Der Hanna-Baumann-Kindergarten: Eine Erinnerung der besonderen Art

Hanna Baumann mit einem Cousin

Dr. Juliana Bauer*

Der evangelische Hanna Baumann-Kindergarten in Schmieheim, einem Dorf in der südlichen Ortenau, das heute ein Ortsteil von Kippenheim ist mit insgesamt etwa 5000-6000 Einwohnern, trägt den Namen des letzten jüdischen Kindes des Ortes, einem von den Nationalsozialisten ermordeten kleinen Mädchen.

In Schmieheim war im 19. Jahrhundert die Hälfte der Bevölkerung jüdisch, die andere Hälfte waren evangelische Christen. Der benachbarte Ort Kippenheim (40 km nördlich von Freiburg i. Br.) zählte bis 1938 die größte jüdische Landgemeinde von Baden. Seine fachkundig und liebevoll restaurierte Synagoge stellt den heutigen Besuchern wieder die große Kostbarkeit vor Augen, die sie einst war – architektonisch, künstlerisch und in ihrer noch immer spürbaren Ausdruckskraft des jüdischen Glaubens.

Jiskor – lebendige Erinnerung an umgekommene Kinder

Der Hanna-Baumann-Kindergarten, sein Erzieher-Team und seine Trägerschaft zeigen das Gegenbild zur Kita von Tangerhütte in Sachsen-Anhalt, die gerade in die Schlagzeilen sämtlicher deutscher Medien geriet. Die Kindertagesstätte „Anne Frank“ soll umbenannt werden. Wie zu lesen ist, stünden wohl Erzieherinnen, aber auch vor allem die Eltern für eine Umbenennung der Kita, da Anne Frank, das jüdische Mädchen, das durch sein Tagebuch berühmt wurde und 1945 im KZ Bergen-Belsen infolge von Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit umkam, „Kindergartenkindern nur schwer vermittelbar“ sei. Was schlichtweg gelogen ist. Die Geschichte von Kindern oder von Heranwachsenden kann Kindern immer nahegebracht werden.

„Weltentdecker“ soll der neue Name sein, ein Name, der für eine Neukonzeption der Einrichtung stehen soll. Der die „Umstellung auf offene Jugendarbeit“ (Stadt Tangerhütte) signalisieren soll. Was immer man auch unter „offener Jugendarbeit“ versteht… Ein Begriff, der nichtssagend ist wie auch der Name „Weltentdecker“- denn alle Kinder, alle Jugendlichen möchten die Welt entdecken. Es wäre ein Name, der völlig von jeglichem Werteverständnis einer gewachsenen Kultur und ihrer Geschichte losgelöst wäre. Schwammig, schwimmend…

Hier stellt sich die Frage, ob die Mehrheit der Eltern die Änderung favorisiert oder eine gewisse, dominierende Minderheit. Eine dominierende Minderheit einer bestimmten Glaubensrichtung oder eines nihilistisch orientierten Relativismus. Die Kritik an der geplanten Namensänderung zieht jedenfalls deutschlandweit Kreise. In „einer Zeit des erstarkenden Antisemitismus“ sei diese „ein falsches Signal“ heißt es z.B. beim Verein „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt.“

Es wäre auch ein fatales Signal, ja mehr noch, eine Kapitulation vor dem aktuellen Hintergrund des Hamas-Terrorismus am jüdischen Volk, vor dem Hintergrund der grausamen Ermordung der vielen Kinder, vor dem Hintergrund der hasserfüllten anti-jüdischen Demos der Hamas-Anhänger in Deutschland.

In Schmieheim hingegen ist man weit davon entfernt, dem 1998 auf dem Gelände abgebrochener jüdischer Häuser errichteten Kindergarten den Namen streitig zu machen. Die Schmieheimer Kinder sind mit der kleinen Hanna verbunden – zumal sie aus ihrem Ort stammte (was die Erinnerungskultur natürlich ein Stück nachvollziehbarer macht). Sie durften ihr sogar vor 21 Jahren als Zeichen ihres Andenkens einen Lindenbaum, die Friedenslinde, im Garten des Kindergartens pflanzen.

Hanna Sofie Baumann

Sie wurde am 31.März 1935 in Lahr geboren. Ihr Vater, Karl Baumann, war Kaufmann. Er war der Sohn des Textilkaufmanns Abraham Baumann, der 1942 in Theresienstadt umkam, und dessen Frau Sophie geb. Bernheimer. Beide Großeltern stammten aus jüdischen Familien Schmieheims. Ihr Stoffgeschäft verloren sie in der NS-Zeit auf Grund der nationalsozialistischen Gesetze. So hatte Hannas Vater nun in Schmieheim keine Möglichkeit mehr, für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Im Herbst 1939 zog Hanna mit ihren Eltern nach Augsburg, wo sie bei der jüdischen Familie Einstein ein Zimmer bewohnten. Die Gründe für den Umzug nach Augsburg sind nicht bekannt.

Am 15. November 1941 wurde Hanna mit ihren Eltern und anderen Augsburger Juden in das Münchner Ghetto Milbertshofen verschleppt, von wo aus man sie mit etwa 1000 anderen Männern, Frauen und Kindern nach Lettland in Richtung Riga deportierte. Doch am 25.November 1941 endete der Zug im litauischen Kaunas.

