Die Crux mit der Meinungsfreiheit: Vom Ende einer Illusion

Michael van Laack

In den Kommentarspalten von conservo konnte in den vergangenen Jahren so ziemlich jeder zu Wort kommen: „Rechte“, „Linke“, „Liberale“, „Christen“, „Atheisten“ und was sonst noch so über Gottes (schöne) Erde läuft. Im Kleinen bemühten sich Peter Helmes und Maria Schneider und bemühe nun auch ich mich, jenen Diskurs zu ermöglichen, der im wirklichen Leben in unserem Land immer schwieriger wird, teilweise gar nicht erwünscht erscheint.

Wir „Bürgerlichen“, „Patrioten“ oder „Konservative“ leiden allerdings m.E. mittlerweile vermehrt an der gleichen „Krankheit“ wie unsere Meinungs-Gegner. Mich stimmt das traurig, denn diese Entwicklung lässt – mit Blick auf die vielen Probleme, die unsere Gesellschaft zu bewältigen haben wird in den kommenden Jahrzehnten – wenig Gutes erhoffen.

Neulich hat mir ein Freund in einem Kommentar das Lied von Andreas Gabalier “A Meinung haben“ aus dem Jahr 2015 in Erinnerung gerufen. An dessen Text entlang hangelnd möchte ich nun ein paar Gedanken aufschreiben, die mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf gehen. Den Text gebe ich im Original wieder, nicht in der dialektfreien Übersetzung, die würde sich holprig lesen.

Das wird man doch noch sagen dürfen…

„Wos is des bloß – Wo kummt des her – Neue Zeit, neues Land – Wo führt des hin?

Wie kann des sein – Dass a poar Leut – Glauben zu wissen – Wos a Land so wü

Is des der Sinne einer Demokratie?

Dass ana wos sogt und die andern san stü?“

Gabalier veröffentlichte diesen Song viele Monate vor der Grenzöffnung, die auf dem Landweg Hunderttausende Illegale in die “sicheren Häfen” Deutschlands spülte, lange bevor diese sich zu solchen erklärten. Doch hatte er – ein aufmerksamer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen – in den Jahren zuvor eine sich verfestigende Tendenz erkannt: Meinung von Minderheiten oder gar von Einzelnen wurden entweder nicht beachtet, oder – wenn sie dem politisch Gewollten oder dem medialen Mainstream entsprachen – maßlos gehypt.

Der Sänger nahm das Verdunsten der Demokratie wahr, die Konzentration der Macht auf eine immer weiter sinkende Zahl von Entscheidern; er erlebte Situationen, in denen nicht einmal mehr die Volksvertreter in den Parlamenten ihrem Gewissen folgen durften. Es galt auschließlich der Wille der (zumeist linken) Regierungen und der EU-Kommission, sonst nichts! Bürger – auch prominente – die diese Entwicklung kritisch kommentierten, wurden diskreditiert, Parteien aus dem Diskurs ausgeschlossen.

In dieser Zeit verstärkte sich auch bei uns in Deutschland das Unbehagen. Man hatte nicht einfach mehr nur „das Gefühl“, beschnitten und verspottet zu werden, wenn man sich zu Themen wie Migration, Islam, Euro, Atomkraft, Zentralstaat usw. nicht im Regierungssinn äußerte. Die Zeichen standen nun für alle sichtbar auf Sturm. Die großen Medienhäuser griffen jede Position und Person an, die gegen Regierungswillen gerichtet öffentliche Beachtung fand oder gar Wirkungstreffer erzielte. Erstmals für alle sichtbar wurde diese Entwicklung in der „Causa Sarrazin“.

Viele kämpften – wo nötig, auch allein!

„A Meinung ham, dahinter stehn – Den Weg vom Anfang zu Ende gehen

Wenn sei muaß ganz allan do oben stehn

A Meinung ham, Dahinter stehn – Heute so, mit felsenfester Meinung

Doch wenns ned aufgeht – Is morgen kana do!“

Allein kämpfen ist irgendwie Mist. Aber es gibt ja andere Möglichkeiten. Man schließt sich zusammen zu einer Bewegung (wie z.B. Pegida oder Querdenker) oder tritt einer Partei bei (wie z.B. der AfD). „Gemeinsam sind wir stark!“ Na ja… zumindest fühlt man sich umgeben von Gleichgesinnten weniger einsam.

