Sankt Martin wäre heute Kämpfer gegen Staatsmacht und Kirche zugleich!

Michael van Laack

Die Symbolik des Mantel-Teilens wird in einer Zeit, in der man sich bei Amazon, Otto, Neckermann oder wem auch immer gern zur Sicherheit Kleidungsstücke und Schuhe in drei verschiedenen Größen und Farben bestellt und das Überschüssige wieder zurückschickt, von vielen immer weniger verstanden.

Ohne Mantel ist im besten Deutschland aller Zeiten heute ohnehin niemand mehr. Da gibt es die Kleiderkammer des DRK, Sozialkaufhäuser und – falls alle Stricke reißen – einen Zuschuss vom Jobcenter oder Sozialamt. Die Botschaft, die dahinter steckt, ist freilich eine ganz andere.

Am 11. November gedenkt man in der römisch-katholischen Kirche des hl. Martin von Tours. Nur wenige wissen allerdings mehr über ihn als das, was man in der Kindheit erzählt oder am Ende eines St.-Martins-Zuges als kurzes Schauspiel vor Augen gestellt bekommen hat. Sozialisten missbrauchen den Soldaten und späteren Bischof gern, um zu verdeutlichen, was man vom Großkapital erwartet. Das es mindestens die Hälfte dessen abgibt, was es als Gewinn erzielt hat, damit die Armen auch genug haben. Wobei man im RRG-Lager eher jene Geschöpfe als Arme im Blick hat, die sich möglichst bis zum Eintritt ins Einheitsrenten-Alter außer zu Demos gegen Rassismus oder für erneuerbare Energien nicht aus dem Haus bewegen möchten. Es sei denn, in der Nähe böte sich ein Bonzen-Fahrzeug zum Abfackeln an.

Der Blick für die wirkliche Not

In unserer Zeit wäre es selbstverständlich gar nicht mehr möglich, einen Mantel zu teilen. Denn jeder hätte nur einen Ärmel und nur einer von beiden die Knopfleiste. Der geteilte Mantel zu Martins Zeiten war ein übergroßer Tuchüberwurf, vielleicht mit einer Schließe am Kragen. Einen solchen Soldatenmantel konnte man problemlos teilen, ohne dass einer der beiden Träger einen erheblichen Nachteil hatte. Soweit die kurze Hinführung.

Nun zu einem Autor, der viele „prominente“ Heilige in seinen Werken leichtverständlich dem Leser nahegebracht hat. Wie manch andere Schriftsteller, die vor dem 2. Weltkrieg sehr erfolgreich waren, so fiel auch Hans Hümmelers erstmals 1933 erschienenes Werk „Helden und Heilige“ nach 1945 zunächst mancher Kürzung zum Opfer und wurde ab Mitte der 60er-Jahre auch kirchlicherseits regelrecht unterdrückt, so dass die späteren Auflagen eher unter dem Ladentisch gehandelt wurden, als in Regalen standen. Zu viel Pathos, zu Germanisch in der Diktion. Also ungeeignet für die ab diesem Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts erstmals aufblühende linksliberale Kirche.…

Es sei, wie es war und ist! Ich bringe hier die Gedanken Hümmelers zu Martin von Tours aus Band 2 des oben im Audio besprochenen Werkes. Die Ausgabe in meiner Bibliothek ist die erste, 1934 erschienen im Verlag der Buchgemeinde Bonn:

Die Mantelteilung war nur ein Vorspiel

Wer nicht einen Martinsabend am Rhein gesehen und erlebt hat, weiß nicht, wie tief das Andenken des barmherzigen Reitersmanns in unserem katholischen Volk verankert ist. An diesem Abend steigt er herab von den Giebeln der Münster und Dome und reitet leibhaftig auf seinem Schimmel durch die Stadt, umstrahlt vom Glanz unzähliger Fackeln und gefolgt von einer froh erregten Kinderschar, die immer von neuem die uralten Weise anstimmt: „Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind…“Irgendwo in einem dunklen Torwinkel kauert schon der Bettler, der ihn um ein Almosen anfleht. Da zieht der Reiter das Schwert, blitzend zerteilt die Klinge den Mantel. Und während der Bettler sich in das wärmende Tuch hüllt, geht der Zug weiter in die dunkle Herbstnacht hinein.

