Kein Nato-Draht gegen „Reinbrecher“?

Kein Nato-Draht gegen „Reinbrecher“?nato draht

(www.conservo.wordpress.com)

Von Thomas Böhm *)

Thomas Böhm
Thomas Böhm

In der „BZ“ ist mal wieder ein Artikel erschienen, der uns als gutes Beispiel für die Geistesarmut vieler deutscher Journalisten dienen kann:

175 Kilometer Stacheldraht. Auftragsvolumen über eine halbe Million Euro. Es wäre ein Großauftrag für die Neuköllner Firma Mutanox gewesen. Doch sie lehnte ab. Aus humanitären Gründen.

Die aktuelle Flüchtlingskrise hat auch Auswirkungen auf Berliner Gewerbetreibende. Als die ungarische Regierung im Juni entschied, sich mit einem vier Meter hohen Zaun vor Schutzsuchenden abzuschirmen, schickte sie Anfragen an Metallhändler in ganz Europa.

Auch in der Neuköllner Ringbahnstraße ging eine Anfrage aus Budapest ein. Doch die beiden Eigentümer Talat D. (39) und Murat E. (40) entschieden sich gegen eine Mitarbeit am Zaun, den sie als unmenschlich empfinden: “Das war für uns eine Herzensaktion. Wir verkaufen NATO-Draht, um Kriminelle abzuhalten und nicht um schutzsuchende Familien an den europäischen Grenzen zu verletzen.”

Die beiden Unternehmer sind echte Berliner Urgesteine, beliefern normalerweise Gefängnisse, Behörden und Autohändler mit dem Draht, auf dem rasiermesserscharfe Klingen angebracht sind. Seit Kurzem bekommen sie auch immer mehr Aufträge von Reedereien. Große Frachtschiffe werden mit einer Rosette des Spiralen-Drahts versehen, um Piraten am Horn von Afrika abzuschrecken. “Normalerweise ist dieser Draht ein Segen für die Menschheit, denn er hält Verbrecher von ihrem Unterfangen ab, hat eine abschreckende Wirkung. Doch das, was jetzt in Ungarn passiert, ist einfach nur schrecklich”, sagt Talat D.

Normalerweise wird der Draht in zwei bis drei Metern Höhe verlegt, und nicht am Boden, wie gegenwärtig in Ungarn der Fall.

Besonders gefährlich ist die Art und Weise, wie der Draht in Ungarn verwendet wird, sagen die beiden Experten. Denn normalerweise wird der Draht in zwei bis drei Metern Höhe verlegt, und nicht am Boden, wie gegenwärtig in Ungarn der Fall. Schwere Verletzungen und sogar Tote werden dadurch billigend in Kauf genommen.

Denn die Flüchtlinge versuchen trotz Zaun in die Europäische Union einzureisen. Sie werfen Decken und Schlafsäcke über die Drahtrollen. “Das hilft aber nicht viel. Nach zwei bis drei Personen, sind die Decken total zerfetzt und Menschen können sich immer noch schwere Schnittwunden zufügen”, sagt Murat E.

Für ihre Weigerung, an der Grenzsicherung mitzuarbeiten, hat die Neuköllner Firma viel Unterstützung aus der ganzen Welt erhalten. Ein Kölner Taxi-Unternehmer bot den beiden sogar an, auf seinen Fahrzeugen für sie zu werben. (http://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/wir-liefern-keinen-nato-draht-fuer-orbans-grenzzaun)

Mal abgesehen davon, dass jeder „BZ“-Redakteur sein Anwesen verminen würde, wenn zigtausende fremde, junge Männer, voller Zorn und Wut und mit Steinen oder gar Schlimmeren bewaffnet, anrücken würden, trägt wohl jeder Mensch selber die Schuld, wenn er sich beim Überwinden so eines Zaunes verletzt. Keiner hat ihn dazu gezwungen, keiner hat ihn dazu aufgefordert. Wie heißt es so schön? Wer sich in Gefahr begibt…

Außerdem gibt es diese „Abwehrwaffe gegen Reinbrecher“ auch bei ebay für einen viel günstigeren Preis zu erwerben. Also ist diese so genannte „Heldentat“ nichts anderes als öffentlichkeitsgeiles Moralgeschwätz.