Allerdings hatten nicht alle die Möglichkeit (manchen liegt auch das politische „Mit den Wölfen heulen“ nicht) sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen. Nicht wenigen fehlte auch der Mut, sich zu „outen“, denn das Klima im Land wurde – angeheizt von den Altparteien, die eskortiert von „Betreutes Denken“-TV eine regelrechte Hetzjagd begannen – immer rauer. Viele fürchteten um ihren Arbeitsplatz, wenn sie sich zu klar positionierten, andere wurden bedroht, am heftigsten aber traf viele die öffentliche Herabsetzung als „Nazi“ oder „Faschist“. Oft anlasslos, oft wegen Kritik an Greta Thunberg, den Grünen, der Migrationspolitik oder der Ideologie des Islams. Kritik an der Kanzlerin wurde gar als Gotteslästerung empfunden.

Doch wenns ned aufgeht – Is morgen kana do”, singt Gabalier. – Reinhard Mey hat das in seinem Song „Allein“ weiter ausgeführt: „Und mancher hat mir auf die Schulter geklopft, doch mir scheint – Es hat wohl mancher eher sich, als mich damit gemeint – Die Worte wurden lauter, und sie gaben keinen Sinn, das Gedränge immer enger, und ich stand mittendrin.“

Früh begannen sich deshalb manche aus jenen Diskreditierten und Ausgeschlosssenen gegenseitig zu misstrauen, die zuvor gemeinsam auf der Straße und in den Sälen waren, um vor einer heraufziehenden politischen Religion zu warnen, gar zeitnah Deutschland als das kalte Herz in einem totalitären Europa sahen, dessen Schrittmacher Angela Merkel sei. Misstrauen aber ist nur selten ein guter Ratgeber.

In der Folge brachen manche Gemeinschaften und Bündnisse rasch intern auseinander (obwohl sie nach außen eins blieben), die Zahl der Einzelkämpfer und „einsamen Wölfe“ wuchs wieder. Unter vielen Merkel-Gegnern dominierte nun Verbitterung. Auch Hoffnungslosigkeit legte sich wie ein Schatten auf manche „Seele“.

„A Meinung ham, dahinter stehn – Den Weg vom Anfang zu Ende gehen

Wenn sei muaß ganz allan do oben stehn

A Meinung ham, dahinter stehn – Die Welt mit eigenen Augen sehn

Ned ollas glauben wos a poar so redn.“

Nun wird es Zeit, über „uns“ zu reden

Über uns, die wir die Demokratie retten wollen; die wir das Vaterland vor „Merkills“ Nachfolger und ihren politischen Erben der Allparteienkoalition schützen wollen, an deren Händen doch „so viel Blut klebt, dass darin eine Kleinstadt ersaufen könnte.“; über uns, die bürgerlich-konservativen und sozialpatriotischen Gegner der „linksgrünversifften Buntfaschisten“, und des „widerwärtigen kommunistischen Packs“, das nicht verdient, die Luft des patriotischen Deutschlands zu atmen.

Über uns, die wir Habeck, Stegner, Kühnert und anderes „Antifa-Dreckszeug“ gerne „brennen sehen“ würden; über uns, die wir „kotzen könnten, wenn wir die pubertäre Hackfresse der psychisch erbkranken Greta Thunberg sehen“;  über uns, die wir uns gegenseitig Mangel an Patriotismus vorwerfen und nicht selten unterstellen, „Feindzeugen“, „U-Boote“, „False Flag“ oder was auch immer sonst zu sein. Und warum all das? Weil zu viele von uns tief in ihrem Herzen den Wunsch hegen selbst „da oben” zu stehen. Unsere Sicht der Welt ist die einzig richtige, wer uns im Weg steht, wird abgeräumt.

Doch auch, wer als AfD-Mitglied öffentlich konstruktive Kritik an der Partei übt, (“selbstverständlich” nicht, wer provoziert mit Nazi-Vergleichen und -Relativierungen oder menschenverachtenden Aussagen) ist in der Welt vieler Mandatsträger in Bund und Ländern ein „Nestbeschmutzer“, ein “Freiheitsschädling“. Wer als außerhalb der Partei stehender AfD-Sympathisant Kritik an der Parteistrategie oder dem unklugen Auftreten einzelner Mitglieder übt, muss in Wahrheit ein Linksradikaler sein (vielleicht gar ein „Jude“ oder Islam-Freund).

Wer es wagt, zu schreiben: „Könnte die Regierung in dieser oder jener Frage nicht auf dem richtigen Weg sein?“ wird aus der Gemeinschaft der Anständigen (für die Meinungsfreiheit kämpfenden sogenannten „Bürgerlichen” – ausgeschlossen. Mit etwas Glück beim ersten Mal nur virtuell mit öffentlich sichtbarer roter Farbe markiert als Abweichler, dem Reue und/oder Widerruf gut zu Gesicht stünde. Ihr oder ihm kann man nicht trauen. „Freunde der Gesundheitsdiktatoren“, “Selenskjys Twitter-Söldner” „Unterstützer der Ölo-Faschisten“. Denn nur, wer zu 1000 Prozent gegen alle außerhalb unserer Partei, Bewegung oder Blase existierenden Un-Meinungen aufsteht, ist für uns!

