Pfefferspray

Von Thomas Böhm*)

Ich habe mir jetzt Pfefferspray gekauft. Nicht, weil die Suppe so fade schmeckt. Nein, ich habe mir diese Nahkampfausrüstung zugelegt, weil mittlerweile alle Pfefferspray in der Tasche haben. Der Briefträger hat es, damit ihm die Hunde nicht ans Bein pinkeln. Der Bäcker hat es, damit ihn keiner über den Ladentisch ziehen kann. Die Frau vom Sozialamt hat es, weil die Besucher auch alle Pfefferspray mitbringen. Ich glaube, sogar gehört zu haben, dass sich auch der Gemeindepfarrer Pfefferspray zugelegt hat. Die vom Ordnungsamt haben es sowieso, damit die schwarzen Schafe gleich bezahlen. Wir leben in einer Pfefferspray-Gesellschaft. Wenn wir alle gleichzeitig auf den Abzug drücken, würde unser Planet weinend ins Klimakoma fallen. So viel Co2 würde nicht mal in die Atmosphäre fliehen, wenn alle Kühe der Welt gleichzeitig pupsen würden.

Ist aber auch ein feines Ding, so eine Dose. Vor dem Spiegel übe ich ein wenig, während im Fernsehen „High Noon“ läuft. Nur wer zuerst zieht, sprüht zuerst. Der eine lacht, der andere weint. Ein Knopfdruck genügt und alle im Umkreis von einem Meter reiben sich die Augen, wie bei einem Michael Jackson Konzert. Ich fühle mich auf jeden Fall sicher, wenn ich morgens aus der Tür gehe, um den Müll im Innenhof zu entsorgen. Ich fühle mich einfach befreit und locker, wenn ich mich über das Kopfsteinpflaster bewege. Mir kann jetzt nichts mehr passieren, mir kann jetzt keiner mehr was, es sei denn, ich habe Gegenwind.

Nur, wie schon gesagt, bin ich nicht der einzige, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Pfefferspray aus dem Gürtel zieht. Gestern zum Beispiel. Da habe ich jemanden um Feuer gebeten. In dem Moment, wo er in seine Tasche griff, hatte ich auch schon mein Pfefferspray vor seiner Nase platziert. Er natürlich auch. Erst als ein dritter Passant hinzukam und seine Dose dazwischen hielt, haben wir von einander abgelassen. Unentschieden, der Sieger wird beim nächsten Treffen ermittelt.

Aber ein Pfefferspray ist natürlich nichts gegen zwei Pfeffersprays. Mein Nachbar, der Angeber, hat sogar drei davon. Eins in jeder Manteltasche, das dritte als Ersatz im Rucksack. Ich habe jetzt fünf von diesen Augenwischern. Aber das ist noch nicht alles. Weil viele Pfefferspray-Profis sich an das Zeugs mittlerweile gewöhnt haben, Schutzbrillen oder mit Kamillentee gefüllte Antipfefferspraydosen dagegensetzen, habe ich mir etwas Eigenes zusammengebraut: Mit Olivenöl und Zitronenwasser zermalmte Chilischoten würden selbst die Klitschko-Brüder zum Heulen bringen. Am wirkungsvollsten aber ist meine neue Kampf-Kreation. Das Rezept habe ich mir meiner Lieblings-Currywurstbude im Wedding geklaut: The Source mit 16 Millionen Scoville, mehr als doppelt so scharf wie das handelsübliche Polizeispray.

Da bleibt kein Auge trocken.

*) Thomas Böhm ist freier Journalist und Chefredakteur des Blogs http://journalistenwatch.com/

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