Und wenn man so einen albernen Artikel schreibt, sollte man auch recherchieren können und die Quelle des bösen Nato-Drahts nennen:

Die ersten Versionen dieser Stacheldrahtart wurden im Ersten Weltkrieg von Deutschland hergestellt. Grund hierfür war ein kriegsbedingter Mangel an Draht, um herkömmlichen Stacheldraht herzustellen. Daher begann man, aus Stahlbändern Flachdraht mit dreieckigen Schneiden auszustanzen. Ein willkommener Nebeneffekt war, dass man eine vergleichbare Stacheldrahtlänge dieses neuen Typs in kürzerer Zeit produzieren konnte… (https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Draht)

Und worum es bei diesem Draht in Wirklichkeit geht, erfahren wir ebenfalls bei Wikipedia:

Größtes Militärbündnis der Welt ist die NATO (Northern Atlantic Treaty Organisation – Nordatlantisches Verteidigungsbündnis) (https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rb%C3%BCndnis)

Also wie der Name schon sagt, geht es hier um Verteidigung. Und nichts anderes tut Ungarn. Das Land verteidigt unsere demokratischen Werte, unsere Kultur und unsere Freiheit. Also auch die Freiheit der „BZ“-Redakteure. Merkwürdig auch, dass diese Zeitung, wenn es wirklich zur Sache geht, brav die Klappe hält:

Politiker aus der Opposition haben sich drastisch zur Rüstungspolitik der Bundesregierung geäußert. „Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle“, erklärte der Linken-Abgeordnete Jan van Aken. Agnieszka Brugger von den Grünen warf dem zuständigen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, mehr „Wert auf die Interessen der Rüstungslobby als auf Menschenrechte und Frieden“ zu legen.

Zuvor waren neue Angaben zu den Exportgenehmigungen bekannt geworden. Das Jahr 2015 ist demnach auf dem besten Weg, einen neuen Rekord bei den Genehmigungen für Rüstungsexporte aufzustellen. Wie der SPIEGEL auf Basis einer parlamentarischen Anfrage van Akens berichtet, wurden von Januar bis Ende Juni Exporte mit einem Gesamtwert von 6,35 Milliarden Euro genehmigt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 betrug diese Summe 6,52 Milliarden Euro, im Jahr 2013 lag der Gesamtwert bei 8,34 Milliarden…

(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ruestungsexporte-an-diese-laender-liefert-deutschland-a-1047395.html)

Und jetzt zählen wir mal die Länder auf, die mit deutschen Bomben und Gewehren beglückt werden:

Algerien, Arabische Emirate, Irak, Jordanien, Katar, Kuweit, Oman, Pakistan, Saudi Arabien, Syrien und die Türkei. Alles Länder, in denen die Menschenrechte nicht nur mit den Füßen getreten werden. Hier ein jüngstes Beispiel aus einen der Länder, die ganz besonders von der deutschen Waffenschmiede profitiert:

Ali al-Nimr war 17 Jahre alt, als er festgenommen wurde. Die Behörden steckten ihn im Februar 2012 ins Gefängnis, weil er an Protesten gegen das saudische Königshaus teilgenommen haben soll.

Der junge Mann stammt aus einer der prominentesten oppositionellen Familien Saudi-Arabiens. Er gehört der schiitischen Minderheit an, die von den streng sunnitischen Herrschern unterdrückt wird. Sein Onkel Nimr al-Nimr ist einer der Anführer der Protestbewegung in der Provinz Qatif, auch er wurde 2012 verhaftet und wartet im Gefängnis auf seine Hinrichtung.

Sein Neffe Ali teilt dieses Schicksal. Er unterzeichnete in Haft ein Geständnis, das er nach Angaben seiner Familie unter Folter abgegeben hat. Ein Scharia-Gericht verurteilte ihn zum Tode, weil er einer Terrorzelle angehört und Molotowcocktails auf Polizisten geworfen haben soll.

Laut Urteil soll Nimr zunächst enthauptet und sein Leichnam anschließend auf ein Kreuz geschnallt und öffentlich zur Schau gestellt werden. Es ist eine Strafe, wie sie auch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) an ihren Gegnern vollzieht. In der vergangenen Woche bestätigte ein Berufungsgericht den Schuldspruch, die Hinrichtung kann nun jederzeit stattfinden…(http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-will-ali-al-nimr-koepfen-und-kreuzigen-a-1054464.html)

Wo bleibt da der Aufschrei der „BZ“-Redakteure?

*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo

http://www.conservo.wordpress.com

  1. Sept. 2015
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