Hanna wurde zusammen mit ihren Eltern und 2931 anderen Juden aus Deutschland und Europa in den Festungsgräben von Kaunas erschossen.  Sie war sechs Jahre alt.

Der Hanna-Baumann-Kindergarten: Leitbild und Konzept

Ich möchte an dieser Stelle das Leitbild des Kindergartens vorstellen. Es veranschaulicht eine Einrichtung, in der den Kindern Werte des christlichen Glaubens vermittelt werden. Und es zeigt ein Gegenstück zu den Kitas, die dem kranken und zerstörerischen, ja geradezu diabolischen Zeitgeist nachrennen, in denen den Kindern eigens „Kuschelecken … zur Erkundung ihrer Geschlechtlichkeit“ („Kuscheleckensex“, „Körpererkundungsraum“ für „sexuelle Spiele“) eingerichtet und propagiert werden…

Der Hanna-Baumann-Kindergarten ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirchengemeinde Schmieheim. Pädagogik und Konzept orientieren sich am christlichen Menschenbild, Auftrag und Selbstverständnis. Kindern anderer Religionen wird mit Offenheit, Toleranz und Interesse begegnet.

Kinder erfahren durch die Begegnung mit christlichen Festen und biblischen Geschichten Stärkung und Ermutigung für ihre eigene Lebenssituation. Die biblischen Erzählungen helfen Kindern, eigene Erfahrungen zu verstehen, Gefühle zu benennen und so einen selbständigen Glauben zu entwickeln. Hierbei erfahren Kinder, wie Gott sie zur Nächstenliebe und zur Gemeinschaft mit anderen befähigt. Im Feiern von Festen und Gottesdiensten erleben sie, dass Gott mit Liebe auf sie schaut und ihnen zutraut, in dieses Leben hineinzuwachsen.

Im Hanna-Baumann-Kindergarten werden die Kinder in ihrer individuellen Persönlichkeit wahrgenommen, geachtet und gefördert. So werden die Neugierde und der Wunsch, mehr über sich und die Welt zu erfahren, unterstützt. In einer verlässlichen Atmosphäre der Geborgenheit entwickeln die Kinder Zutrauen zu sich selbst sowie soziale Kompetenz und werden somit zunehmend selbständiger.

Dabei lernen sie, eigene Interessen zu artikulieren und zu vertreten. Die Bedürfnisse anderer Kinder zu tolerieren und als die Grenze ihrer eigenen Freiheit zu erkennen. Hierbei ist es wichtig, dass die Kinder durch die von den Erziehern erfahrene Zuwendung und Anerkennung lernen, Enttäuschungen zu artikulieren und so mit schwierigen Situationen kreativ umzugehen.

Durch feste Rituale sowie durch die schützende Begleitung der Erzieher lernen die Kinder, verschiedene Lösungsmöglichkeiten auszuprobieren. So finden sie durch die vielfältigen Erfahrungen im Hanna-Baumann-Kindergarten ihren individuellen Weg ins Leben.

Ziel des Handelns ist es, dass die Kinder in einem geschützten Umfeld lernen, die eigene Persönlichkeit zu entfalten, sie im Spiel mit anderen zu leben und so Standfestigkeit und Stehvermögen für den schulischen und zukünftigen Alltag zu entwickeln.

Text: Hanna-Baumann-Kindergarten, Evangelische Kirchengemeinde Schmieheim

Weiterführende Links

Zum Text des Leitbildes:

Evangelischer Hanna-Baumann-Kindergarten Schmieheim

Zum Judentum in Baden:

haGalil.com – Jüdisches Leben online

alemannia-judaica.de – Zur Geschichte der Synagoge in Schmieheim

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum

Zu Kaunas

Kaunas 1941 – Eine Fotoinstallation von Rainer Viertlböck

Zur Frühsexualisierung in Kindergärten:

Kuscheleckensex bei den Kleinsten – eine Auswirkung der Frühsexualisierung

Kita plante Ruheraum für „sexuelle Spiele“ – das sagen Experten dazu

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* Dr. Juliana Bauer verfaßt ihre zeitkritischen und auch prosaischen Beiträge in Deutsch, Französisch sowie Italienisch und schreibt seit geraumer Zeit für conservo. Sie studierte in Freiburg/Br. und in Rom. Ihre Doktorarbeit schrieb sie in München über ein kunsthistorisch-bayerisches Thema, das auch die Darstellung bayerischer Volkstraditionen mit einschloss: “Über die Nymphenburger Porzellankunst um 1850.”

Über sich selbst sagt die Autorin: „Ich bin keine Theologin, sondern Kunst- und Kulturhistorikerin, aber eine, die mit der Bibel von Kindheit an vertraut ist und den Worten eines meiner Lehrer, eines ehemaligen Ordinarius des kunsthistorischen Instituts der Universität Freiburg/Br., Rechnung trägt: Ein Kunsthistoriker des Abendlandes muss bibelfest sein. Auch bin ich, in einem ökumenischen Haus aufgewachsen, mit der katholischen wie der evangelischen Kirche gleichermaßen vertraut.“

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