Die offene Gesellschaft und ihre Freunde: Was macht das Konservative zukunftsfähig?

Harald Stollmeier* / Michael van Laack

Harald Stollmeiers Thesen in seinem heute auf “Starke Meinungen” veröffentlichten Artikel “Das konservative Manifestsind bemerkenswert und verdienen es, in der Sache unkommentiert und garantiert ohne in Aussicht stellen einer Re-Duplik wiedergegeben zu werden:

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  1. Konservativ bedeutet nicht, dass sich alles nur langsam ändern darf. Konservativ bedeutet, dass sich manche Dinge überhaupt nicht ändern, dass es ewige Wahrheiten gibt. Eine davon ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde.
  2. Gut und Böse sind Kategorien, die wir vorfinden. Grundsätzlich haben alle Menschen die Fähigkeit, diese zu erkennen und zu unterscheiden. Ändern kann sie niemand, ändern kann sie somit auch kein Staat.
  3. Deshalb ist auch der Staat nicht nur an seine eigenen Gesetze gebunden, die er ja ändern kann, sondern an diesen unveränderlichen Maßstab von Gut und Böse.
  4. Gesetze sind nicht automatisch gerecht. Gesetze können Unrecht sein.
  5. Da Gut und Böse unveränderlich sind, gelten die Menschenrechte immer und überall: Jeder Mensch hat sie, egal wann, egal wo. Sklaverei war auch schon ein Unrecht, als sie im Abendland noch üblich war, und Rassismus ist und bleibt ein Unrecht, egal wo er praktiziert wird.
  6. Während die Menschenrechte überall gelten, sind Bürgerrechte (und Bürgerpflichten) begrenzt. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat bzw. Staatsvolk ist an Voraussetzungen gebunden. Allerdings muss der Maßstab, der angelegt wird, für alle Betroffenen derselbe sein.
  7. Der Staat hat Rechte und Pflichten. Doch seine Zuständigkeit hat Grenzen. Die Menschen, die auf dem Territorium des Staates leben, haben grundsätzlich das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, auch das Recht, sich zu diesem Zweck zusammenzuschließen. Im Zweifel soll der Staat bzw. die jeweils übergeordnete Ebene nur tätig werden, wenn die untergeordnete Ebene überfordert ist (Subsidiaritätsprinzip).
  8. Die elementarste menschliche Gemeinschaft ist die Familie. Der Staat darf nur in sie eingreifen, wenn die Menschenrechte von Familienangehörigen nachhaltig bedroht sind.
  9. Der Staat soll Gott achten (Präambel des Grundgesetzes). Aber der Staat ist nicht religiös, und insbesondere ist er keine religiöse Autorität.
  10. Im Zuständigkeitsbereich des Staates müssen Änderungen gut begründet werden.

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Ich bin augenscheinlich ein undankbarer Mensch, denn eigentlich müsste ich Alan Posener dankbar dafür sein, dass er auf seinem eindeutig dem linken Spektrum (irgendwo zwischen der “taz” und “Die Zeit”) zu verortenden Blog “Starke Meinungen” konservative und nicht linksliberale Positionen zu Wort kommen lässt. Während meiner Zeit in Redaktionsverantwortung auf “Philosophia Perennis” haben wir ähnlich gehandelt und immer mal wieder Autoren zu Wort kommen lassen, die nicht dem (liberal)konservativen bzw. neurechten Lager zuzuordnen waren.

Jeder, der nicht links ist, muss dankbar sein, für diskurwürdig erachtet zu werden

So weit so gut! Und doch habe ich Bauchschmerzen. denn während wir auf PP grundsätzlich auf Repliken zu den Artikeln der eben beschriebenen Gastautoren verzichteten, hat sich Alan Posener neulich bemüßigt gefühlt, auf Harald Stollmeiers ersten Artikel zu erwidern, was nun zu einer Duplik (Gegenerklärung zu einer Replik – so bezeichnet jedenfalls Liane Bednarz auf Facebook Stollmeiers Artikel) geführt hat, in der die obigen Thesen zu finden sind. Das – so scheint es – ehrt Posener erneut. Denn eine Duplik wird auf einem Blog oder einer anderen Plattform mit klarer politischer Stoßrichtung nur selten zugelassen.

Allerdings fürchte ich, dass Artikel wie dieser in der linken Blase unter dem Oberbegriff “Mit Rechten reden” stehen. So nannte Liane Bednarz ein von ihr 2020 rasch wieder eingestampftes Projekt, weil jene “Rechten“, mit denen sie reden wollte, partout nicht mit der eigenen Meinung kommen und mit ihrer Meinung nach Hause gehen wollten.

Der Nichtwisser sichert die Macht

Da in unseren Tagen der Begriff “rechts” von den Linken weiter in die Mitte gezogen wurde und nun nicht mehr nur so “böse Jungs” wie seinerzeit mich meint, sondern alle, die keine linksgrünen oder mindestens linksliberale Positionen vertreten, befürchte ich, dass Menschen wie Harald Stollmeier bei Posener nur zu Wort kommen, um deren Positionen anschließend für die eigenen Leserschaft korrigieren, relativieren und als irrig beschreiben zu können.

Und so bleibt mir nur, mich bei meinem Freund Harald Stollmeier für seinen Mut und seine Zuversicht zu bedanken. Vor allem aber für seine Bereitschaft, wenn nötig auch in Schlangengruben zu springen. Allerdings fürchte ich, dass die erhofften Früchte nicht wachsen werden auf dem Boden eines Konglomerats, dessen Individuen immer weniger wissen wollen, immer weniger wissen sollen und als ihren Gott immer häufiger den Bauch betrachten.

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Harald Stollmeier hat Geschichte, Englisch und Volkskunde studiert, später als Mitarbeiter im Zentralbereich Kommunikation bei Krupp-Hoesch Erfahrungen in deu Pressearbeit gesammelt und ist aktuell Pressesprecher der Novitas BKK. Er ist Familienvater, Katholik, engagiert sich wie seine Frau Caroline (Botschafterin von 1000plus) für den Lebensschutz und ist u. a. Autor bzw. Co-Autor der Werke “Märchen von Liebe und Mut“, “Das Kreuz aus Krippenholz: Christliche Gedichte, Märchen vom Erwachsenwerden.

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