Staatsgegner statt Heerführer

Kein Märchen, Keine Legende – Nein, die symbolische Wiederkehr einer Liebestat, die um das Jahr 335 vor den Toren von Amiens geschah. 18 Jahre zählte damals der junge Gardeoffizier Martinus aus dem ungarischen Sabaria, Und wenn er sich auch wacker im Sattel hielt und manchen blutigen Strauß bestanden hatte, war er doch nicht mit Leib und Seele Soldat. Sein Vater hatte sich vom einfachen Söldner zum Tribunen heraufgedient, aber er war Heide und kannte nichts anderes als Krieg und Lagerleben. Der Knabe Martin aber war in Pavia mit dem Christentum bekannt geworden und hätte sich am liebsten zu den Wüstenmönchen gesellt, wäre er nicht schon vor der Taufe zu den Fahnen einberufen, vereidigt und nach Gallien beordert worden. Er tat seine Pflicht als Kamerad, er stieg schon in jungen Jahren vom gemeinen Mann zum Offizier auf, aber er hielt sich rein von den Lastern, die man zu allen Zeiten an den Kriegsleuten gerügt hat.

In der Nacht, die der Mantelteilung folgte, erschien ihm Christus, angetan mit einem halben Soldatenmantel, und sprach zu den ihn begleitenden Engeln: „Martinus, der noch Katechumene (Taufbewerber) ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet.“ Der junge Offizier, so von Gott ausgezeichnet, entschloss sich, den Heeresdienst aufzugeben, um in den Dienst eines höheren Herrn überzugehen. Nur die Freundschaft mit seinem Tribun hielt ihn noch zwei Jahre lang unter den Fahnen, weil dieser ihm versprochen hatte, dann gleichfalls den Waffenrock auszuziehen. Mit der Taufe aber wartete er keinen Tag mehr: Christ sein und andere zu Christus führen, war nun sein höchstes Verlangen.

Kampf gegen die gemeinsame Irrlehre von Staat und Kirche

Kaum aus dem Heer entlassen, begab er sich zum heiligen Bischof Hilarius von Poitiers, der ihm eine der niederen Weihen erteilte und ihn gern bei sich behalten hätte. Solange aber Vater und Mutter noch im Heidentum dahinlebten, hatte Martinus keine Ruhe. Mit dem Segen des Bischofs ritt er gen Osten und gelangte trotz eines räuberischen Überfalls in den Alpen glücklich nach Ungarn. Seine Mutter gewann er leicht für die Frohe Botschaft des Heiles, nicht aber seinen Vater, der im Zorn über die „Fahnenflucht“ seines Sohnes jedes Gespräch über die ewigen Wahrheiten ablehnte. Martinus wandte sich trauernd ab und kämpfte noch eine geraume Zeit lang gegen den Arianismus, bevor er über Italien zurückkehrte.

Unterwegs erfuhr er, dass sein Lehrer Hilarius von den Arianern vertrieben worden sei.; auch ihm widerfuhr dasselbe Schicksal, als er versuchte, in Mailand ein Klösterlein des wahren Glaubens zu gründen und von dort aus die Kirchenhasser anzugreifen, unbeschadet der täglichen Beleidigungen, die er von ihnen erfuhr. Vor den Nachstellungen der Irrlehrer wusste er sich schließlich nicht anders mehr zu retten als durch die Flucht auf die winzige und einsame Insel Gallinaria bei Genua. Er hatte eingesehen, dass der Mut eines einzelnen Mannes nicht ausreichte im Kampf gegen die arianisch gesinnte Staatsmacht.

Vom Volk geliebt, vom Klerus gehasst!

