Islam und Weltethos: Die regula aurea und Küngs Büchse der Pandora

Der Theologe Hans Küng spricht zur Herausgabe seiner gesammelten Werke im Verlag Herder in Tübingen am 17. März 2015.

Dr. Udo Hildenbrand*

In einer süddeutschen Bistumszeitung erschien vor einigen Wochen ein Artikel über die weithin bekannte Stiftung „Weltethos“, die 1995 von dem im Jahre 2021 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Theologen und Kirchenkritiker Hans Küng gegründet worden ist. In diesem Beitrag wird auch Bezug genommen auf die sogenannte „Goldene Regel“, die von Küng fälschlicherweise als ein ethisches Prinzip des Islams bezeichnet wird. Sowohl zum Thema „Weltethos“ als auch zum Thema „Goldene Regel des Miteinanders“ hier folgende Anmerkungen:

Vorrangiges Ziel der Stiftung „Weltethos“ ist es, zum Frieden unter den Menschen beizutragen. Der Gründer der Stiftung, Hans Küng, beschreibt den Auftrag seines Projekts „Weltethos“ mit den wohlklingenden Worten:

Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.

Kein Friede unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.

Kein Dialog zwischen den Religionen ohne theologische Grundlagenforschung.

“Weltethos” klingt beim ersten Hören gut, aber…

Diese drei Sätze zum Friedensauftrag der Religionen sind durchaus bedenkens- und zustimmungswerte Meinungen. Doch eigenartigerweise und wohl auch unwidersprochen hat Küng in diesen programmatischen Sätzen nicht die säkularen Weltanschauungen in den Blick genommen. Mit seinen nur auf die Religionen bezogenen Leitgedanken aber begrenzt er selbst die vom ihm intendierte universale Dimension seines Vorhabens, die er offenkundig auch mit der Bezeichnung „Weltethos“ signalisieren will.

Welche Wirkung auf den Weltfrieden aber kann ein Weltethos entfalten, das lediglich von den Weltreligionen gefordert wird, die säkularen Weltanschauungen aber nicht in die Pflicht nimmt? Haben nicht neben und mit den Weltreligionen auch atheistisch geprägte Weltanschauungen wie etwa der Kommunismus/Sozialismus mit seinen ideologisch unterschiedlichen Umsetzungsversuchen sowie auch verschiedene nationalistische Konzepte unendlich viel Leid, Unheil und Unfrieden über die Menschheit gebracht? Wird von diesen Weltanschauungen nicht auch noch heutzutage Zwang, Unfreiheit und Unfrieden überall in der Welt ausgeübt?

Hat Weltfriede nichts mit Politik und Gesamtgesellschaft zu tun?

Warum aber werden die säkularen Weltanschauungen von Küng in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich miteinbezogen? Ist der Weltfriede etwa nur eine Aufgabe der Religionen? Sind nicht alle Religionen und alle säkularen Weltanschauungen gleicherweise zum Frieden aufgerufen und aufzurufen? Gerade auch die aktuelle, für den Weltfrieden so gefährliche Situation in der Ukraine, in der auch religiöse und atheistische Kräfte aufeinandertreffen, beantwortet diese Fragen recht eindeutig.

Küng erweckt jedenfalls mit seinem Leitgedanken für das „Projekt Weltethos“ den Eindruck, als seien die Religionen ausschließlich und allein für den Frieden bzw. auch für den Unfrieden in dieser Welt verantwortlich und damit natürlich auch allein rechenschaftspflichtig. Somit ist die Küngsche Formulierung dieses Leitgedankens zumindest ungenau und irritierend. Der Begriff „Weltethos“ könnte in diesem Kontext daher auch als ein Etikettenschwindel betrachtet werden.