Viele „Meinungsfreiheits-Kämpfer“ entwickelten sich zu  „Meinungsfreiheits-Hassern“

Oft lese ich auch in unseren Reihen Sätze, welche für die Woken seit Jahren im Kampf um die Deutungshoheit obligatorisch sind: „Solche Meinungen sollte man verbieten.“ Oder: „Wie können Sie als Patriot einen solchen Menschen zu Wort kommen lassen?“. – Nicht erst seit dem offenen Ausbruch des Flügelstreits in der AfD nehme ich wahr, dass sich (Tendenz 2022/23 extrem steigend) Mandatsträger, Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten der Partei und Personen in anderen so genannten liberalkonservativen und nationalkonservativen Milieus jene Mentalität zueigen machen, die sie mit Blick auf die Regierung und staatstreue Medien bekämpfen.

Systematisch werden Kräfte verächtlich gemacht, aus dem Diskurs ausgeschlossen, die nicht auf der Linie „Totaler Angriffskrieg gegen die ‚Scheindemokratie Deutschland‘“ stehen. Wer Strategien der Fraktionen oder der Vorstände kritisiert (selbst dann, wenn diese bereits nachweisbar und geglegentlich sogar mehrfach gescheitert sind oder doch zumindest ihr Scheitern absehbar ist), dessen freie Meinung muss getilgt werden, den gilt es abzuschalten.

Immer mehr bisher klug agierende Mandatsträger, Journalisten und andere hohe Reichweiten erzielende Menschen gleiten ins Wahnhafte ab, sehen sich umgeben von zigtausenden Spitzeln, die dem buntfaschistischen 1000jährigen Reich dienen würden.

So schließen sie sich zu Querfronten zusammen, die rasch zu Volksfronten mutieren können; mit Kräften, die sie noch vor wenigen Monaten nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätten, kooperierten die “Blauen” in der Hochzeit der Corona-Proteste offen mit Rechtsextremisten und Esoterikern und kooperieren nun in der Frage der Waffenlieferungen und anderer Unterstützung für die Ukraine mit den dunkelroten Kommunisten. Sie unterdrücken öffentlich die Meinung jener (versuchen gar, deren Reputation zu zerstören, falls es ihnen opportun erscheint), die sich dieser „Feinde-meiner-Feinde-Strategie“ entgegenstellen.

In der jetzigen Verfasstheit empfehle ich der sozialpatriotischen Fraktion innerhalb der “einzigen Oppositionspartei im Bundestag” (Selbstbeschreibung), sich jeglicher Kritik an den Altparteien und den woken Cancel-Culture-Liebhabern zu enthalten. Denn was Gesinnungsdiktat, Diskreditierung und Meinungsunterdrückungsversuche betrifft, stehen viele von ihnen – aber auch von „uns“ AfD-Sympathisanten und Wählern – mittlerweile auf Augenhöhe mit der „letzten Verteidigern der freien Welt“ und der auf ihrem politischen Nährboden erblühten “Ampel”-Koalition.

Kaum mehr besser als die politischen Mitbewerber/Gegner

Kein Charisma, keine Vorbildfunktion! Auf der Ebene der Moral befindet sich die „bürgerliche Opposition“ auf Augenhöhe mit jenen in der Tat demokratiegefährdenden Gestalten, die sie bekämpft. Im Wording und im Verhalten auch: Diskursverweigerung und Dämonisierung jeglicher Abweichung vom „Contra aus Prinzip“.

Was mich betrifft: Ich habe die Hoffnung auf eine Erneuerung Deutschlands im Sinne seiner Befreiung von dem Schutt, den die Regierungen Schröder, Merkel und nun auch Scholz auf die Demokratie geworfen haben, lange noch nicht aufgegeben. Aber ein wenig müde werde ich in diesen Tagen schon.

Ich hoffe immer noch darauf, dass sich jene rechtsintellektuellen Eliten, die keine andere Republik wollen – sondern unsere bewahren – am Ende durchsetzen werden. Wenn ich allerdings auf große Teile des aktuell führenden Personals in der einzigen Alternative für Deutschland schaue, frage ich mich selbst immer mal wieder an, ob ich nicht zu optimistisch bin.

GOTT SCHÜTZE

DAS HEILIGE DEUTSCHLAND!

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