Verlangen nach Freiheit erlischt – dem weichgespülten Bürger reicht “Wohlstand”.

Michael van Laack

Schwarz-Rot-Gold. Das Banner, unter dem die Freiheit blüht? Die Zeiten sind lange vorbei. Denn wir erleben, freilich nur scheibchenweise seit fast zwei Jahrzehnten ihr verdunsten. Was wohl hauptsächlich daran liegt, dass den meisten dieser Verlust überhaupt noch nicht bewusst geworden ist, weshalb es für sie auch keine Notwendigkeit gibt, um sie zu kämpfen.

Von denen die es sehen, ist der weitaus größere Teil zu ängstlich. Er fürchtet, die desinteressierte schweigende Mehrheit und die aggressive Freiheit einschränkende Minderheit könnten ihm das Leben schwer machen, öffentlich anprangern als Ewiggestrigen, Rechten oder immer wieder gern auch Nazi. Denn den linksgrünversifften Führern der “Zivilgesellschaft” gilt jeder, der ihrer Ideologie offenbart und ihre politischen Akte kritisiert, als Hassprediger und Hetzer. Twitter, Facebook & Co. eskortieren – wie wir wissen – die Keulenschwinger permanent und bringen so erfolgreichere Kritiker auf Knopfdruck zum Schweigen.

Corona und Energiesparen – Echte Freiheitseinschränker?

Zwei Drittel der Bürger haben sich impfen lassen, ein Drittel nicht. Doch 100 % – so scheint es – ließen und lassen sich bei ihrer Entscheidung von Angst leiten und gerieren diese aus Informationen, die sie von den Influencern (Politik, Medien, Wissenschaft) beidseitig der Impfgrenze erhalten. Nur noch wenige Menschen fragen sich: „Was will ICH?”, “Was sagt mir MEIN Herz?”, “Zu welchem Ergebnis komme ich durch EIGENES Nachdenken?”

Nun lässt sich berechtigterweise einwenden, Entscheidungen treffe der Mensch grundsätzlich auf der Basis ihm vorliegender Informationen. Und die stammen zwangsläufig von Dritten. So sollte es sein, aber letztlich sind die meisten Menschen Herdentiere, die sich die Entscheidung, in welche Richtung sie laufen sollen, gern von den Hirten (Vordenkern) oder den Hunden (Populisten im negativen Sinn des Begriffs) abnehmen lassen. Reflex statt Reflexion wird zum primären Entscheidungsprinzip.

Wir haben verlernt, frei zu entscheiden

Jahrzehntelang lief es für die meisten Menschen in Deutschland und der westlichen Welt perfekt. Zwar wurde immer mal wieder auf hohem Niveau gejammert, aber die Bäuche der meisten Bürger waren (und sind es auch heute noch) gut gefüllt, die Sparbücher auch. Kurz Das Gefühl, ein freier Mensch zu sein, hatte fast jeden Bürger erfasst.

Eine Konsumgesellschaft, in der Freiheit auch fest gemacht wurde an der Zahl der Brotsorten, der scheinbar individuellen Gestaltung des neuen PKW bei Bestellung, des Umfangs der Speisekarte in Restaurant und der Möglichkeit, sich überall in der Welt im Urlaub auszuleben. Immer neue Bedürfnisse wurden geweckt und die Möglichkeit, diese zu decken, galt und gilt vielen als Beweis dafür, dass sie freie Menschen in einem freien Land seien.

Doch seit dem Römischen Reich (und vermutlich auch schon davor) steht und fällt alles mit dem „Brot und Spiele“-Prinzip. Die Herrschenden (das politische Establishment) waren sich der zentralen Funktion dieses Prinzips immer bewusst, die meisten Bürger auch heute noch nicht. Oft steht es selbst jenen nur nebulös vor Augen, die es (wie auch das sogenannte Herrschaftswissen) kritisieren, weil sie sich seiner Vorzüge nur allzu gern bedienen.

Der Zerfall der „Freiheit“

Nur dann, wenn wirtschaftliche Krisen über ein Land fegten, geriet dieses Prinzip ins Wanken und die Zahl jener, die sich über Unfreiheit und Ungerechtigkeit im jeweils eigenen System Gedanken machten, stieg kurzfristig an. Dennoch blieb das Vertrauen in „die da oben“ zumeist groß genug, um die Krisenzeit zu überbrücken und danach die alten „Freiheiten“ wieder voll zu genießen.

Zwar kann man die Jahrtausendwende weder im mystischen noch im Scholz’schen Sinn mit einer Zeitenwende gleichsetzen. Dennoch brachte der Beginn des Jahrtausends vor allem in den Ländern des Westens das System der tatsächlichen und scheinbaren Freiheit mehr und mehr ins Wanken. Millionen Menschen aus afrikanischen und teilweise auch asiatischen Ländern kamen über uns, um auch ein Stück der Freiheitstorte zu genießen.

Das man sie über uns kommen ließ, hat seine tiefste Ursache in einem falschen Humanitätsbegriff, der eng verknüpft ist mit dem hier beklagten unvollständigen Freiheitsbegriff. Zudem rückte in diesen Jahren die Endlichkeit der Ressourcen und damit auch die Begrenzung weiterer „Freiheits“-Möglichkeiten in das Bewusstsein vieler Menschen, was die Sehnsucht nach Freiheit scheinbar verstärkte, die aber letztendlich nur einen Befriedigungswunsch darstellte. Der Konsum auf dem gewohnten Level sollte garantiert werden. alles andere wäre ein Sturz in die Unfreiheit. So sahen wir das bei Corona, so erleben wir es in der jetzigen Wirtschaftskrise.