Mit Nächstenliebe und Barmherzigkeit hat der Islam wenig am Hut

Unter dem Stichwort „Goldene Regel“ (regula aurea) ist der letzte Hinweis in diesem Beitrag des Bistumsblattes auf den Islam nicht nur irreführend, sondern schlichtweg falsch. Denn die Goldene Regel, „die Mutter der Nächstenliebe“, ist zwar in ihrem universalen Aussagecharakter seit dem 7. Jahrhundert vor Christus in mehreren Kulturen beheimatet. Sie spiegelt sich so auch im Judentum und im Christentum im Wortlaut eines gereimten Sprichwortes: „Was du nicht willst, das man dir tu´, das füg auch keinem anderen zu“ (vgl. z. B. Tobit 4,15, Matthäus 7,12), und ebenso auch in Kants Kategorischem Imperativ.

Die „Goldene Regel“ gehört jedoch nicht zu den ethischen Prinzipien der Religion Mohammeds. Denn entgegen der Feststellung von Hans Küng kennt der Koran weder inhaltlich noch formal eine Version der „Goldenen Regel“ mit ihrer universellen Dimension der Gegen- und der Wechselseitigkeit. Die Geschichte und unsere Gegenwart liefern dazu den traurigen Beweis. Denn die auf Gegen- und Wechselseitigkeit beruhende Brüderlichkeit unter den Menschen ist korangemäß ausschließlich innerislamisch zu verstehen. So sind alle Nichtmuslime nach dem Koran verachtenswerte „Ungläubige“.

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Dr. Udo Hildenbrand und Reinhard Wenner

„Kritische Stellungnahmen zum Islam“

Verlag Kardinal-von-Galen-Kreis e.V.

Herausgeber: Reinhard Dörner

ISBN; 978-3-97 16867-8-4

Preis 22,90 €

So lange der Vorrat reicht, können sog. Autoren-Exemplare mit Versandkosten für 19.80 €. per E-Mail bei udo.hildenbrand@gmx.de oder reinhard.wenner@gmx.de bestellt werden.

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Wie unzuverlässig Küngs Aussagen über den Islam generell sind, lässt sich beispielhaft auch an seiner voluminösen und zugleich geschichtsverfälschenden Aussage von der „glorreichen Geschichte des Islam“ veranschaulichen. In Wahrheit ist sie mit ihren Eroberungen und gewaltsamen Invasionen korankonform eine Geschichte voller Gewalt und blutiger Kriege. Historiker sprechen von 360 Millionen Opfern des Dschihadismus.

Küng irrt und verwirrt

Nach dem katholischen Theologieprof. Dr. Martin Rhonheimer, der sich intensiv mit dem Islam beschäftigt, kann die Islam-Sicht Küngs mit den Stichworten umschrieben werden: Unterschätzen, Banalisieren, Ausklammern und Hohnsprechen. Wie der evangelische Dechant Dr. Dr. Wolfgang Wünsch, der eine seiner Doktorarbeiten über die Küngsche Theologie der Weltreligionen geschrieben hat, diese entzaubernd bewertet, notiert Jürgen Henkel:

Wünsch führt nüchtern Küng als einen Autor vor, der alle Religionen lobt, außer seiner eigenen, deren Bekenntnis er relativiert und deren Traditionen, Lehre und System er ablehnt … Die Religionsvermischung geht bei Küng so weit, dass er auch den Islam zum Heilsweg erklärt, den Koran als Gottes Wort sieht …

Die in der Bistumszeitung zitierte Belegstelle aus dem Koran, die möglicherweise suggerieren soll, dass es im Islam keinen Zwang gäbe, spricht für sich. Würde die „Goldene Regel“ in den islamisch dominierten Ländern tatsächlich als ethisches Prinzip befolgt, gäbe es dort seit 1400 Jahren keine massive Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung christlicher und anderer religiöser und weltanschaulicher Minderheiten mehr.

Im Übrigen erwarten wohl die Leser/innen einer Bistumszeitung gerade auch bei heiklen Themen, zu denen auch das Thema „Islam“ zählt, von der Redaktion die sorgfältige Überprüfung der Beiträge auf Richtigkeit und Wahrhaftigkeit.

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*) Dr. Udo Hildenbrand ist katholischer Theologe (Priester) und Publizist (u.a. bei conservo)

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