3. gesagt wird: „Die Gesetze wurden gut beobachtet um des Hohenpriesters Omas willen und wegen derer, die in ihrer Seele das Böse hassten.“ Wird also nur das Böse, das Übel, gehasst, so folgt, dass jeder Hass Lob verdient.

III. Nicht das Nämliche ist zugleich gut und böse. Das Nämliche aber wird von manchen gehasst und von anderen geliebt. Also geht der Hass auch auf das Gute. Auf der anderen Seite steht Hass der Liebe gegenüber. Der Gegenstand der Liebe aber ist wie gezeigt das Gute; also ist der des Hasses das Böse.

b) Ich antworte, dass, da das rein natürliche Begehren immerdar von einer Auffassung sich ableitet, mag auch eine solche Auffassung mit dem Begehrenden selber nicht verbunden, sondern außerhalb desselben sein, ganz der gleiche Grund obwalten muss für die Hinneigung des rein natürlichen Begehrens wie z. B. desjenigen was im Steine ist, und für die Hinneigung des sinnlichen Begehrens, das da folgt der im Begehrenden selber befindlichen, mit ihm also verbundenen Auffassung.

Nun erscheint aber dies offenbar in solchem rein natürlichen Begehren, dass, gleichwie jegliches Ding eine natürliche Verwandtschaft oder Gleichförmigkeit hat mit dem ihm Zukömmlichen; so es auch ein Widerstreben besitzt gegen das, was ihm zum Verderben gereicht; und dieses Widerstreben nennen wir „natürlichen“ d. i. in der betreffenden Natur des Dinges selbst begründeten „Hass“. So also ist auch beim sinnlichen oder vernünftigen Begehren Liebe die Verwandtschaft im Begehren mit dem ihm als auskömmlich Aufgefassten; Hass das Widerstreben gegen das als verderblich und schädigend Aufgefasste. Wie aber alles für ein Wesen Zukömmliche insoweit den Charakter des Guten besitzt; so hat alles für ein Wesen Schädliche insoweit den Charakter des Bösen. Wie also der Gegenstand der Liebe das Gute ist, so ist der Gegenstand des Hasses das Böse.

c) I. Sein als Sein hat nicht den Charakter des Widerstrebenden oder Verderblichen; denn alle Dinge kommen überein im Sein. Sein aber als dieses beschränkte, bestimmte Sein steht gegenüber und widerstrebt einem anderen beschränkten, bestimmten Sein. Und demgemäß ist ein Sein Gegenstand des Hasses für das andere; nicht an sich insoweit es Sein hat, sondern mit Rücksicht auf ein anderes Sein.

II. Wie manchmal etwas als gut aufgefasst wird, was in Wahrheit nicht gut ist; so wird auch oft etwas als böse aufgefasst, was nicht in Wirklichkeit böse ist. Und so trifft es sich, dass manchmal weder der Hass gegen ein wahres Übel, noch die Liebe auf ein wahres Gut sich richtet.

III. Gemäß dem rein natürlichen Begehren ist das Nämliche nach verschiedenen Seiten hin lobwert und hassenswert zugleich, insofern es der Natur des einen zukömmlich ist, der Natur des anderen aber widerstrebt; wie die Wärme zukömmlich ist dem Feuer und widerstrebt dem Wasser. Gemäß dem sinnlichen Begehren ist das Nämliche für den einen gut, für den anderen schlecht; und zwar zu gleicher Zeit, insoweit die Auffassung, im einen und im anderen verschieden ist.

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