Freiheit betrachten viele exklusiv unter materialistischen Aspekten

Daher auch die Angst vor den Folgen des Klimawandels. Es geht den meisten Menschen nicht darum, wirkliche „Freiheiten“ zu verlieren, sondern vieles zu verlieren, was ihren Großeltern, Eltern und auch ihnen lediglich als wichtigster Bestandteil der Freiheit vorgestellt wurde. Die Freiheit zu konsumieren und zu benutzen, was sie wollen, wann sie es wollen und entsprechnde dem Geldbeute auch in der Menge und Qualität, in der sie es wollen.

Ähnliches sahen und sehen wir bei Corona. Es ging und geht auch in dieser Freiheitsdebatte im Kern nicht einfach um die Freiheit, Entscheidungen eigenverantwortlich treffen zu können, z. B. zu bestimmen, wann man wohin geht oder mit wem man sich trifft, ob man sich impfen lässt oder nicht. Es geht um nicht weniger als das freiwillige Hineingleiten in Huxleys schöne neue Welt, vor der die intellektuellen Vorbilder der Freiheitskämpfer zwar immer warnen, die aber in Teilen schon längst verwirklicht ist und deren (scheinbare) Vorteile sie während der Coronakrise als Mangel an Freiheit vermissten.

Die meisten Freiheitskämpfer gehören zu Huxleys Legionen

Auch in der aktuellen Krise (Inflation, Fehlen bestimmter Lebensmittel) sehen wir die unzulässige Verknüpfung mit dem Freiheitsbegriff. Die Wegnahme von Konsummöglichkeiten, der Verlust von Arbeitsplätzen, das Abschmelzen von Vermögen. All das wird gleichgesetzt mit Freiheit des Individuums einschränkenden Merkmalen. Auch das Recht des Auslebens sexueller Lust in jeglicher Spielart war in Huxley Welt ein Scheinzeichen für Freiheit, das Recht auf Geburt zu einem Privileg.

„Mein Gott ist das Geld und meine Gäste die Gläubigen, die es mir bringen.“, sagte mir vor vielen Jahren ein österreichischer Hotelbesitzer. So weit gehen die meisten deutschen Bürger vermutlich noch nicht. Aber Konsum und das nötige Kleingeld dazu, das Recht auf Spaß und die Pflicht des Staates, das Ausleben jedes Bedürfnisses zu jeder Zeit zu garantieren, wird zunehmend als Fundament, wenn nicht gar als Hauptbestandteil der Freiheit identifiziert.

Verlogene Freiheitsdebatte

Deshalb widert mich die aktuelle Freiheitsdebatte in nahezu allen Bereichen (Corona, Migration, Klimawandel, Gender, Embargo-Politik) an. Denn selbst die meisten Politologen und Philosophen haben nicht mehr den ganzen Menschen im Blick, sondern lediglich seine Aktionsspielräume in einer Konsumgesellschaft, die sich seit Jahrzehnten (unbemerkt zunächst) immer mehr ad absurdum führt und auch ohne Migration, Klimawandel und Corona vor die Wand fährt.

Wo die eine wie die andere Seite Kinder instrumentalisiert (Gender. Migration, Ukraine-Krieg), geht es den meisten vom Ende her gedacht nicht wirklich um die Kinder oder deren Botschaft, sondern um sich selbst. In der Hochzeit von Corona z. B. stieg aus verschiedensten Gründen der Anteil der notwendigen eigenen Erziehungsleistung. Das war die Freien nicht mehr gewohnt. Oder anders: “Wir wollen zwar keine Hoheit des Staates über die Kinderbetten, aber wir wollen auch nicht allzu viel Zeit verschwenden müssen im Umgang mit unseren Kindern.”

Was gehört für Sie zur Freiheit?

An unsere Leser hätte ich zum Schluss eine Bitte: Gehen Sie mal für einen paar Minuten in sich (ohne sofort Floskeln herunterzurattern oder geschwind zu Papier zu bringen) und definieren Sie für sich den Begriff Freiheit. Schreiben Sie auf eine Liste, was aus Ihrer Sicht erfüllt sein muss, damit Sie persönlich sich als freier Menschen in einem freien Staat fühlen können.

Sie werden überrascht sein, was ihnen bei längerem Nachdenken alles einfällt. Vielleicht sind sogar Punkte dabei, die sie in den vergangenen Jahrzehnten schon längst vergessen hatten, weil Sie in ein gesellschaftliches Umfeld hineinwuchsen, für das ein Restaurant, das keinen Beilagenwechsel ermöglicht, bereits eine weitreichende freiheitseinschränkende Maßnahme vornimmt.

Schließen Sie mal die Augen und lassen Ihre Nase von dem Wind umwehen, der in Ihrer Kindheit für Abkühlung oder ein wohliges Gefühl sorgte. Der Geruch der Freiheit, die er mit sich führte, bestand eben nicht nur aus dem Recht, tun und lassen zu können, was sie wollten, auf unendlichen Konsum und Dauerbespaßung. Weil aber nur noch so wenige Menschen genug Phantasie haben, sich diesen Wind um die Nase wehen zu lassen, ist die Freiheitsdebatte dieser Tage verlogen. Und kann nie fruchtbar sein, denn die Masse redet und denkt am Kern der Freiheit vorbei.

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