Als er fünf Jahre später auf die Nachricht des Bischofs Hilarius hin wieder in Poitiers auftauchte, erkannte niemand in dem ärmlich gekleideten Mann den einstigen Gardeoffizier. mit dem wirren Haar und bleichen Antlitz. Er trat auch nicht öffentlich auf sondern erbaute unfern der Stadt das erste abendländische Kloster (Ligugé), wo er mit wenigen Gefährte sein hartes Büßerleben fortsetzte. Der Ruf von seiner Heiligkeit und einigen Wundern, die er gewirkte hatte, war aber auch nach Tours gedrungen. Das Volk wählte ihn einstimmig zum Bischof, während die hohe Geistlichkeit an seinem Aussehen Anstoß nahm. Demütig fügte sich Martin in das ihm auferlegte Joch, ohne seine Mönchssitten zu ändern.

Auch hier nahm er seine Wohnung in einem Kloster (Marmontier), das er neu errichtete. Es wurde der Mittelpunkt seiner Bekehrungsfahrten, die ihn kreuz und quer durch das ganze Land bis nach Paris führten. Die Bauern empfingen ihn mit neugierigem Misstrauen; ihr Christentum war noch so stark vom Aberglauben durchsetzt, dass es den Bischof graute. Auch standen überall im Lande noch die heidnische Götzentempel und heiligen Haine, eifersüchtig gehütet von den Druidenpriestern und ihrem Anhang. Martin war nicht umsonst Soldat gewesen. Unerschrocken ging er mit der Axt und mit der Kraft seines Wortes dem Heidentum zu Leibe; wo ein Tempel fiel, mussten sogleich Kirche und Kloster entstehen.

Kampf gegen schwere Strafen für geringe Vergehen

Anfangs begegnete er heftiger Gegenwehr, mit Schwert und Dolch drangen die wütenden Bauern auf ihn ein. Doch Furcht und Hass wandelten sich allmählich in Vertrauen und Liebe, als das einfache Landvolk sah, mit welcher Sorge der Bischof sich seiner annahm. Er machte den Bedrückungen durch Gaugrafen und Fronvögte ein Ende; er verhinderte die Ausführung der schweren Strafen, die auf geringe Vergehen gesetzt waren.; er schnitt Verbrecher vom Strick ab und kauerte eine ganze Winternacht hindurch vor dem Tor einer Burg, um einigen armen Sündern Leben und Freiheit zu erlangen. Wusste nicht jedermann, dass der Bischof sich standhaft weigerte, an der kaiserlichen Tafel zu erscheinen, weil Kaiser Maximus eine Blutschuld auf sich geladen hatte? Solche Taten gewannen ihm das Volk mehr als alle Predigt.

Dem Scheinchristentum die Maske weggerissen

Wen sein Wort nicht überzeugte, den eroberte seine Liebe. Diese Liebe, die kein Leid sehen konnte, ohne zu helfen. Die Spur seines Weges ist gezeichnet durch Krankenheilungen und Totenerweckungen. Der Mann, der so ungestüm vor dem Kaiser und den Großen des Reiches auftrat, kannte keine größere Freude, als Tränen zu trocknen. Auch seine Todfeinde, die kriecherischen Hofbischöfe, die Ketzer und Druidenpriester, waren von seiner Liebe nicht ausgeschlossen. Täglich betete er für sie – und mehr als einen hat seine Fürsprache vor dem Henkertod gerettet. Der einstige Soldat, unerfahren in den Wissenschaften und ungeübt in der Kunst der Rede, hat das Unglaubliche vermocht, aus einem Scheinchristentum blühendes Glaubensleben zu entwickeln, nicht zum Wenigsten durch seine Mönche, die gleich ihm das Kreuz bis in die entlegensten Wüsteneien Galliens trugen.

Der Satan schlug ihn oft mit schweren Drangsalen, aber Gott sandte ihm seine Engel zu Hilfe. All seine Erfolge wurzeln in der Gnade des Allmächtigen, die ihn nie verließ. Und war nicht auch das eine Gnade, dass er mitten im Kampf – ohne langes Krankenlager – von seinem Posten abgelöst wurde? Am 11. November 401 ereilte ihn auf einer Visitationsreise zu Candes der Tod. Er starb in Frieden; denn um seine Kirche brauchte er nicht zu bangen; sie war in guter Hut, erweckt doch der Geist Gottes, der lebendig macht, für jeden Apostel der Tat und der Liebe zehn Jünger, die sein Werk fortsetzen!

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